Ingolstadt
Tiefer Graben

Wie der Prozess gegen Ex-Generalkonservator Greipl ins Rollen kam

26.10.2018 | Stand 23.09.2023, 4:48 Uhr
Daniel Meixner aus Ingolstadt hat seine Festanstellung als Archäologe vor Gericht erstritten - was jetzt zum Prozess gegen seinen Ex-Chef Egon Greipl (unten) geführt hat. −Foto: privat, Ebner/dpa

Ingolstadt (DK) Dieser Vorgang dürfte einzigartig sein: Der Freistaat Bayern verklagt einen pensionierten Beamten - den früheren Generalkonservator Egon Greipl - auf 730000 Euro Schadensersatz.

Es geht um fällige Sozialabgaben. Der oberste Denkmalpfleger hatte jahrelang sogenannte Werkverträge ausgestellt - bis ein betroffener Archäologe gegen dieses Vorgehen klagte: Daniel Meixner, der früher in Ingolstadt lebte und 2014 bei den Kommunalwahlen für die SPD kandidierte, kämpfte sich jahrelang durch sämtliche Instanzen und brachte damit einen Stein ins Rollen, der seinen früheren Chef nun schmerzlich treffen könnte.

Daniel Meixner, 45 Jahre alt, verfügt über einen glänzendem Hochschulabschluss - doch das nützte ihm karrieremäßig nicht viel. Nur auf der Basis von Werksverträgen konnte er von 2005 bis 2009 mit kleinen Unterbrechungen für das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege arbeiten. Dort musste er die bayerische Denkmalliste auf den neuesten Stand bringen - ein ambitioniertes Projekt. Der Computer stand im Amt, Meixner arbeitete wie seine festangestellten Kollegen im Datennetz der Behörde. Doch ist das Erfassen von Daten über Siedlungsreste, Mauern und Gräberfelder eine selbstständige Arbeit? Der Freistaat Bayern vertrat diese Auffassung und gab Dutzenden Mitarbeitern wie auch Meixner einen Werkvertrag nach dem anderen - bei ihm insgesamt zehn an der Zahl.

Meixner jedoch war anderer Meinung und reichte im Jahr 2009 Klage ein. "Ganz klar war das ein scheinselbstständiges Beschäftigungsverhältnis", meint der Archäologe. Seine Beweise überzeugten auch vor Gericht: Er hatte regelmäßige Arbeitszeiten, musste wie ein Festangestellter im Amt sein und war seinem Vorgesetzten gegenüber weisungsgebunden. So entschied das Bundesarbeitsgericht im September 2013 (Az. 10 AZR 282/12), wie auch die Instanzen zuvor, dass Meixner nicht selbstständig sei, sondern dass es sich um eine abhängige Beschäftigung handelte. Das Urteil belege, kritisierte damals der Deutsche Gewerkschaftsbund Bayern, "dass auch der Freistaat als Arbeitgeber Werkverträge missbraucht, um Löhne zu drücken und den Sozialversicherungen Beiträge vorzuenthalten". Mit dem Urteil in der Hand bekam Meixner 2013 endlich die Festanstellung - rückwirkend ab 2009. Doch sein Arbeitgeber, der Freistaat Bayern, gab weiter keine Ruhe. Nur kurz darauf, im Oktober 2013, erhielt der Archäologe eine betriebsbedingte Kündigung. Wieder ging er vor Gericht. Es vergingen Monate, bis man ihn zurück an seinen Arbeitsplatz ließ. Dann kürzte der Freistaat Bayern sein Gehalt. Schon wieder ein Grund zu klagen. Die Entscheidung ist noch offen.

Fast zehn Jahre liegt Daniel Meixner jetzt schon im Clinch mit seinem Arbeitgeber. "Momentan verrichte ich eine Tätigkeit, für die ich überqualifiziert bin", sagt er. "Man hat mich aufgeräumt. Es ist schade, dass ich mein Wissen und meine Fähigkeiten nicht voll einbringen kann. " Aber der 45-Jährige hofft, dass sich das eines Tages ändern wird. Rückblickend ist er überzeugt, richtig gehandelt zu haben: "Ich würde es wieder tun. "

Für den Archäologen also eine schier unendliche Geschichte - doch jetzt gibt es eine neue Wendung: Denn nun fordert die Rentenanstalt Sozialabgaben nach. Und die will sich der Freistaat vom inzwischen pensionierten Generalkonservator holen. Die Schadensersatzforderung wird mit einer Dienstpflichtsverletzung Egon Greipls begründet. So jedenfalls argumentiert das zuständige Landesamt für Finanzen, das den Freistaat in der Sache vor dem Regensburger Verwaltungsgericht vertritt. Der Prozess hat gerade begonnen.

Darauf angesprochen, erklärt Meixner, er sei zwiegespalten: "Ich finde es gut, wenn ein Beamter für sein Fehlverhalten zur Rechenschaft gezogen wird. Andrerseits fehlte aber auch die Aufsicht. " Groll hegt Meixner nicht gegen Greipl: "Es tut mir leid für uns beide, dass wir noch immer unter den Folgen dieser Geschichte leiden müssen. Ich bin gespannt, was herauskommt. "
 

Suzanne Schattenhofer