Neuburg
Unangestrengte Heiterkeit

24.05.2010 | Stand 03.12.2020, 3:59 Uhr

In telepathischem Einvernehmen: die Modern-Jazz-Band um Walt Weiskopf (Mitte). - Foto: Turchet

Neuburg (DK) Also sprach Nietzsche: "Das Publikum verwechselt leicht den, welcher im Trüben fischt, mit dem, welcher aus der Tiefe schöpft." Dieses Zitat mag erklären, warum Walt Weiskopf bis heute nicht die Anerkennung erhalten hat, die ihm eigentlich längst gebührt.

International bekannte Jazzkritiker wie Chuck Berg oder Tobias Böker haben Walt Weiskopfs kompositorisches Talent schon sehr früh erkannt und überhäuften ihn mit Lob in den höchsten Tönen. Das Spiel des 1959 in Augusta, Georgia, geborenen Saxophonisten ist geprägt von einer aufwühlenden Expressivität, deren emotionales Spektrum bis zur Drastik des nackten Schreis reicht.

Für sein Sextett hat sich Walter David Weiskopf, so der bürgerliche Name, mit international etablierten Spitzenmusikern zusammengetan. Zum einen ist dies der amerikanische Posaunist und Musiklehrer John Mosca mit dem samtweichen und weiten Klang, zum anderen der Altsaxofonist Jim Snidero mit seiner traumwandlerischen Virtuosität und Genauigkeit. Einen herrlich lyrischen Teppich rollt der Österreicher Oliver Kent am Klavier aus. Und mit fast stoischer Ruhe steuert Milan Nikolic, der serbische Starbassist, wunderbare Ausgeglichenheit und Drive zugleich zum rhythmischen Fundament bei. Der zweite Österreicher im Bunde ist Christian Salfellner, ein höchst eigenwilliger Drummer. Er zeigt nicht nur in seinen Solos, dass er sein Instrument äußerst emanzipiert mehr für Klangeffekte als für bloße Grundierung einsetzt. Und Walt Weiskopf selbst genießt es, sich innerhalb seines Sextetts ausdrücken zu können. Er genießt das Hineinhören, das Warten, das Sich-Einfädeln. Er genießt es, was die Band aus seiner Musik macht: Sie ist nicht selten ein Geschenk, das er den anderen musikalisch zurückspielt.

Auf der kleinen Birdland-Bühne verschmolzen Weiskopf und seine kongenialen Partner zu einem magischen Klangkörper. Das stilistische Spektrum reichte von Testosteron-Jazz bis hin zu kammermusikalischen Exkursen. Spielbesessen, risikofreudig, unbekümmert, entschlossen und in telepathischem Einvernehmen setzten sich die Musiker über das Gewohnte hinweg. Dabei verströmten sie eine unangestrengte Heiterkeit, die angesichts des musikalischen Anspruchs von Weiskopfs Kompositionen etwas fast schon Verschwenderisches hat.