Ingolstadt
Stadtrat kann sich nicht auf Compliance-Richtlinien einigen

Aufgeheizte Stimmung und hitzige Diskussion

04.12.2018 | Stand 02.12.2020, 15:06 Uhr

Ingolstadt (DK) Das Thema Compliance schwelt schon länger im Ingolstädter Stadtrat. Auch in der letzten Sitzung des Jahres stand es auf der Tagesordnung. Und wie fast immer bei diesem Thema entwickelte sich einen hitzige Diskussion.

Wenn ein Wolf einem Wolf im Wald begegnet, dann sagt er zu sich: „Hm, sicher ein Wolf.“ Wenn aber ein Mensch einem Menschen im Wald begegnet, sagt er: „Oh je, sicher ein Mörder.“ Misstrauen liegt dem Menschen eben näher als Vertrauen. Und um diese beiden Begriffe drehte sich heute in der letzten Stadtratssitzung auch eine ausgiebige und durchaus aggressive Diskussion, als es um die sogenannten Compliance-Richtlinien ging, in denen das korrekte Verhalten von Stadtverwaltung, aber auch von Stadträten festgeschrieben sein soll. Und das reicht von Korruption bis zur kleinen Vorteilsnahme, von Straftatbeständen bis zum harmlosen Freibier oder der kostenlosen Theaterkarte.

Derlei Dinge stehen in der städtischen Compliance-Richtlinie. Besser gesagt, dort sollten sie stehen. Denn diese Richtlinien wurden nicht verabschiedet und lieber dem künftigen Stadtrat zur Entscheidung überlassen. Immerhin kam man, einem Kompromissvorschlag von OB Christian Lösel (CSU)folgend, überein, einen Ombudsmann zu bestellen, an den sich man sich wenden kann, sollte es denn zu Regelverstößen oder gar strafbaren Handlungen in der Verwaltung kommen.

Das ganze Regelwerk sei, so betonen SPD-Fraktionschef Achim Werner und andere, kein Misstrauen gegenüber der Verwaltung. Es gehe ihm sogar mehr um die politische Seite, den Stadtrat also, der sich einen Ehrenkodex geben soll, was ein Stadtrat annehmen dürfe und was nicht. Während Rechtsreferent Müller schon die Sorge artikulierte, man schaffe dadurch ein Klima der Angst in der Verwaltung. Und auch Lösel war der Meinung, diese Richtlinien würden eher die Verwaltung treffen, vor die er sich explizit stellte. „Korruption und Vetternwirtschaft sind nicht an der Tagesordnung. Sie sind ein vernachlässigbares Thema“, so der OB. Und man dürfe nicht eine ganze Verwaltung stigmatisieren: „Was wir hier machen ist unsäglich.“

Das indes waren die eher harmlosen Momente einer Diskussion, die an Schärfe und Bissigkeit zulegte, als BGI-Stadtrat Jürgen Siebicke einwarf, die ganze Diskussion sei doch ohnehin nur entstanden wegen der „Skandale um Klinikum und Alt-OB Alfred Lehmann“. Das hatte gesessen. Und gezeigt, wie blank doch die Nerven bei diesem Thema liegen. Vorverurteilung wurde Siebicke ebenso vorgeworfen wie er sich die eher zynische gemeinte Bemerkung anhören durfte, dass er eben moralisch höher stehe als andere.

Von da an war Polen offen. Siebicke habe doch gerade den Beweis geliefert, wie so etwas ablaufe, wenn man nicht juristisch Verurteilte als Beispiel heranzöge. Es gelte noch immer die Unschuldsvermutung. Und auch wenn Achim Werner nochmal betonte, 90 Prozent der Verhaltensmaßregeln beträfen doch nicht die Verwaltung, sondern den Stadtrat, die Diskussion war irgendwie nicht mehr zu retten, zu aufgeheizt. Und so kam der Vorschlag von Petra Kleine (Grüne), das ganze Thema doch der Geschäftsordnungskommission und dem nächsten Stadtrat zu überlassen, wie der erlösender Regen nach einem heißen Tag.

Nicht allerdings für Thomas Thöne von der ÖDP. Der hatte kein Verständnis dafür, die Entscheidung zu verschieben: Ich weiß nicht, was ein anderer Stadtrat anderes entscheiden sollte als wir. Wir beweisen doch nur unsere Handlungsunfähigkeit.“ Für ihn sei das Ganze in fatales Signal an die Öffentlichkeit.

Und so blieb es denn nach langer Diskussion dabei, dass OB Christian Lösel eine auswärtige Anwaltskanzlei beziehungsweise einen deren Anwälte als Ombudsmann bestellen wird. Erst einmal für die laufende Legislaturperiode. Und der soll auch – wie Bürgermeister Albert Wittmann betonte – keinen anonymen Anschuldigungen nachgehen, sondern die, sollte sie justiziablen Inhaltes sein, der Staatsanwaltschaft übergibt. Und er garantiert, was eigentlich selbstverständlich ist, dem Anzeigenden absolute Vertraulichkeit.