Passau (DK) Es bleibt vorerst bei den Bürgerinnen und Bürgern - anstelle der Bürger*innen mit dem Gender-Sternchen.
Zwei Tage lang beriet der Rat für deutsche Rechtschreibung über die "geschlechtergerechte Schreibung". Am Freitag fiel dann in der Universität Passau die einstimmige Entscheidung, erst einmal nichts zu tun. Es solle abgewartet werden, wie sich der Sprachgebrauch diesbezüglich weiter entwickelt, sagte der Ratsvorsitzende Josef Lange bei einer Pressekonferenz.
Zur Debatte standen verschiedene Lösungen, um die Geschlechter in der deutschen Sprache alle gleichermaßen zu berücksichtigen. Von der Sternchen-Variante, dem Asterisk, über das "Gender-Gap", wie bei Leser_innen, bis hin zu dem Zusatz "männlich, weiblich, divers" war alles vertreten. Doch zu einer Empfehlung konnte sich das Gremium nicht durchringen. Der Rat der deutschen Rechtschreibung hat keine Entscheidungskompetenz, sondern spricht nur Empfehlungen an die Politik aus. Diese verfasst er nach wissenschaftlichen Untersuchungen des Sprachgebrauchs in der Öffentlichkeit.
Dabei fand das beauftragte Institut der deutschen Sprache in Mannheim zwar heraus, dass das Sternchen am häufigsten verwendet wird, doch dabei handle es sich, um "keine eindeutige Beobachtung", wie Lange bekannt gab. Es sei derzeit noch nicht absehbar, wie sich der Sprachgebrauch in diesem Zusammenhang weiter entwickeln werde. Der Leiter des Mannheimer Instituts, Henning Lobin, gab zu bedenken, dass es schwierig sei, an Daten zu kommen. Das Institut stütze sich größtenteils auf Zeitungsartikel, da beispielsweise Verwaltungstexte nicht der Öffentlichkeit zugänglich seien.
Sollte der Rat jemals zu einer Entscheidung für eine geschlechtergerechte Schreibweise kommen, müssen laut Lange folgende sechs Kriterien erfüllt sein: Die Texte müssen sachlich korrekt, verständlich und lesbar sowie rechtssicher und eindeutig sein. Auch solle es leicht möglich sein, diese vorzulesen, gerade mit Hinblick auf Behördentexte, die sich die Bürger mittlerweile auch online anhören könnten. Zudem solle es dem Leser möglich sein, sich voll und ganz auf die "wesentlichen Sachverhalte" zu konzentrieren. Das letzte Kriterium scheint den Ausschlag gegen eine endgültige Entscheidung des Rates gegeben zu haben: "Die Übertragbarkeit auf deutschsprachige Länder mit mehreren Amts- und Minderheitssprachen. " Denn der Rat spricht mit seinen Entscheidungen für Deutschland, Österreich, die Schweiz, das Fürstentum Liechtenstein, für die Provinz Bozen-Südtirol und die deutschsprachige Minderheit in Belgien.
"In Deutschland und Österreich sind die Diskussionen zum Thema deutlich weiter fortgeschritten", sagte Lange. In den anderen Staaten würden die Debatten weitaus weniger intensiv geführt. Dieser Tatsache müsse der Rat Rechnung tragen. "Wir befinden uns gerade in einer Erprobungsphase, die in den Ländern des deutschen Sprachraums unterschiedlich schnell und intensiv verläuft. " In diesem Zusammenhang wolle der Rat keine vorzeitige Empfehlung abgeben, da dies die Debatte unnötig beeinflussen könne.
Heinz Bouillon vertritt im Rat die deutschsprachige Minderheit in Belgien: "Diese Kontroversen werden bislang hauptsächlich in Deutschland und Österreich geführt. Ostbelgien hat bislang zum Beispiel noch gar keine Stellungnahme dazu abgegeben. "
Spätestens in drei Jahren wird das Thema den Rat erneut beschäftigen: Denn dann werden die Sprachexperten ihren alle fünf Jahre erscheinenden Bericht vorlegen. Der Rat für deutsche Rechtschreibung mit Sitz in Mannheim ist ein gemeinsames Gremium der deutschsprachigen Länder. Er soll über die Einheitlichkeit der Rechtschreibung im deutschsprachigen Raum wachen und Empfehlungen für Weiterentwicklungen aussprechen.
Oliver Glombitza
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