Pfaffenhofen (PK) Es ist ganz still in der Pfaffenhofener Kulturhalle, als Katharina Hartwell aus ihrem Roman „Das fremde Meer“ zu lesen beginnt. Ihre Stimme ist hell, fast atemlos. Nicht verwunderlich, wenn sich mit dem Blättern weniger Seiten einfach mal hundert Jahren mitnehmen lassen.
Es ist Literaturpreisfinale und ein wohlwollendes, interessiertes und – nicht unwichtig! – zahlreiches Publikum trug am Freitag zum Gelingen dieses Abends bei. Wie bereits in den beiden Jahren zuvor hatten sich Dorle Kopetzky und Nico Bleutge vom Neuen Pfaffenhofener Kunstverein den Sommer über durch zahlreiche Debütromane gelesen. In die Endausscheidung hatten es Stefanie de Velasco mit „Tigermilch“ (Kiepenheuer &Witsch), der 1983 in Aichach geborene Roman Ehrlich mit „Das kalte Jahr“ (DuMont) und Katharina Hartwell mit „Das fremde Meer“ (Berlin Verlag) geschafft. Alle drei Autoren leben in Berlin.
In der Jury saßen dieses Mal neben Wilfried Gerling, dem Vorstandsvorsitzenden der Hallertauer Volksbank, und Kulturreferent Steffen Kopetzky auch Petra Frye für den Kunstverein sowie Marion Bösker vom Literaturhaus München und Barbara Fröhlich von der Kulturredaktion des DONAUKURIER.
Unterstützung bei der schwierigen Entscheidung gab es von weiteren Jurymitgliedern, nämlich zum einen von Claudia Erdenreich vom Medienhaus Kastner und von Bayern 2 durch Sarah Khosh-Amoz. Außerdem hatte sich ja noch Peter Maier, Schüler des Schyren-Gymnasiums, durch den Sieg beim Rezensionswettbewerb einen Platz in der Jury gesichert. Als besonderen Ehrengast konnte schließlich noch der Verleger Klaus Gerhard Saur begrüßt werden. Er ist Honorarprofessor an der Humboldt- Universität Berlin und der Universität Glasgow.
Nico Bleutge führte souverän und einfühlsam durch den Abend und erspürte gekonnt, wie die drei unterschiedlichen Gäste wahrzunehmen seien. Im Werkstattgespräch mit den drei Autoren entlockte er ihnen kleine Geständnisse: Für wen man eigentlich schreibe, wollte er zum Beispiel wissen. Roman Ehrlich outete sich dabei als „egozentrischer Leser“, der beim Schreiben auch wieder für sich selbst arbeitet. Und Katharina Hartwell gab zu: „Da bin ich mir momentan nicht mehr so sicher.“ In jedem Fall sei sie froh, „jetzt erst mal wieder mehr bei mir zu sein“.
Anerkennung gab es für die Werke aller drei. Weder Publikum noch die Jury hatten bei den sehr unterschiedlichen Werken eine leichte Entscheidung. Stefanie de Velasco wirkte am lockersten auf der Bühne, zeigte Spaß am Lesen und nahm schnell das Publikum ein mit ihrem von der Jury später als „authentisches Erzählen“ gelobten Text über zwei Mädchen in Berlin mit all seinen verschrobenen kleinen Situationen. Oder wenn sie vom „Wörterknacken“ erzählt, bei dem Anfangsbuchstaben vertauscht oder Vokale ersetzt werden und neuer Sinn entsteht.
Dass die Jury kurz vor der Preisverleihung den Roman von Roman Ehrlich als „mutiges Buch“ bezeichnet, lässt das Dilemma des 15-minütigen Vortrages erahnen. Hier kann Ehrlich die Tiefe und Komplexität seinen Gesamtprojektes und seiner psychologisches Erzählweise nicht in den Kurzvortrag hineinpacken, die ausgewählte Textpassage bleibt ein stückweit rätselhaft.
Eingehender ist die Lesung von Katharina Hartwell, sie liest recht schnell, voller Herzklopfen, aber eben auch mit Herzblut, ihr Roman breitet zahlreiche Geschichten aus, die von einer Liebesgeschichte zusammengehalten werden. „Viele unerhörte Begebenheiten“ nennt Sarah Khosh-Amoz, die Einblicke in die Jurygespräche gibt, diese Geschichten und fügt hinzu: „Ich hätte immer noch gerne an jeder dieser Geschichten weitergelesen, ich hätte mir zehn Bücher von Katharina Hartwell gewünscht.“ Was ja noch kommen kann.
Letztlich war es dieses Buch, das Jury und Publikum überzeugte und den ersten Platz für sich in Anspruch nehmen durfte. Kräftigen Applaus gab es allerdings für alle drei. Und am Büchertisch verkauft, so konnte Wilfried Gerling verkünden, hatten sich alle drei Titel gleichermaßen. Ein erfolgreicher Abend also – ein Stück weit auch deshalb, weil Gerling ein positiven Ausblick in die Zukunft wagte: Das Vertrauen, das er in diesen Literaturpreis gesetzt hat, sei gerechtfertigt gewesen. „Das ist uns ein Ansporn, auch den 4. Jungen Literaturpreis im nächsten Jahr anzugehen.“ Denn das Preisgeld von insgesamt 3000 Euro wurde auch heuer wieder von der Hallertauer Volksbank gestiftet (siehe weiteren Bericht im Kulturteil auf Seite 14).
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