Chemnitz
Verletzte bei Demos in Chemnitz

28.08.2018 | Stand 02.12.2020, 15:48 Uhr
Demonstranten zünden in Chemnitz Pyrotechnik und schwenken Deutschlandfahnen. −Foto: Jan Woitas

Chemnitz ist nach dem gewaltsamen Tod eines Mannes durch Messerstiche mutmaßlicher Täter aus Syrien und dem Irak auch den zweiten Tag in Folge nicht zur Ruhe kommen. Die Situation bleibt äußerst angespannt.

Bei Protesten Tausender rechter und linker Demonstranten in der Chemnitzer Innenstadt sind am Montagabend mindestens zwei Menschen verletzt worden.

Die Polizei schloss nicht aus, dass sich Zahl noch erhöht. Es seien Feuerwerkskörper und Gegenstände geworfen worden, hieß es. Teilnehmer berichteten von einer aggressiven Stimmung.

Schon am Sonntag war eine spontane Demonstration nach den tödlichen Messerstichen auf einen 35 Jahre alten Deutschen beim Chemnitzer Stadtfest in Angriffen auf Migranten gemündet . Polizisten wurden mit Flaschen und Steinen beworfen. Videos im Internet zeigten, wie Migranten angegriffen und „regelrecht gejagt“ wurden.

Nachdem sich die beiden Demonstrationen am Montagabend aufgelöst hatten, räumte ein Polizeisprecher Personalmangel in den eigenen Reihen ein. Man habe mit einigen Hundert Teilnehmern gerechnet und sich entsprechend vorbereitet, aber nicht mit einer solchen Teilnehmerzahl, sagte er auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur. „Der Einsatz verlief nicht störungsfrei.“ Noch am Nachmittag hatte Polizeipräsidentin Sonja Penzel versichert, ausreichend Kräfte angefordert worden. Es werde nicht zugelassen, dass Chaoten die Stadt vereinnahmen, sagte sie.

Nach Einschätzung der Polizei am Abend konnte eine Eskalation und ein Aufeinandertreffen der beiden Lager nur mit Mühe verhindert werden. Die Polizei hatte auch Wasserwerfer aufgefahren. Allerdings musste davon kein Gebrauch gemacht werden. Teilnehmer berichteten in sozialen Medien, dass es immer wieder Versuche gab, die Polizeikette zu durchbrechen. Auch von Vermummten wurde berichtet. Beobachter gehen davon aus, dass die Situation in der Stadt zunächst angespannt bleiben wird. Die Polizei wollte auch in der Nacht präsent bleiben.

Am Montag hatte Sachsen nach Attacken gewaltbereiter Rechter auf Ausländer in Chemnitz ein entschiedenes Durchgreifen angekündigt. Innenminister Roland Wöller (CDU) bezeichnete die Geschehnisse als „neue Dimension der Eskalation“. Man werde Gewaltbereiten und Chaoten nicht die Straße überlassen, sondern den Rechtsstaat durchsetzen, sagte er. Regierungssprecher Steffen Seibert sprach in Berlin vor einer „Hetzjagden auf Menschen anderen Aussehens“.

Am Montag wurden Haftbefehle gegen einen Syrer und einen Iraker vollstreckt. Die 23 und 22 Jahre alten Männer sollen nach einem Streit in der Nacht zum Sonntag mehrfach „ohne rechtfertigenden Grund“ auf das Opfer eingestochen haben, teilte die Chemnitzer Staatsanwaltschaft mit. Laut Polizei ist mit dieser Formulierung vor allem Notwehr gemeint. Im konkreten Fall wurde demnach nicht aus Notwehr gehandelt. Zwei weitere Männer erlitten schwere Verletzungen.

Der sächsische Generalstaatsanwalt Hans Strobl zog die Ermittlungen an sich und beauftragte die Sondereinheit „Zentralstelle Extremismus Sachsen“.

Politiker aus Bund und Land verurteilten die Eskalation scharf. „In Deutschland ist kein Platz für Selbstjustiz, für Gruppen, die auf den Straßen Hass verbreiten wollen, für Intoleranz und für Extremismus“, sagte Regierungssprecher Seibert in Berlin. Auch Sachsens Regierungschef Michael Kretschmer (CDU) prangerte Hetze und Selbstjustiz an. „Es ist widerlich, wie Rechtsextreme im Netz Stimmung machen und zur Gewalt aufrufen.“

Unterdessen kam es auch in anderen deutschen Städten zu Protesten Rechter wegen der tödlichen Messerstich von Chemnitz. In Düsseldorf versammelten sich rund 150 Demonstranten aus dem rechten Spektrum vor dem Landtag, wie die Polizei berichtete. Ihnen standen etwa 250 Gegendemonstranten gegenüber. Die Kundgebungen wurden von starken Polizeikräften begleitet, bis zu ihrer Auflösung am Abend blieb laut Polizei alles friedlich. Anderswo hatte die AfD zu Kundgebungen aufgerufen, so in mehreren Städten in Mecklenburg-Vorpommern.

Regierungssprecher Steffen Seibert zu Chemnitz

dpa