Vohburg
Unsichere Zukunft für Irsching 5

Weil es angeblich unrentabel ist, soll das moderne Gaskraftwerk vom Netz

05.12.2012 | Stand 03.12.2020, 0:44 Uhr

Sechs Schornsteine ragen bei Vohburg in den Himmel. Der kleine Schornstein links von den hohen Schloten gehört zum Gaskraftwerk Irsching 5. Die Betreiber wollen es für mindestens zwei Jahre stilllegen – der Protest ist groß. - Foto: Kügel

Vohburg/Ingolstadt (DK) Wie geht es weiter im Kraftwerk Irsching? Die Betreiber wollen es für mindestens zwei Jahre abschalten. Die moderne Anlage sei unrentabel, weil es zu viel Ökostrom gebe, schreiben sie in einem Brief. Politiker sind alarmiert.

Der Vohburger Bürgermeister Martin Schmid (SPD) wurde von der Nachricht völlig überrascht. „Ein Wahnsinn“, sagte Schmid. In seinem Büro hat er noch ein Foto von der Einweihung aus dem Jahr 2010. Schmid will nicht glauben, dass „eins der modernsten Gaskraftwerke abgeschaltet werden soll“. Zwei Jahre, nachdem Irsching 5 ans Netz gegangen ist.

Vier Energieversorger betreiben das Gaskraftwerk. Drei von ihnen – N-Ergie, Mainova und HSE – haben einen Brief geschrieben an den bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer (CSU) und an den Präsidenten der Bundesnetzagentur, Jochen Homann. Darin heißt es: „Bei diesem Kraftwerk hat sich die wirtschaftliche Situation derart verschlechtert, dass eine vorübergehende Stilllegung aus ökonomischen Gründen erforderlich ist.“ Auch eine Sprecherin von Eon, dem vierten Betreiber, bestätigte: „Die Wirtschaftlichkeit des Kraftwerks ist stark gefährdet.“

Wie kann es sein, dass ein zwei Jahre altes und hocheffizientes Kraftwerk auf einmal nicht mehr rentabel ist? Schuld daran sei die Situation auf dem Strommarkt, sagt Melanie Söllch von N-Ergie. „Wir befeuern das Kraftwerk mit Gas und erzeugen dadurch Strom. Seit längerer Zeit haben wir steigende Gaspreise. Aber die Strompreise sind 2012 an der Strombörse gesunken.“ Von sinkenden Strompreisen an den Börsen bekommen die Verbraucher wenig mit – der Aufschlag für die Energiewende, die EEG-Umlage, kommt zum Beispiel erst später zum Strompreis dazu. „Die Preise sinken als Folge des starken Ausbaus der erneuerbaren Energien“, sagt Söllch. Strom aus Wind- oder Sonnenenergie hat bei der Netzeinspeisung Vorrang: Gibt es davon genug, darf etwa ein Gaskraftwerk wie Irsching keinen Strom mehr einleiten.

Mit ihrer Androhung, das Gaskraftwerk für mindestens zwei Jahre zu schließen, haben die Betreiber Proteste ausgelöst. Der bayerische Wirtschaftsminister Martin Zeil (FDP) sagte: „Dieses moderne und sehr leistungsstarke Gaskraftwerk ist für die Stromversorgung Süddeutschlands in hohem Maße systemrelevant. Würde die Anlage tatsächlich vom Netz gehen, bekämen wir im Winter einen Blackout nach Ansage. Deshalb darf und wird Irsching 5 nicht vom Netz gehen.“ Zeil forderte von den Betreibern, eine Lösung zu suchen, um Irsching 5 wirtschaftlich weiterbetreiben zu können, und bot Unterstützung an. „Eine Stilllegung ist unter keinen Umständen zu akzeptieren“, sagte er.

Die Betreiber versuchen ihre Drohung etwas abzuschwächen. Als „Forderung zur Stilllegung“ möchte Melanie Söllch von N-Ergie den Brief nicht verstanden wissen. Sie spricht von einem „Appell, um unseren Standpunkt deutlich zu machen und unsere Interessen darzustellen“. Bei Eon heißt es, die Eigentümer sprächen derzeit über „mögliche Maßnahmen, um Verluste zu vermeiden“ – eine Entscheidung gebe es aber noch keine.

Die können die Kraftwerksbetreiber auch gar nicht allein treffen. „Die Stilllegung müsste durch die Bundesnetzagentur genehmigt werden“, sagt die Sprecherin von N-Ergie. Zudem soll bald ein neues Gesetz in Kraft treten, das es den Betreibern schwerer machen soll, Anlagen einfach abzuschalten. Sie müssten Stilllegungen ein Jahr vorher ankündigen; bei besonders wichtigen Kraftwerken könnten die Netzbetreiber Einspruch erheben.

Der Vohburger Bürgermeister will erst einmal abwarten, ob die ganze Aktion nicht eher ein „Muskelspiel“ gewesen ist. Aber wenn nicht – „dann wäre das eine Katastrophe für die Arbeitsplätze“.

Zu einer sicheren Stromversorgung hat derweil der bayerische Landwirtschaftsminister Helmut Brunner (CSU) noch einen Vorschlag beigesteuert: Wenn man die Hälfte der etwa 2400 bayerischen Biogasanlagen um- und aufrüste, könnten sie die Leistung eines großen Gaskraftwerks ersetzen.