Viel Gefühl, Geduld und ein bisschen Glück

29.05.2020 | Stand 02.12.2020, 11:16 Uhr
Bei Familie Viehweg werden alle Pferde bestens versorgt: Hier hat Sandra Viehweg einem ihrer Schützlinge eine Magnetfelddecke angezogen - das soll bei der Entspannung der Muskeln helfen, denn es fördert die Durchblutung und den Zellstoffwechsel. Als Michael Viehweg den neunjährigen Comanche aus seiner Box holt, trabt das Pferd zunächst mit neugierig aufgestellten Ohren um seinen Reiter herum. −Foto: Budke

Der Schrobenhausener Springreiter und Ausbilder Michael Viehweg nimmt jedes Jahr an vielen Turnieren teil. Er hat klare Vorstellungen, was wichtig ist, damit aus Mensch und Tier ein Team werden kann. Bei der Arbeit mit den Pferden auf der Reitanlage seiner Mutter setzt er auf Einfühlungsvermögen und Teamarbeit.

 

Wie viele Turniere er im Jahr reitet, weiß Michael Viehweg gar nicht so genau. Auch die Frage nach seinen bisherigen Erfolgen im Springsport beantwortet er sehr bescheiden. Wenn es aber um die Ausbildung junger Pferde in seinem Stall in Schrobenhausen geht, hat er klare Vorstellungen, was wichtig ist: sich als Reiter auf das Pferd einstellen, Vertrauen aufbauen und vor allem Geduld haben.

"Mein Stall ist es ja nicht, sondern der meiner Mutter", stellt Michael Viehweg richtig. Tatsächlich ist die Reitanlage mit derzeit 21 Pferden, die in zwei Gebäuden in komfortablen Boxen untergebracht sind, um das Wohnhaus von Gabi Viehweg am Gaisbergweg gewachsen. Reitplatz und Koppeln liegen ein kleines Stück entfernt an der Rainerau-Spange - wer morgens den Weg zur Arbeit nimmt, muss manchmal am Zebrastreifen warten und Pferd mit Reiter passieren lassen. In den vergangenen zwei Jahren war Michael Viehweg in Westfalen in der Nähe von Coesfeld zuhause. Bei dem Mannschaftseuropameister Markus Merschformann bildete er sich reiterlich weiter und sammelte Erfahrung, was die Ausbildung junger Pferde angeht: "Markus Merschformann hat sehr viel Gefühl", sagt Viehweg und man sieht, dass ihn das beeindruckt. Der 26-jährige Schrobenhausener sitzt von Kindesbeinen an auf dem Pferderücken, genau wie seine Schwester Sandra. An die ersten Turniererfahrungen erinnert er sich gut: "Mein Start war nicht so prickelnd." Er lacht, als er weiter erzählt: "Mein Pony warf mich immer ab. Meine Schwester hatte auch ein Pony und sie gewann jedes Turnier. Als sie ein großes Pferd bekam, ritt ich ihr Pony - und es warf mich ab." Das hinderte Viehweg nicht, weiter zu reiten.

 

Offensichtlich war es die richtige Entscheidung, denn in den vergangenen Jahren konnte er einige Erfolge und spannende Erfahrungen sammeln. Ganz bescheiden erzählt er, dass er vor allem auf internationalen Turnieren startet und in der Kategorie S mit zwei bis vier Sternen teilnimmt. Das ist im Springsport schon ganz nah an der höchsten Leistungsklasse und damit den schwierigsten Parcours, denn fünf Sterne sind die höchste Einstufung. Vor fünf Jahren wurde Viehweg Bayern-Champion, seinen größten Erfolg habe er in Spanien in einer 4-Sterne-Prüfung gehabt. Im Rahmen des U25-Springpokals der "Stiftung Deutscher Spitzenpferdesport" durfte er in Aachen während der Europameisterschaft reiten - einem der wichtigsten und stimmungsvollsten Turniere weltweit. "Unsere Prüfung hatten wir direkt vor der Final-Prüfung. Das Stadion war sehr gut gefüllt - das war ein Höhepunkt im Turnierleben." Die Begeisterung hört man ihm noch immer an. Genauso beeindruckt hat ihn das Springreitturnier Saut Hermès, das im Grand Palais unter der Glaskuppel mitten in Paris stattfindet: "Man fährt dahin, auf dem Lkw mitten in die Stadt. Wir durften direkt an der Seine parken mit Blick auf den Eiffelturm." Klar bleibt so etwas in Erinnerung.

Wie viele Turniere er im Jahr reitet, kann er gar nicht sagen: "Wir sind immer unterwegs", stellt er fest. Lord of Pezi ist eines seiner Lieblingspferde im Stall: "Mit ihm hatte ich in letzter Zeit meine größten Erfolge und konnte auch in schweren Prüfungen starten." In Aachen und Paris war er mit Avalon unterwegs, der allerdings pausiert: "Ihm fehlt aktuell die Einstellung" stellt der Reiter fest und erzählt: "Avalon ist sehr vorsichtig, er will keine Stange berühren. Er hat viel für mich gemacht, war immer sehr ehrgeizig. Ich will ihn jetzt nicht auf Turniere mitnehmen, obwohl ich weiß, dass er eigentlich nicht so motiviert ist." Dann fügt er noch hinzu: " Ich bin ihm dankbar für das, was er bisher für mich geleistet hat." Spätestens jetzt wird klar, was dem jugendlich wirkenden Viehweg besonders wichtig ist und warum er Pferde ausbildet: "Das Ziel ist es zu erreichen, dass das Pferd mitmachen will und man als Team zusammenarbeitet." Dann werde das Pferd dem Reiter auch helfen, wenn etwas im Parcours nicht optimal läuft. Geduld sieht er als zentralen Aspekt: "Es ist ein langer Prozess, dieses Vertrauen zu geben." So kauft er junge Pferde, dann dauere es vier oder fünf Jahre, bis das Pferd soweit ist.

 

Natürlich gehört viel Fachkenntnis über Körperbau und Springvermögen dazu, wenn er ein junges Pferd auswählt, aber er gibt zu bedenken: "Das Gefühl muss stimmen, man muss selber viel Hoffnung haben und es gehört viel Glück dazu." Das allein reicht jedoch nicht, um ein Pferd auf seine Aufgabe im Springparcours vorzubereiten. "Wir sind 24/7 für die Pferde da", sagt Michael Viehweg mit Blick auf seine Schwester Sandra und seine Freundin Theresa. Sechsmal die Woche müssen die Pferde bewegt werden mit Dressurarbeit, ausreiten, longieren. Gesprungen wird meist nur an einem Tag. "Und jetzt ist wieder Koppelsaison, da kommen sie jeden Tag raus. Das ist sehr wichtig für den Pferdekopf", sagt Michael Viehweg. Alle Boxen haben einen Paddock, die Führanlage ist bei den Pferden sehr beliebt: "Man macht sie los und sie laufen schon. Sie wollen sich bewegen, sie sind alle trainiert, haben Energie", weiß Viehweg. Im Winter muss man die Koppelzeit durch mehr Bewegung, zum Beispiel Longieren ausgleichen.

In der Ausbildung beachtet Michael Viehweg, dass die Pferde sehr unterschiedlich sind: "Manche sind sehr scheu; manche sind ausgeglichen wie ein Zehnjähriger; manche sind schreckhaft, weil das ihr Fluchtinstinkt ist, andere haben das gar nicht oder wenig. Man muss sich auf das Pferd einstellen", ist er überzeugt. Man müsse sehen, dass es Pferde gibt, die einfach nicht für den Sport gemacht sind. Aber genauso sind da jene, die bestens geeignet sind: "Es gibt Pferde, die geben einem immer das Gefühl, man kommt passend zum Sprung." Er hat Respekt vor der Leistung und der Einstellung der Tiere: "Das Pferd sieht am Sprung nicht so viel, denn es nimmt den Kopf hoch, damit es genug Kraft bekommt - da ist viel Instinkt und Vertrauen, was das Pferd haben muss." Genau das macht die besseren Pferde aus, meint Viehweg: "Das sind die, die mehr Instinkt haben, mehr Reflexe und mehr Vermögen, die Höhe mit Leichtigkeit zu springen."

Es ist sein Ziel, solche Pferde zu finden, auszubilden und zu verkaufen: "Ich habe jetzt viel gelernt und möchte das in Angriff annehmen." Das schließt natürlich nicht aus, weiter Turniere zu reiten - ganz im Gegenteil, das ist ein wichtiger Teil seines Lebens, aus beruflicher und aus privater Sicht: "Turniere sind das Schöne an diesem Beruf, denn dort treffe ich auch meine Freunde."

SZ