Ingolstadt - Wie groß ist das Risiko, wenn Inhaber eines Auto-Führerscheins (B-Klasse) künftig unter bestimmten Voraussetzungen auch kleine Motorräder ohne Prüfung fahren dürfen?
Nachdem der Bundesrat vergangenen Freitag eine entsprechende Verordnung für Maschinen bis 125 Kubikzentimetern und maximal 15 PS durchgewunken hat, gab es von verschiedenen Seiten große Bedenken. Es waren aber auch moderatere Stimmen zu hören. "Die Vorgaben sind so, dass man durchaus zufrieden sein kann", sagt etwa Siegfried Winter, zweiter Vorsitzender des Landesverbands bayerischer Fahrlehrer (LBF), im Gespräch mit unserer Zeitung.
Die Idee für diese Lockerung stammt von Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU), Schon im Sommer war der Aufschrei groß, als seine Pläne durchsickerten. Konkret sieht es so aus, dass nur Autofahrer ab 25 Jahren mit mindestens fünf Jahren Fahrpraxis von der Verordnung profitieren. Sie müssen zuvor neun Doppelstunden Unterricht absolvieren, vier in Theorie und fünf in Praxis, bevor sie einen Roller oder ein Motorrad bis 125 Kubikzentimeter im Straßenverkehr bewegen dürfen.
"Ursprünglich war nur von vier Pflichtstunden Schulung die Rede, das wäre unmöglich gewesen. Deshalb können wir mit der jetzt beschlossenen Regelung doch ganz gut leben", sagt das LBF-Vorstandsmitglied Siegfried Winter. "In fünf Doppelstunden Praxis lässt sich einiges vermitteln, wie das Ausweichen von Hindernissen mit und ohne Bremsen, das Slalomfahren oder das Fahren in der Stadt und auf der Landstraße", erklärt der Funktionär des bayerischen Fahrlehrerverbandes.
"Grundsätzlich besteht sowohl beim Motorrad als auch beim Auto das gleiche Problem, wenn junge Menschen sie benutzen: Diese Fahrer sind unerfahren und risikobereiter", weiß Siegfried Brockmann, Unfallforschungsleiter der Versicherer in Berlin. Da die Altersklasse bis 25 Jahren aber von der Regelung ausgeschlossen sei, falle diese Risikogruppe weg. Das findet er richtig. Bei den übrigen Verkehrsteilnehmern würde sich jetzt auch nicht gleich jeder aufs Motorrad setzen. "Meine Empörung hält sich daher in Grenzen, da geht nicht gleich das Abendland unter. "
Gleichzeitig warnt Brockmann aber davor, die Gefahren auf zwei Rädern zu unterschätzen. "Da kann jeder noch so kleine Fehler zum Unfall mit Verletzungen oder Todesfolge führen. Ich hätte deshalb lieber gehabt, dass neben der Schulung auch eine Prüfung verbindlich bleibt. Da muss muss man zeigen, dass man es wirklich kann. " Er rät Umsteigern, das eigene Können nie zu überschätzen und stets defensiv unterwegs zu sein.
"Ein Motorrad hat Besonderheiten und eine ganz andere Fahrdynamik als ein Auto", bestätigt Roland Dürr, Projektleiter Sicherheitstrainings bei der Verkehrswacht Ingolstadt. "Es gibt Verkehrsteilnehmer, die haben schon mit Pedelecs Schwierigkeiten. " Dürr ist die nun beschlossene Schulungsdauer zu kurz, da könne nicht alles Wichtige vermittelt werden. "Ich kann jedem nur zusätzlich ein Sicherheitstraining empfehlen. "
Unfälle mit Motorrädern und Rollern bis 125 Kubikmetern sind bisher kein großes Thema im Raum Ingolstadt, wie eine Nachfrage bei der Polizei ergab. Könnte sich das mit der Neuregelung demnächst ändern? "Die Entscheidung beruht auf der sorgfältigen Abwägung zwischen Verkehrssicherheit und Mobilitätsbedürfnissen der Bevölkerung", erklärt Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) auf Anfrage unserer Zeitung. Er sieht die Option, auf ein stärker motorisiertes Zweirad umzusteigen, als Alternative im Großstadtverkehr oder effiziente Individuallösung auf dem Land. Durch die obligatorische Schulung in Theorie und Praxis "sehen wir auch die Verkehrssicherheit hinreichend gewährleistet", meint der Minister.
Der Alltag muss zeigen, wie die Lockerung sich auswirkt. Billig wird der Umstieg für Interessierte übrigens nicht. Selbst ohne Fahrprüfung dürfte die obligatorische Schulung geschätzt etwa 700 bis 800 Euro kosten. Andererseits könnten mehr Zweiräder Verkehr und Umwelt entlasten, denn sie brauchen weniger Platz, Parkraum und Sprit.
DK
Horst Richter
Zu den Kommentaren