München (DK) Eine selbstbewusste These von Groucho Marx zierte das Gärtnerplatz-Programmheft bei der Premiere: "Wäre die kurze Erholung nicht, die wir der Welt mit unserer Narretei schenken, so gäbe es Massenselbstmorde, von denen die Sterbeziffern der Lemminge günstig abstächen."
Dabei war es eine eher biedere, nur zart ironisierende Inszenierung, die Regisseur Holger Seitz aufgeboten hatte. Er konnte sich zudem nicht recht entscheiden, ob hier ein überlebter Bühnengestus parodiert oder nicht doch lieber gepflegt werden soll. Mit musealer Inbrunst werden diverse England-Klischees vom dümmlich-korrekten "Bobby" in Polizeiuniform über die obligate Tasse Tee in allen Lebenslagen bis hin zu viktorianischer Prüderie und Hysterie versammelt.
Nur die roten Telefonzellen und ein Pub ersparte Bühnenbildner Herbert Buckmiller dem Stück. Seine Ausstattungsidee spielt auf Versatzstücke an, mit welchen früher Operetten und Opern von billigen Wanderbühnen inszeniert wurden. Überdeutlich wird, dass Felsen aus Papier gefertigt sind und ein blaues Tuch das Meer vorstellen soll. Der Ansatz hat aber durchaus witzige Momente, beispielsweise wenn eine überdimensionierte englische Flagge beim Absenken als Lieblingsplatz der Möwen erkenntlich wird, welche schon reichlich Kleckse am oberen Rand derselben zu verantworten haben oder sich das Ahnengrab einer unheimlichen gotischen Kirchenruine im Geiste von Tintern Abbey plötzlich zum Takt der Musik herumschieben lässt.
Die Musik aber ist an diesem Abend tatsächlich das Hauptproblem – und zwar nicht etwa, weil die gegenüber der Wiener Schwester etwas direkter und monumentaler agierende englische Operette dem hiesigen Geschmack nicht entspräche, sondern weil unter Dirigent Anthony Bramall im Orchestergraben so schrecklich unpräzise, schwunglos und blechern musiziert wird. Man kam sich über Strecken des Abends wie im Inneren einer Spieldose vor, während ein unfreundlicher Zeitgenosse lieblos die am Theaterdach befestigte Kurbel dreht – und damit Sänger wie Orchestermusiker, aber auch den Zuhörer wahllos in unsinnige Hektik oder ermüdendes Lamento zwingt.
Die geplagten Sänger trugen demnach sicher nicht die Schuld daran, dass sie häufig mit dem Orchester kein gemeinsames Tempo fanden und die wirklich originelle und witzige Neuübersetzung (Greiffenhagen/Leoprechting) nicht sehr gut verständlich war.
Charmant und engagiert gespielt wurde allerdings durchwegs – und manche schrullige Typen wie der Generalmajor (Gunter Sonneson) oder Ruth (Rita Kampfhammer) gewannen die Zuschauerherzen wie im Seesturm. Gelungen war auch die flotte und abwechslungsreiche Choreografie (Fiona Copley). Eine spannende Sängerentwicklung ist bei Robert Sellier in der Rolle des Piratenlehrlings Frederic zu beobachten, der als junger Tenor im zweiten Jahr am Haus fest engagiert ist und musikalisch wie szenisch zu unübersehbarem Format heranreift. Die "Piraten" sind aber auch eine Chor-Operette – aber dieses Ensemble (Leitung Jörn Hinnerk Andresen) zeigte sich leider diesmal musikalisch nicht auf der Höhe. Der Damen-Chor war zudem mit ungeschickt besetzten Chor-Solisten zusammengespannt, spielte aber reizend mit (Sonnen-)schirm und Charme. Am Ende des Programmheftes findet sich übrigens eine Anleitung zum "Schiffe versenken" – vielleicht für alle, die sich für das flotte, doch recht beliebige Treiben auf der Bühne nicht begeistern können?
Nächste Vorstellungen: 19./27. Mai und weitere bis zum Juli, Rundfunkübertragung der Premiere im Deutschlandradio am 13. Juni, 19.05 Uhr.
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