Geisenfeld
Wem gehört die Natur zuerst?

Unmut wegen gesperrter Wege und was das Landratsamt dazu sagt

09.04.2021 | Stand 12.04.2021, 3:33 Uhr
Stop, zurück! - Wie etliche andere ist auch dieser Weg auf dem Areal südlich von Ernsgaden und östlich des Manchinger Flughafens noch bis Mitte Juli gesperrt. Was bei vielen Ernsgadenern für Unmut sorgt, hält das Landratsamt für unverzichtbar, um das Überleben mehrerer Bodenbrüterarten im Landkreis zu sichern. −Foto: Gerhard Kohlhuber

Ernsgaden - Raus in die Natur. Gerade in diesen Zeiten für viele Menschen ein wichtiges "Ventil", wenn sonst schon so vieles nicht möglich ist. Zum Joggen und Spazierengehen gerne genutzt wird von den Ernsgadenern das an die Gemeinde angrenzende Ludwig-Hirschberger-Gebiet im Bereich des Ottergrabens - doch dieses darf derzeit nicht betreten werden - infolge der vom Landratsamt Ende Januar erlassenen Verordnung zum Schutz von Wiesenbrütern. In der Bevölkerung ist der Unmut darüber groß, wie jetzt auch ein Beschwerdeschreiben des Ernsgadeners Swen Nitsch an unsere Zeitung zeigt. Für ihn wird hier "mit Kanonen auf Spatzen geschossen" - ein Vorwurf, den die Kreisbehörde freilich zurückweist.

Die Verordnung wurde vom Landratsamt erlassen, um die mittlerweile vom Aussterben bedrohten Wiesenbrüter besonders zu schützen. Damit sollen Störungen von den wiesenbrütenden Vogelarten ferngehalten werden. Kern der Verordnung ist laut Kreisbehörde eine "naturschutzverträgliche Besucherlenkung", und dazu gehört auch ein durch Beschilderung gekennzeichnetes Betretungsverbot von Brutflächen während der Brutzeit vom 1. März bis zum 15. Juli. Von den Verboten ausgenommen sind laut Verordnung Grundeigentümer und Pächter. Auch für die Landwirtschaft, den Forstbetrieb sowie für Jagd und Fischerei gelten die Vorgaben nicht.

Per Schreiben an das Landratsamt hat die Gemeinde Ernsgaden bereits im Februar gegen die Verordnung protestiert, die man als "nicht verhältnismäßig" ansieht. Von dem Verbot betroffen seien gerade jene Wege, "die von der Ernsgadener Bevölkerung intensiv zur Erholung und Sportausübung genutzt werden", heißt es in dem Schreiben. Dass sich hier Wiesenbrüter ansiedeln, sei "fragwürdig", weil sich das Gebiet in der An- und Abflugzone des Flughafens Manching befinde, in der es "zu Lärmpegeln von mehr als 130 Dezibel" komme.

Ins selbe Horn stößt nun auch der Ernsgadener Swen Nitsch in einem Schreiben an unsere Zeitung. Er finde es "in keinster Weise angemessen, zu solchen Maßnahmen zu greifen, und den Bürgern, die ohnehin schon durch sämtliche Verbote malträtiert werden, auch noch den Freiraum in der Natur streitig zu machen". Absurd werde das Ganze, so der Ernsgadener, wenn man einerseits nicht mal geteerte Wege mit dem Fahrrad befahren dürfe, andererseits aber beobachte, "dass Jäger mitten in der Wiese parken und ihre Hunde frei über dieselbe rennen lassen". Des Weiteren würden nahezu täglich Hubschrauber über dem ausgewiesenen Wiesenbrüter-Gelände kreisen. "Schwer vorstellbar, dass dies den zu schützenden Vögeln nichts ausmacht."
Es solle nicht so aussehen, betont der Beschwerdeführer, "als wäre mir der Erhalt unserer Natur und Tierwelt egal. Aber man sollte meines Erachtens eher an die Vernunft der Bürger appellieren als gleich mit Kanonen auf Spatzen zu schießen". Ins Bild, so Swen Nitsch, würden hier Aussagen von Landratsamt-Mitarbeitern passen, dass man bei festgestellten Vergehen zwar heuer noch auf Geldbußen verzichte, ab dem nächsten Jahr aber mit Strafen bis zu 15000 Euro zu rechnen sei. Der Ernsgadener zusammenfassend: "Ich denke, man sollte sich in dieser ohnehin schweren Zeit nicht das Leben noch schwerer machen als nötig und immer neue Verbote aussprechen, denn von denen haben wir ja mittlerweile genug."

Die Kritik, das Betretungsverbot sei nicht verhältnismäßig, wurde vom Landratsamt bereits in seiner Antwort auf das Beschwerdeschreiben der Gemeinde Ernsgaden zurückgewiesen. Der Erlass der Wiesenbrüterverordnung sei "auf der Grundlage des Bayerischen Naturschutzgesetzes erfolgt", heißt es hier. Das erlassene Betretungsverbot wird aber auch ausführlich begründet, und zwar auf den Hinweistafeln an den Zugängen zu dem gesperrten Gebiet. Es handle sich bei dem Areal "um eines der wichtigsten im Landkreis noch verbliebenen Gebiet für bodenbrütende Vogelarten", heißt es hier. In den vergangenen Jahrzehnten seien zum Beispiel die Bestände des Kiebitzes und des Brachvogels um mehr als die Hälfte eingebrochen. Um die Restbestände dieser Arten zu erhalten, sein die Wegsperrungen während der Brutzeit unverzichtbar. Grund: "Ohne diese Maßnahmen können die sehr störanfälligen Bodenbrüter nur einen Bruchteil des für sie vorgesehenen Schutzbereiches nutzen." Die Bereiche um die zeitweise gesperrten Wege seien als Brut-, Nahrungs- und Ruheflächen "von entscheidender Bedeutung für das Überleben dieser Arten im Landkreis". Störungen auf diesen Flächen würden dazu führen, "dass die Altvögel die Brutplätze verlassen und die Jungvögel verenden". Deshalb der Appell der Kreisbehörde: "Bitte halten Sie sich an die Wegsperrungen. Dann haben auch nachfolgende Generationen noch die Möglichkeit, sich an einer belebten Landschaft mit Feldlerche, Kiebitz und Brachvogel zu erfreuen."

kog