Kommentar
Weniger Individualverkehr

23.01.2019 | Stand 02.12.2020, 14:47 Uhr

Es ist ein Brief mit einem gerüttelt Maß an Sprengstoff: Mehr als 100 Lungenärzte fordern die Neubewertung der von den EU-Staaten festgelegten Grenzwerte für Feinstaub und Stickoxid in der Luft.

Weil sie wissenschaftlich nicht haltbar seien, weil die Menge an Schadstoffen bei den aktuellen Grenzwerten ungefährlich sei, so die Begründung.

Wenn so viele Experten auf dem Gebiet der Lungengesundheit Vorschriften kritisieren, welche die Gesundheit der Atemwege schützen sollen, dann muss man das ernst nehmen. Der Grenzwert von 40 ?g/m³ als Jahresmittelwert basiert auf Untersuchungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Viele Wissenschaftler aber sagen, dass bislang noch kein konkreter Wert ermittelt werden konnte, ab dem negative Effekte für die Gesundheit auftreten. Die Lungenärzte haben also Recht: Der Grenzwert alleine ist kein eindeutiger Indikator für eine höhere Sterblichkeit der Menschen, die Forderung der Pneumologen nach Überprüfung ist richtig.

Die Diskussion um Grenzwerte und damit verbundene Fahrverbote könnte man sich allerdings sparen, wenn der Gesetzgeber das Problem grundlegend angehen würde. Dass es generell nicht gesund ist, Abgase einzuatmen, ist wissenschaftlich belegt. Das Ziel, den Stickoxid-Ausstoß des Straßenverkehrs zu minimieren, ergibt Sinn, weil nach Angaben von Umweltexperten ein Zusammenhang zwischen diesen Stickoxiden und der Belastung durch andere Schadstoffe wie Feinstaub oder Kohlenwasserstoff besteht. Der Staat ist also in der Pflicht, die Belastung durch NOx, die im Straßenverkehr zu einem Großteil von Diesel-Fahrzeugen ausgeht, zu minimieren.

Um in den Städten eine bessere Luftqualität zu erreichen, sind Fahrverbote aber nur eine Verlegenheitslösung. Denn gleichzeitig trägt die staatliche Bevorzugung von Diesel-Pkw dazu bei, dass die Grenzwerte überschritten werden. Würde man das Problem wirklich an der Wurzel packen und den öffentlichen Nahverkehr so lukrativ gestalten, dass der Individualverkehr zurückgeht, müsste niemand über Grenzwerte diskutieren.