München
Staatsregierung will Wende beim Strompreis

Söder und Aiwanger setzen auf mehr Sonnenenergie, neue Reserve-Gaskraftwerke, weniger Stromtrassen

04.06.2019 | Stand 02.12.2020, 13:48 Uhr
Stromverbraucher in Bayern sollen nach dem Willen der Staatsregierung nicht mehr so stark zur Kasse gebeten werden. −Foto: Gambarini/dpa

München (DK/dpa) Der Strompreis in Deutschland kennt nur eine Richtung: Aufwärts.

In Bayern soll sich das nun ändern. Mit verschiedenen neuen Ansätzen und Vorgaben will die Staatsregierung drohende Energieengpässe verhindern und für sinkende Strompreise im Freistaat sorgen. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) und Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) kündigten gestern in München mehr Photovoltaik, weniger Stromtrassen, neue Perspektiven für Gaskraft und sogar ein wenig mehr Flexibilität bei der Windkraft an.

"Wir setzen damit ein Signal, dass wir die Zeichen der Zeit erkennen und vorausgehen", sagte Söder nach einer Sitzung des Kabinetts in München. Bis 2050 wolle Bayern klimaneutral werden, zugleich sei es aber auch wichtig, die Energiewende ohne Verbote, sondern mit Anreizen voranzubringen.

Der "lange Stillstand", den es in der Klimapolitik gegeben habe, werde nun aufgegeben, betonte Söder. "Wir waren gut darin, zu sagen, was wir nicht wollen", merkte er - wohl mit Blick auf seinen Amtsvorgänger - an. Jetzt gebe es aber ein "konstruktives Konzept". Das Ziel: "Der Strompreis muss am Ende sinken. "

Laut Aiwanger, als Wirtschaftsminister für die Energiepolitik zuständig, wird es weniger neue Stromtrassen und dafür mehr Erdkabel geben. Für besondere Aufmerksamkeit dürften folgende Punkte sorgen: Zum einen der Verzicht auf den Bau der Stromtrasse P44 von Altenfeld beziehungsweise Schalkau in Thüringen nach Grafenrheinfeld (Landkreis Schweinfurt) und zum anderen die Akzeptanz der Staatsregierung für den Bau der Entlastungstrasse P43 in ihrer ursprünglichen Form von Mecklar in Hessen nach Grafenrheinfeld. Die Wechselstromleitung P43 soll wie der Süd-Link und der Süd-Ost-Link unterirdisch verlegt werden. Beim Süd-Ost-Link werde "eine neue innovative Kabeltechnologie zum Einsatz kommen", sagte Aiwanger. Sie ermögliche eine deutliche Erhöhung der Übertragungskapazität ohne Verbreiterung. Das reduziere den weiteren Netzausbaubedarf.

Die Trassen P43 von Mecklar nach Grafenrheinfeld sowie Pirach-Pleinting und Raitersaich-Altheim würden in die Liste der Erdkabelpilotprojekte des Bundesbedarfsplangesetzes aufgenommen, ebenso wie die Netzausbauvorhaben, so Aiwanger. Und weil er ohnehin mehr Energiekapazitäten in Bayern schaffen wolle, sei fraglich, ob es die erst langfristig umzusetzenden Projekte wie P43 "dann noch gebraucht werden".

Um den Freistaat unabhängiger von Energie von außerhalb zu machen, setze man auf die Schaffung neuer Reservekraftwerke. Dazu sei es gelungen, beim Bund wesentliche Änderungen in den Eckpunkten der strukturpolitischen Empfehlungen der Kohlekommission zu erreichen. So werde es einen "Kapazitätsbonus für Süddeutschland" geben - also zusätzliche gasgetriebene Reservekraftwerke.

Und: Bayern will erneuerbare Energien ausbauen - von der Speichertechnik Power-to-Gas bis zu mehr Photovoltaik. Da der Ausbau von Windkraftanlagen im Freistaat wegen gesetzlicher Hürden seit Jahren praktisch zum erliegen gekommen ist, setzt die Staatsregierung bei den nachhaltigen Energieträgern primär auf die Sonnenenergie.

"Bayern ist Sonnenland", sagte Söder. Deshalb beschloss das Kabinett eine neue Freiflächenverordnung - mit der die bisherige Höchstgrenze bei Genehmigungen auf maximal 30 Freiflächenanlagen pro Jahr auf Acker- und Grünlandflächen in benachteiligten Gebieten Bayerns auf 70 genehmigungsfähige Anlagen mehr als verdoppelt wird. Anfang 2020 soll evaluiert werden, ob es dadurch zu Flächenkonflikten mit der Landwirtschaft kommt oder nicht. Aiwanger rechnet mit bis zu einem Gigawatt Energiegewinn.

Die Koalition zeige, dass sie mit schwierigen Themen pragmatisch umgehen könne, sagte Söder. Diesen Pragmatismus erhoffe man sich auch von den Kommunen beim Ausbau von Windkraftanlagen. Die umstrittene 10-H-Abstandsregel soll zwar nicht geändert werden. Dennoch sei ein Ausbau per Beschluss einer Kommune möglich, so Aiwanger. Deshalb sollten nun Städte und Gemeinden gezielt angesprochen werden, um Kapazitäten auszuloten. Die 10-H-Regel besagt, dass der Mindestabstand eines Windrades von Wohnsiedlungen zehnmal so weit sein muss wie die Anlage hoch ist.

Der Ausbau von Wasserkraft sei aus ökologischen Gründen schwierig, betonten Aiwanger und Söder. Aber immerhin: Der Bund habe selbst erkannt, dass der hohe Strompreis problematisch sei. Die Stromsteuer (zwei Cent) werde verschwinden, ist sich Aiwanger sicher, und die EEG-Zulage (sechs Cent) schmelze ab. "Wir müssen beim Strompreis etwas Luft hineinbekommen. "