Neuburg
Von Muskeln und Socken

01.06.2010 | Stand 03.12.2020, 3:58 Uhr

Einmal im Monat trifft sich der Lyrikkreis, meist am letzten Freitagnachmittag um 17 Uhr in der Chiceria zum gemeinsamen Schmunzeln oder Nachdenken über die Werke, die mitgebracht wurden. - Foto: Hammerl

Neuburg (ahl) Zwischenmenschliche Gefühle, speziell die zwischen Frau und Mann, sind angesagt. In der Chiceria hat sich wie an jedem letzten Freitag im Monat der Lyrikkreis eingefunden.

Im Gepäck haben die Teilnehmerinnen – für diesmal bleiben die Damen unter sich – eigene Werke und zum Teil auch Fremdes, das sie gern vortragen möchten. "Wir wollen ja nicht nur im eigenen Saft schmoren", erklärt Faniza Möller, "sondern von anderen lernen, die es uns vorgemacht haben". Allzu weit zurück in die Literaturgeschichte aber geht der Lyrikreis in der Regel nicht, höchstens einige Jahrzehnte zurück ins vorige Jahrhundert. "Ich suche das Moderne", begründet Möller, warum Goethe oder Schiller eher nicht zu Ehren kommen, sondern lieber moderne Autoren wie Ingeborg Bachmann, Thomas Bernhard oder Herta Müller.

Möller teilt sich die Leitung des Lyrikkreises mit Waltraud Götz und Sissy Schafferhans. "Als Triumvirat weiblichen Geschlechts", ergänzt Götz. Den harten Kern des Lyrikkreises bilden etwa zehn Personen, gelesen wird reihum. Diesmal wird Christine Burghard ausgeguckt – sie darf beginnen, schließlich heißt ihr Gedicht "Unter Strom", geschrieben am Tag nach dem letzten Treffen. Darin verarbeitete sie ihre Gefühle – "und dann ging es mir wieder gut".

Das kennen die anderen, nicken, schmunzeln über die ein oder andere Passage und schon ist Hilde Juckum an der Reihe. "Soll ich was Lustiges oder was Besinnliches lesen" fragt sie in die Runde und entscheidet sich dann für das "Wunderpflaster", das gegen Schmerzen aller Art hilft, nur das "Schlankheitspflaster", das hat noch keiner erfunden . . . Dafür hat mancher Ehemann ein ganz besonderes in der Schublade – eines für den Mund der besseren Hälfte. Wenn er es denn mal kleben könnte, könnte er sogar sein Hörgerät wieder nutzen.

Brigitte Zechmeister trägt einen Protest vor. Ihr Thema: "Der geklaute oder geklonte Mann", auf den genauen Titel will sie sich noch nicht festlegen, das überlässt sie den Zuhörerinnen. Die schmunzeln zu Waschbrettbauch und knackigem Po, zu Muskelpaketen und dem Slip, der gleich reißt, besonders aber, als Zechmeister zum Schluss kommt: "Am schönsten sind die Socken . . ."

Gertraud Hüßner stammt nach eigener Aussage noch aus der Zeit, als Ehefrauen ihren Männern die Kleider zurechtlegten, damit sie ordentlich angezogen aus dem Haus gingen. Wen wundert’s da, dass sie im Traum ihren Mann ohne Hose vor sich stehen sieht und ihn klagen hört, er habe nichts anzuziehen . . . Von Toni, der sich "von ihr" trennen will, was sein Freund Kurt gar nicht verstehen mag, berichtet Waltraud Götz – in gewohnt augenzwinkernder Manier, so dass ihren Zuhörerinnen bald schwant, dass es nicht um die Ehefrau geht. Das bestätigt sich, als Toni im letzten Satz einen Termin beim Friseur ankündigt.

Möller hat ebenfalls unter Strom geschrieben – ein Requiem auf den "Diktator in Kärnten", zum ersten Todestag Jörg Haiders. Unter anderem gibt es noch eine Kostprobe in siebenbürgischem Dialekt von Juckum, die Geschichte vom kastrierten Apfelbaum, der mindestens dreimal im Jahr zugeschnitten wird und ein junges Paar im Kreißsaal mit schwerer Geburt – weniger für Annette als für Klaus.

Die Älteste im Kreis der fleißigen Lyrikerinnen ist die 87-jährige Pauline Abt, diesmal nur mit zwei Gedichten vertreten, die Möller und Hüßner vortragen. Willkommen ist übrigens jeder beim Lyrikkreis – ob er nun zuhören oder vorlesen will.