"Straßensäufer" rauben Anwohnern den Schlaf

29.07.2009 | Stand 03.12.2020, 4:46 Uhr

Menschentrauben vor Lokalen rauben Anwohnern den letzten Nerv. Straßensaufen nennen sie dieses Phänomen. - Foto: oh

Ingolstadt (DK) Sie sind den nächtlichen Lärm und den Schmutz vor ihren Häusern leid: Bewohner der Altstadt erhoben am Dienstagabend bei einer Versammlung Vorwürfe gegen Politik, Polizei und Stadtverwaltung. Die Bürger fordern die Wiedereinführung der Sperrzeiten und mehr Kontrollen.

Der Münsterpfarrer war da, der Stadtheimatpfleger und viele aufgebrachte Bürger: Die Stühle im Espresso-Forum reichten nicht aus, so groß war der Andrang bei der Versammlung, die auf Initiative von Hermine Siering und Dagmar von Ow-Otzko stattfand. Beide Geschäftsfrauen setzen sich für die Interessen der Altstadtbewohner ein. Unter anderem haben sie über 400 Unterschriften gesammelt, um den Forderungen aus der Bürgerschaft Nachdruck zu verleihen. "Wir wollen vor allem wieder Sperrzeiten wie früher, denn unsere Lebensqualität ist seit Jahren total eingeschränkt", so Hermine Siering.

Bei der Versammlung wurde kritisiert, Stadt und Polizei kontrollierten weder die Einhaltung der gesetzlich festgelegten Dezibelwerte noch das Durchfahrverbot am Kreuztor. Briefe an die Verwaltung oder an die Stadtratsfraktionen blieben unbeantwortet, monierte ein Anwohner.

Die Betroffenen nahmen kein Blatt vor der Mund und beschrieben, wie die Gassen und Plätze vor ihren Häusern mit Exkrementen und Erbrochenem verunreinigt würden oder wie sich vor Lokalen regelmäßig 200 Personen und mehr zum "Straßensaufen" versammelten, das bis fünf, sechs Uhr morgens andauere. Ein Ehepaar, das bereits umgezogen ist, berichtete, es sei manchmal an Wochenenden nach München gefahren, in eine Pension, um endlich einmal durchschlafen zu können.

Zu Wort meldete sich auch der Vertreter eines Sicherheitsdienstes. Er habe bereits 2006 einen Brief an den Oberbürgermeister geschrieben und angeboten, an Wochenenden nachts Fußstreifen zu den Brennpunkten zu schicken. "Das wurde aber abgelehnt. Wir würden gern versuchen, für Ordnung zu sorgen, aber die Stadt muss sich dazu entschließen." Diese Aussage wurde mit Beifall quittiert. "Die Stadt hat es in der Hand, die Probleme anzugehen. Aber wenn einem der OB den Tipp gibt, einfach wegzuziehen, dann frag’ ich mich schon, was die wollen – eine Bürgerstadt oder eine Eventfläche", meinte ein Mann aus der Tränktorstraße.

Es sei rechtlich nicht möglich, dass die Stadt einen privaten Sicherheitsdienst beauftrage, für Ordnung zu sorgen, erklärte Jürgen Gaspar, der Leiter des Ordnungsamts. Er wies auf das neue Kompetenzteam der Verwaltung hin, räumte aber auch ein, wie schwierig Sanktionen gegen Gaststättenbetreiber durchzusetzen seien.

Polizeichef Ignaz Brunner gab den Bürgern recht: "Ohne eine Verlängerung der Sperrzeit kriegt niemand diese Probleme in den Griff." Bürgermeister Sepp Mißlbeck versprach, Politik und Verwaltung würden die Sorgen der Anwohner nicht verniedlichen: "Dieser Abend ist die Initialzündung, dass wir die Probleme nach der Sommerpause anpacken werden."