Eichstätt
Vertrauen als Stütze in privaten und globalen Krisen

Das Theologen-Ehepaar Anne und Nikolaus Schneider hält letzten Vortrag bei K'Universale-Reihe an der KU

10.02.2018 | Stand 02.12.2020, 16:50 Uhr

−Foto: Kusche, Dagmar, Eichstätt

Eichstätt (EK) Sie wurden vom Leben schon oft erschüttert und durchlebten mit dem Tod ihrer 22-jährigen Tochter Meike einen der schlimmsten Momente eigener Verzweiflung.

Vor drei Jahren erhielt Anne Schneider dann auch noch die lebensgefährliche Diagnose Brustkrebs. Und doch lebten und leben Nikolaus und Anne Schneider ein Leben aus einem tiefen Gottesglauben heraus, das ihnen immer wieder Kraft und Rückhalt gibt. Das evangelische Theologen-Ehepaar ist überregional bekannt - nicht nur durch zahlreiche Veröffentlichungen: Er war von 2010 bis 2014 Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und damit deren höchster Repräsentant. Jetzt sprachen sie gemeinsam beim K'Universale an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt (KU) über ihren persönlichen Glauben, der sie durch unsichere Zeiten getragen hat.

 

Die beiden Eheleute Schneider reichten sich immer wieder gegenseitig das Mikrofon. Dadurch stellte sich der sehr authentische Eindruck eines facettenreichen und fundierten, eines komplementären und durchdachten, durch schwere Lebenskrisen erprobten Glaubensentwurfes ein. Der zentrale Begriff für beide war dabei das Vertrauen - und zwar als zwischenmenschliche Kategorie, die sich nur in Begegnungen zu anderen Menschen, aber auch zu Gott erfüllen kann. Gelängen diese Beziehungen, so erreiche Vertrauen die erwünschte Qualität, die bereits der jüdische Philosoph Martin Buber als ideal ansetzte. Vertrauen müsse aber stets eine Art Vorschuss darstellen, ein Risiko, ein Zutrauen zu anderen.

An diesem Vertrauen zu Gott und seinen Nächsten hindere sich der Mensch oft selbst durch eine falsche innere Haltung, die Martin Luther als "Selbstverkrümmung" bezeichnete, sagte das Ehepaar. Damit meinte dieser eine zu starke Ich-Ausrichtung und eine fehlende Offenheit gegenüber den Mitmenschen und Gott. Denn der Mensch, so wies Nikolaus Schneider an mehreren Bibelstellen nach, sei für das Zusammenleben mit seinen Mitmenschen geschaffen worden; ohne diese Mitmenschen finde er gar nicht zu seinem Menschsein an sich.

Besonders deutlich werde die Notwendigkeit, sich Gott und dem Nächsten zu öffnen, in unsicheren Zeiten. Damit nahm Anne Schneider nicht nur Bezug auf globale Krisen und Kriege, Hungersnot und soziale Ungerechtigkeit, sondern wies konkret auf private Katastrophen hin. In ihrem Falle war dies der zweijährige, erfolglose Kampf ihrer damals 20-jährigen Tochter Meike gegen die Leukämie: Sie starb 2005, obwohl die gesamte Familie gekämpft, gebetet und gehofft hatte.

Die Theodizee-Frage - die nach der Gerechtigkeit Gottes - stand damals und steht heute noch im Raum, wenn die Eltern an diese dunkle Zeit zurückdenken und sich fragen, warum ein liebender und allmächtiger Gott dies zugelassen hat. Oft, so betonten die Referenten eindrücklich, seien sie damals an ihre Grenzen gestoßen. Sie mussten erkennen, dass der Glaube Berge versetzen, nicht aber Krebszellen töten könne.

Man muss nach den Worten Anne und Nikolaus Schneiders mit der Schriftstellerin Hilde Domin ein "Dennoch"-Vertrauen gegen solche privaten Katastrophen setzen. Das sei kein blindes "Ja und Amen" zu allem, sondern vollziehe sich durchaus in einem kritischen Prozess der Selbst- und Fremdwahrnehmung: Der menschliche Verstand solle dabei keineswegs ausgeschaltet werden. Das Dennoch-Vertrauen in Gott müsse stets widersprüchlich und dialektisch sein, der Mensch finde es im Idealfall entlang der Abgründe, an deren Rand er sich in seinem Leben entlangbewege.

In diesem Zusammenhang sei auch das frühere traditionelle Gottesbild zu revidieren: Gott trägt nicht die volle Verantwortung für alles Böse in der Welt, ist weder mitleidslos noch machtlos, sondern lasse eben auch Leid auf der Welt zu, mit dem sich der Mensch dann auseinandersetzen muss. Aber natürlich, so das Theologenehepaar, reiche Gott dem Menschen in jeder Qual seine Hand. Und sofern der Mensch die richtige Haltung entwickle, könne er auch auf diesen Gott und auf seine Mitmenschen zugehen und auf deren Trost vertrauen.

Auf diesem Weg zum Vertrauen stehen notwendigerweise Zweifel, Fragen und Auflehnung. Am Ende aber könne tatsächlich wieder so etwas wie Ruhe und Heilung eintreten, Akzeptanz des Unabänderlichen und Vertrauen in Gott und das Leben. Diese Art von Dennoch-Vertrauen, davon sind Anne und Nikolaus Schneider überzeugt, weise sogar eine Perspektive über den eigenen Tod hinaus und kann eine nachhaltige Kraftquelle für das Leben im Diesseits sein.