Mühlhausen
Wenn der Panzer nicht durchkommt

Pionierschule demonstriert Lehrgangsteilnehmern bei Mühlhausen die Grenzen von Gefechtsfahrzeugen

05.11.2019 | Stand 23.09.2023, 9:19 Uhr
Militärischer Zoo: Im Gelände nördlich von Mühlhausen präsentieren sich (von links) ein Schützenpanzer "Puma", ein Pionierpanzer "Dachs", ein Kampfpanzer "Leopard 2" und ein Bergepanzer "Büffel". Der "Puma" hat sich bereits im Wassergraben festgefahren und kommt aus eigener Kraft nicht mehr frei. −Foto: Heimerl

Mühlhausen (DK) Mächtig und furchteinflößend rollt er an, mit röhrendem Dieselmotor fährt er in die Furt durch einen nur einen Meter breiten Nebengraben der Schutter nördlich von Mühlhausen - und dann ist Schluss mit der Offensive.

Ein Leopard 2, weltweit als führend eingestufter Kampfpanzer der Bundeswehr, ist im morastigen Boden steckengeblieben. Ein paar ruckelnde Vor- und Rückwärtsbewegungen lassen die Ketten im sumpfigen Untergrund nur noch durchdrehen, von Befreiungsversuch zu Befreiungsbesuch sinkt das 65 Tonnen schwere Fahrzeug nur noch tiefer ein.

Im Ernstfall wäre hier ein womöglich taktisch wichtiger Vorstoß eines gepanzerten Verbandes übel ins Stocken geraten, wenn nicht gar völlig gescheitert - wegen eines natürlichen Hindernisses, wie es im ländlichen Raum häufig anzutreffen ist. So schnell kann bei einer klassischen militärischen Operation die Lage kippen.

Das Szenario, gestern morgen im Ingolstädter Westen von rund 100 Lehrgangsteilnehmern des Ingolstädter Ausbildungszentrums Pioniere und einigen zivilen Gästen und Dorfbewohnern beobachtet, war allerdings genau so gewollt. Brigadegeneral Lutz Niemann, Chef der Truppenschule und der deutschen Pioniertruppe, hatte mit seinem Stab ganz bewusst vor Augen führen wollen, dass es auch für modernste Gefechtsfahrzeuge Grenzen gibt, die auf den ersten Blick gar nicht so wild erscheinen, die von militärischen Kommandeuren allerdings tunlichst beachtet werden sollten. Und Absolventen der Pionierschule sollten so etwas wissen.

Die Ausbilder der Ingolstädter Bundeswehrschule hatten diese kleine Übung ursprünglich in einem ähnlich beschaffenen Geländestreifen bei Wolkertshofen durchziehen wollen, waren aber vom Wasserwirtschaftsamt an den Schutterlauf bei Mühlhausen verwiesen worden. Weil militärische Vorführungen abseits der ausgewiesenen Truppenübungsplätze in Deutschland fast gar nicht mehr vorkommen, waren die Bürger von Mühlhausen in der vergangenen Woche eigens mit einem Info-Faltblatt auf die bevorstehende "Panzeroffensive" vorn ihrer Haustür aufmerksam gemacht worden. Alle zuständigen Behörden waren eingeweiht und hatten ihren Segen gegeben, weil es sich bei dem Grünland nahe der Schutter um eine landwirtschaftliche Ausgleichsfläche handelt, also keine Äcker in Gefahr waren, von den Panzerketten zertorft zu werden. Die Ingolstädter Bundeswehrschule war für die Vorführung vom Panzerbataillon 104 in Pfreimd und vom Panzergrenadierbataillon 122 in Oberviechtach (beides Oberpfalz) unterstützt worden.

Nachdem sich in der Frühe bereits ein Aufklärungsfahrzeug vom Typ "Fennek" und zwei Transportpanzer vom Typ "Fuchs" an dem kleinen Wassergraben festgefahren hatten, bereitete drehbuchgemäß ein Pionierpanzer "Dachs" mit Räumschild und Baggerschaufel eine Furt durch den Schutter-Nebenlauf vor - die dann aber wegen des weichen Untergrundes für die schweren Panzer doch nicht passierbar war. Zunächst fuhr sich ein Schützenpanzer "Puma" fest, dann der schon erwähnte "Leo". Nur eine von einem "Leguan" über den Graben verlegte Panzerschnellbrücke erwies sich als passierbar. Ein Bergepanzer "Büffel" komplettierte den militärischen Zoo und hatte später seine liebe Mühe, die gestrandeten Kettenfahrzeuge mittels Seilwinde aus dem Morast zu ziehen.

Aus der Ferne war die friedliche Landschaft bei Mühlhausen für nicht ortskundige Soldaten am Morgen noch als ganz passables Gelände für einen schnellen gepanzerten Vorstoß durchgegangen. Ein Panzerkommandant habe ihm gesagt, dass er da im Ernstfall "mit 70 Sachen durchfahren" werde, berichtete General Niemann am Rande des Geschehens dem DK mit leichtem Schmunzeln. "Die stehen da hinten auf einer Anhöhe und können das gar nicht richtig einschätzen", so der Kommandeur. Am Mittag waren dann alle schlauer.

Bernd Heimerl