"Wichtig ist, dass jeder etwas tun kann"

29.11.2018 | Stand 02.12.2020, 15:08 Uhr

Der Forschungstaucher Robert Marc Lehmann wirbt auch an Schulen für weniger Plastik

Herr Lehmann, wie ist aktuell der Zustand der Weltmeere?

Robert Marc Lehmann: Schlecht. Punkt. Und überall, wo ich in den sieben Weltmeeren tauche, wird es von Tag zu Tag schlechter.

Was können wir in Deutschland tun, damit es besser wird?

Lehmann: Wichtig ist, dass jeder etwas tun kann, und sei der Beitrag noch so klein. Man kann ja seinen Plastikkonsum einschränken. Statt einer Plastikzahnbürste kaufe ich mir zum Beispiel eine aus Bambus. Oder ich kaufe im Unverpackt-Laden ein. Oder ich benutze statt eines Sechserträgers Wasser einen Soda-Stream. Wir Deutschen sind die zweitschlimmsten Plastikkonsumenten und Plastikproduzenten der Welt mit 37 Kilo pro Kopf und Jahr. Wir verpacken Scheibletten-Käse einzeln in Scheiben und tragen ihn in Plastiktüten nach Hauses. Das ist ein großes Problem. Als Akutmaßnahme kurz vor dem Herzinfarkt kann man nur sagen: Den Plastikkonsum so doll einschränken wie nur möglich.

Was tun Sie außerdem?

Lehmann: Wenn ich auf dem Meere bin, sammele ich immer Plastik ein oder mache bei Beach-Cleanups mit. Ich spreche an Schulen vor 15000 Kindern pro Jahr und ändere deren Bewusstsein zum Thema Plastik. Ich spitze die richtig an und mache aus denen 15000 kleine Umwelt-Terroristen, die diese Message weitergeben und selber Müll sammeln gehen.

Meinen Sie jetzt Umwelt-Aktivisten oder Terroristen?

Lehmann: Beides. Die terrorisieren ihre Eltern. Die schicken mir dann nette E-Mails: "Danke, Herr Lehmann, mein Kind isst keine Fischstäbchen mehr, kein Nutella, geht nicht mehr in den Zoo und sammelt Müll. Herzlichen Glückwunsch! " Und ich antworte: "Dann hat ihr Kind alles richtig gemacht. "

Praktisch jede Woche erreichen uns neue Horrormeldungen über die Plastikflut in den Weltmeeren. Was war eigentlich Ihr bisher schlimmstes Erlebnis?

Lehmann: 2016 sind 29 Pottwale an europäischen Küsten gestrandet. Viele Wissenschaftler haben überlegt, woran das gelegen hat. Bei einer Walstrandung kann man das nie genau sagen und nur Mutmaßungen anstellen. Aber eine der Ursachen war, dass die Tiere auch Plastik im Bauch hatten.

Oft heißt es, das meiste Plastik in den Weltmeeren stammt aus Asien. Da können wir uns doch auch ruhig zurücklehnen. . .

Lehmann: Das stimmt. Sollen doch die anderen machen. Aber das Problem ist: Wir sind die letzte Generation, die was ändern kann. Sonst gibt es in den nächsten 20 Jahren den großen Kollaps in den Meeren. Es gibt ja nicht nur das Plastik, das herumschwimmt, sondern auch das, was aus dem Plastik austritt. Diese Stoffe wie zum Beispiel Weichmacher verändern die Fortpflanzungsfähigkeit von Fischen im Ozean und machen sie sogar unfruchtbar. Was dann passiert, wenn die Fischbestände kollabieren, ist für uns vielleicht uninteressant. Aber für ganz viele Menschen, die Fisch essen müssen, nicht. Aktuell sind das 1,3 Milliarden Menschen. In 20 Jahren sind es übrigens drei Milliarden, die sich dann vielleicht auf Wanderschaft in Richtung Europa begeben - auf Grund von Hunger. Und dann wird das Plastikproblem alle betreffen.

DK



Das Interview führte Suzanne Schattenhofer.