Riedenburg
Wenn Papa keine Chance hat

Oberbayerns Schachnachwuchs kämpft um Tickets für die "Bayerische"– und frustriert die Eltern

25.02.2015 | Stand 02.12.2020, 21:37 Uhr

„Schau mal, Papa. So geht das.“ Im Schullandheim Riedenburg duellierte sich am Wochenende der oberbayerische Schachnachwuchs, darunter der zehnjährige Johannes Pachmann, der hier seinem Vater eine seiner Partien erklärt. Mehrere Tage lang standen Spiele in sieben Klassen auf dem Programm, mit insgesamt 74 Jugendlichen - Fotos: Erl

Riedenburg/Eichstätt (er) Es geht um Sieg oder Untergang des Königs samt seinem Heer. Und es ist zugleich ein erbittertes Duell Mann gegen Mann und Frau gegen Frau. Hier prallen Willensstärke und Kampfgeist Auge in Auge aufeinander und es braucht taktische Raffinesse, Feldüberlegenheit im Kampf und die Intelligenz, dem Gegner immer einen Schritt voraus zu sein.

Nein, hier findet kein digitales Strategiespiel statt, bei dem imaginäre Heerscharen über den Bildschirm flirren und vom Kinderzimmer aus per Computer Länder und Kontinente erobern. Im Schullandheim bei Riedenburg sitzen sich 74 Jugendliche paarweise gegenüber. Und spielen Schach.

Darunter ist auch ein Eichstätter. Martin Rozbicki vom SCE tritt in der U 18 an – und schafft es am Ende auf Rang zwei.

Das Schachspiel trug schon seit dem Mittelalter alles in sich, was moderne Computerspiele so faszinierend macht. Dennoch kommt das königliche Brettspiel ganz ohne Elektronik aus. „Schach ist viel schöner als Videospiele, weil die Gegner wirklich da sind, man miteinander redet und danach gemeinsam das Spiel analysiert“, beschreibt die 18-jährige Lena Antczak vom Schachclub Kelheim die Faszination im Spiel mit König, Läufer und Pferd. Computerspiele besitzt die junge Frau nicht, live ist ihr lieber.

Sie hat am Wochenende einfach mal bei den Jugendlichen des Schachbezirksverbands Oberbayern vorbei geschaut, die unter der Regie des SC Beilngries in den verschiedenen Jugendklassen um die Qualifikation für die Bayerischen Einzelmeisterschaft spielen.

Für die jungen Menschen sind es entspannende Freizeittage, in denen sie selbst noch in der Mittagspause beisammensitzen, leidenschaftlich interessiert auf das Schachbrett vor sich sehen und schnell noch eine Partie vor dem nächsten Wettkampf austragen.

Nur die begleitenden Eltern sind manchmal über so viel Passion und Können frustriert. „Schach spielen macht keinen Spaß mehr mit ihm“, sagt Peter Ott aus Traunstein über seinen 13-jährigen Sohn Josef. Der Bub war schon dreimal bei Deutschen Meisterschaften, längst hat der Vater keine Chance mehr gegen ihn.

So viel Erfolg gibt Selbstbewusstsein und nicht umsonst tragen manche ein T-Shirt mit dem Aufdruck „Schachkönige vom Tegernsee“ auf dem Rücken. Aber natürlich gibt es bei den Zweierduellen meist einen Verlierer und so bleibt es nicht aus, dass manchmal Tränen der Enttäuschung fließen. Doch in einer Gemeinschaft von so vielen jungen Menschen mit gleichen Interessen samt viel Freizeitspaß versiegen die nassen Kuller bald. Und spätestens vor dem nächsten Match reichen sich die Gegner wieder die Hände – das gehört zum Selbstverständnis eines Turnieres einfach dazu.

Mindestens sieben Partien mit einer Dauer von jeweils zwei bis fünf Stunden spielen die jungen Menschen vom Grundschulalter bis zur Volljährigkeit an den vier Tagen. Turnierleiter Thomas Sörgl ist mit dem talentierten Schachnachwuchs aus Oberbayern und etwa 30 Betreuern schon zum dritten Mal in Riedenburg. „So eine Jugendherberge ist ideal, hier haben wir reichlich Platz und die nötige Ruhe“, lobt er.

Diese Ruhe müssen vor allem auch die Eltern und Betreuer einhalten, denn während der Turnierzeiten haben sie nach den Anfangsminuten vor den Türen zu warten, möglichst nur leise zu plaudern oder lieber ein Buch zu lesen. Erst wenn die letzte Partie abgeschlossen ist, darf wieder fröhlicher Lärm durch das Haus schallen. Dann sind auch wieder die Eltern gefragt – entweder um zu trösten oder um sich die siegreichen Züge von den Sprösslingen erklären zu lassen.

Die Regeln sind einfach und auch von Anfängern bald zu erlernen. Doch ob Väter und Mütter die ausgefeilten Winkelzüge ihrer Sprösslinge immer verstehen, bleibt fraglich.

„Schach ist ein Kampfsport und hoch emotional“, sagt der Vater des zehnjährigen Johannes Pachmann und wagt sogar ein – freilich aussichtsloses – Spiel gegen seinen Sohn.