Schrobenhausen
Viel mehr als eine gewöhnliche Lesung

Flo Weber stellt seinen dritten Roman im Herzog-Filmtheater vor - Mit auf der Bühne: sein Bruder Jörg

11.04.2022 | Stand 23.09.2023, 0:41 Uhr
Kleine, unterschiedliche Szenen aus dem Buch, große Momente auf der Bühne am Sonntagabend: Jazzmusiker Jörg Weber mit seinen atmosphärischen Klängen und Untermalungen, während Buchautor und Hauptperson Flo Weber Szenen aus seinem neuen und mittlerweile dritten Roman vorliest. −Foto: Floerecke

Schrobenhausen - Und tatsächlich sitzt man bei einer kulturellen Veranstaltung mit gut 100 anderen Menschen in einem geschlossenen Raum.

Ohne Maske. Lange ist es her. Mit dabei, einer der bekanntesten Schrobenhausener, der in seiner Heimatstadt auftritt: Florian Weber. Auf seiner aktuellen Lesereise mit seinem dritten Roman macht er Halt im Herzog-Filmtheater. Mit dabei am Sonntagabend auf der kleinen Bühne vor der Kinoleinwand ist sein älterer Bruder, der Jazzmusiker Jörg Weber. Auch kein Unbekannter. Eine spontane Idee von beiden, diese Buchvorstellung mit atmosphärischen Klängen "vom Jörgi", wie "der Flo" ihn nennt, zu untermalen. Mal mit Keyboard, mal mit Saxophon. Eines von mehreren Dingen, weshalb hier viel mehr als eine gewöhnliche Lesung zu erleben ist.

Das Publikum, wenig überraschend beim Heimspiel des Universalkünstlers Flo Weber, wirkt erwartungsvoll, ist voller Vorfreude. Er, im lässigen Outfit, tritt zum ersten Mal als Künstler hier auf. Seinen aktuellen Roman mit dem Titel "Die wundersame Ästhetik der Schonhaltung beim Ertrinken" stellt er vor. Flo Weber liest, erzählt, singt, spielt Gitarre. Und begrüßt von der Bühne aus zu Beginn den einen oder anderen Gast persönlich, bevor er sagt: "Servus, Schrobenhausen, lange genug waren wir nicht mehr beieinand. Schee, dass wir wieder zamm sind. "

Teil eines großen Geheimnisses

Dann geht's zum Buch, der erste grobe Überblick: Es geht um Tod, um Verlust, um Liebe. Und um "das erstrebenswerte Suchen nach dem Abenteuer des Lebens mit vielen skurrilen Momenten mit der Hauptfigur Heinrich Pohl, der sich anfangs fragt, während er auf dem offenen Meer treibt: ?Was zur Hölle mache ich hier? '" Der Protagonist versucht in dieser Notsituation, durch Rekapitulationen herauszufinden, wie er in diese gekommen war und wieder herauskommen soll. Fünf Gegenstände spielen eine wichtige Rolle, die da sind: die Glasschale mit Kastanien, die Friedenspfeife, die Minikamera, der Storch und die Perkussionspistole. Sie alle, erzählt Weber, seien "Teil eines großen Geheimnisses", das im Laufe des Buches aufgelöst würde. Dann, wenn es sich "vom Water- zum Road-Book" entwickle und sich Pohl mit seinem Onkel Wendelin auf die Reise durch die US-amerikanischen Südstaaten begebe.

Zwischen den vorgelesenen Buchszenen sagt der 47-Jährige dem Publikum, es könne nach einer musikalischen Einlage ruhig weitersingen, während er lese. Man hört an dieser Stelle nicht auf ihn. Und wie soll es bei Flo Weber auch anders sein: Er liest lebendig und spannend, auch mal feinfühlig, mal amüsant. Mit reichlich Energie, Mimik und Gestik. Und schlüpft bei Dialogen schon mal in die unterschiedlichen Rollen. Anders ausgedrückt: Er ist in seinem Element, das Showtalent, der Entertainer. Und braucht dazu kein Schlagzeug.

Flo Weber, deutschlandweit bekannt geworden als Drummer der Indie-Pop-Band Sportfreunde Stiller ("Wellenreiten", "Heimatlied", "'54, '74, '90, 2006", "Applaus, Applaus") und seit 2002 Kunstpreisträger der Stadt Schrobenhausen, erzählt an diesem Abend auch die eine oder andere Anekdote aus seinem Leben und setzt damit weitere besondere Akzente. Nicht nur in diesen Momenten ist es mucksmäuschenstill, bevor geschmunzelt und gelacht wird.

Deutschunterricht, Kino und Ornella Muti

Etwa, wenn er sich an seine Kindheit zurückerinnert, als er als Sechsjähriger im Herzoganger-Filmtheater einige Streifen mit Adriano Celentano anschauen habe dürfen. Und der Bub dabei von der schönen Ornella Muti durchaus begeistert gewesen sei. Oder, als er im Neuen Kino mit einem Mädchen seine "erste amouröse Erfahrung beim Händchenhalten" gemacht habe, während Eis am Stiel gelaufen sei.

Und dann ist da noch sein im Publikum gesichteter, einstiger Deutschlehrer auf dem Gymnasium, Alfons Mayr, der ihn weniger für seine Deutschkenntnisse, sondern vielmehr für seine fußballerischen Künste geschätzt habe. Und von dem er gelernt habe, dass es beim Schreiben unterschiedliche und wechselnde Erzählformen wie die Retrospektive, die Rückblende also, gebe. Trotz der guten Laune kommt das Thema Ukraine nicht zu kurz, wenn "der Flo dem Jörgi" den Ball zuwirft und dieser verkündet, dass eine zweite Ukraine-Friedensdemo mit musikalischer Untermalung für Anfang Mai mit den Städten Schrobenhausen und Aichach in Planung sei.

Zum Schluss des viel beklatschten Abends, man könnte es Zugabe nennen, gibt es diesen anregenden Satz von Flo Weber zu hören: "Tu nur das, was dein Herz dir sagt. " Was darauf folgt, ist der längst bekannte "Sporti"-Song mit diesem Titel, Akustikgitarre, Saxophon und Flo Webers Gesang. Ein besonders mitreißender Moment zum Abschluss dieser knapp anderthalbstündigen und ausgesprochen kurzweiligen Veranstaltung. Was zugleich bleibt: Die nicht ganz neue Erkenntnis, dass Universalkünstler Flo Weber auch ein solcher ist. Obendrein, dass man auf den Roman "Die wundersame Ästhetik der Schonhaltung beim Ertrinken" neugierig sein kann. Nicht nur, weil "die letzten vier Seiten sakrisch guad" seien, was Jörg Weber findet. Was auch noch deutlich ist: Flo Weber kann "einfach gut in der Fantasie stöbern".

SZ

Thomas Floerecke