Ingolstadt
Wenn möglich, nichts wie weg

Sicherheitsexperte Atila Dikilitas ist Bundestrainer für Selbstverteidigung

19.02.2019 | Stand 23.09.2023, 6:00 Uhr
"Und danach nichts wie weg": Ist eine Flucht unmöglich ist, dann müssen einstudierte Abwehr und Konter den Angreifer zurückwerfen. Hier demonstriert Selbstverteidigungs-Bundestrainer Atila Dikilitas die Technik an einem freiwilligen "Opfer" aus seiner Kampfsportschule. −Foto: Eberl

Ingolstadt (DK) Er gehört gewiss zu den bekanntesten Ingolstädter Personen des Nachtlebens und Veranstaltungswesens: An der schützenden Hand von Atila Dikilitas mussten schon viele Schanzer vorbei, um in Clubs oder zu Sportereignissen zu gelangen. Der Kampfsportler und Sicherheitsexperte ist jetzt zum Bundestrainer für Selbstverteidigung aufgestiegen.

Schüler in der Region kennen ihn, auch wenn sie noch lange nicht in dem Alter sind, um nachts um die Häuser zu ziehen. Als Anti-Gewalt-Trainer tourt Atila Dikilitas durch die Bildungseinrichtungen. Ab und zu lässt er zudem Züge an Ingolstädter Bahnhöfen anrollen, um dort für Zugbegleiter der Bahn eine reale Umgebung zu schaffen: ihr tägliches Arbeitsumfeld. Dort übt der Trainer für Eigensicherung im Auftrag des Unternehmens das ein, was bei allen seinen Aufgaben immer ganz oben steht: "95 Prozent einer Verteidigung sind immer Deeskalation", sagt Dikilitas. "Wenn du deeskalierst, hat du zu 100 Prozent gewonnen. Beim Kämpfen bist du nie sicher, ob du gewinnst, auch beim besten Kämpfer sind in jeder Situation fünf Prozent Unsicherheit dabei." Nicht, dass er dem Bahnpersonal auch nur in irgendeiner Weise die körperliche Konfrontation in Aussicht stellen würde. Zumindest geistig müssen sich die Frauen und Männer darauf einstellen, was droht, wenn ein Kunde vielleicht handgreiflich wird - was seiner Erfahrung nach gefühlt immer häufiger passiert. Gleichlaufend mit dem sinkenden Respekt dem Nächsten gegenüber, wer das auch immer sein mag.

Die gefühlte Unsicherheit bei Menschen im täglichen Leben bekommt der 47-Jährige nicht nur in seinen Ausbilderjob zu spüren. Er erfährt sie auch in seiner eigenen Kampfsportschule, wo besonders und unvermindert die Selbstverteidigungskurse sehr nachgefragt werden; ungebrochen auch vom vermeintlich schwachen Geschlecht. "Wir haben eine hohe Frauenquote. Der Trend hält weiter an", weiß er zu berichten.

Auch hier geht Dikilitas so realitätsbezogen und realistisch wie möglich vor. "Wir üben dann auch mal in einer dunklen Tiefgarage - so eine Umgebung eben, wie sie für Frauen zum Albtraum werden kann." Ziel bei den Kursen sei auch hier immer: Wenn ein Angriff trotz aller Deeskalation oder völlig überraschend kommt und eine Flucht unmöglich ist, den Angreifer mit einer einstudierten und reflexartigen Kombination aus Abwehr und Gegenangriff zu kontern. "Und dann so schnell wie möglich weg. Nichts wie weg", sagt der Trainer, der schon ganze Kurse mit Firmenmitgliedern und auch Gruppierungen auf deren Wunsch durchexerziert hat. "Ein befreundeter Polizist berichtet immer aus dem Alltag, dass Frauen, die sich in Bedrängnis vernünftig gewehrt hätten, sich auch aus der Situation wie einer Belästigung befreien konnten." Frauen, so ist Dikilitas überzeugt, hätten den Kampfgeist absolut in sich.

Das ist seine Erfahrung aus den Selbstverteidigungskursen, die er mit der aus Israel stammenden Selbstverteidigungsvariante Krav Maga Global anbietet. Die Ausbildung dazu holte sich der vielseitige Kickboxer (inzwischen ehrenhalber mit dem 4. Dan gekürt), Karate- (1. und 2. Dan) oder auch Muay Thai-Experte bei einer einmonatigen Ausbildung in Belgrad mit speziellen Ausbildern von Sondereinsatzkommandos aus dem Nahen Osten. "Das härteste Training, was ich selbst je mitgemacht habe", berichtet der mehrfache WM-Teilnehmer.

Das Engagement auf dem Feld ist dem Kampfsportverband ISKA (International Sport Kickboxing & Karate Association) nicht entgangen. Als einer der größten Verbände weltweit hat er Dikilitas zum Bundestrainer in Selbstverteidigung berufen. Der Ingolstädter sichtet nun landesweit Talente und stellt einen Kader für die nächsten Titelkämpfe zusammen. Heuer in Irland, besonderes Augenmerk liegt aber auf der Meisterschaft 2020 in den USA. "Da machen wir einen ganzen Flieger aus Ingolstadt voll", sagt Dikilitas lachend. Widersprechen möchte man ihm schon aus grundsätzlichen Erwägungen nicht.

Christian Rehberger