Riedenburg
Spielertrainer der Freien Wähler

Wolfgang Wirth will die Grund- und Mittelschule modernisieren - Feuerwehr als Hobby und Beruf

11.08.2020 | Stand 02.12.2020, 10:47 Uhr |
Neuer Dritter Bürgermeister: Wolfgang Wirth. − Foto: Rast (Archiv)

Riedenburg - Als Stadtratsneuling übt er gleich das Amt des Dritten Bürgermeisters aus: Wolfgang Wirth aus dem Riedenburger Ortsteil Jachenhausen hat bei der konstituierenden Sitzung des Stadtrats im Mai für die überraschendste Personalentscheidung gesorgt.

Doch analysiert man den Ausgang der Kommunalwahl am 15. März, dann stellt man fest, dass der FW-Vorsitzende Wirth mit seinen 1402 Stimmen das siebtbeste Ergebnis aller Kandidaten holte und dabei etablierte Stadträte hinter sich ließ. In seinem Heimatort hängte er sogar die drei Bürgermeister-Kandidaten ab. Im Zuge unserer Serie "Neu im Rat" berichtet der 42-Jährige aus seinem Leben und wie er zur Kommunalpolitik kam.

Wie so häufig bildete ehrenamtliches Engagement den Grundstock für den Entschluss, die Geschicke der Heimatgemeinde aktiv mitzugestalten. Als Jugendlichem hatten es Wirth der Fußball und die Jachenhausener Ortsfeuerwehr angetan. "In unserem Dorf ist jeder bei der Feuerwehr", begründet er diese Entscheidung. Als er im Alter von nur 17 Jahren die sportliche Karriere beim TV Riedenburg verletzungsbedingt schon an den Nagel hängen muss, rückt die Feuerwehr in den Mittelpunkt seines Interesses. "Die Pumpen, die ganze Technik - das gefiel mir", erinnert er sich. Er belegt Lehrgänge, wird Gruppenführer. Bald keimt in Wirth der Gedanke, dieses ihn faszinierende Hobby zum Beruf zu machen. Die Voraussetzung dafür ist eine abgeschlossene Lehre und der junge Mann erlernt das Spenglerhandwerk. Bis zum Jahr 2000 arbeitet er als Geselle. Dann wechselt er zur Berufsfeuerwehr nach Ingolstadt.

Dort absolviert der Riedenburger Spezialausbildungen zum Rettungssanitäter und Höhenretter. In dem letztgenannten Bereich sind die Feuerwehrleute für Rettungen aus Schächten und aus großer Höhe zuständig. Da die Ingolstädter Berufsfeuerwehr auch die Verantwortung für einen Autobahnabschnitt trägt, sind Einsätze mit schwer verletzten Menschen und Todesopfern keine Seltenheit. Daran gewöhnen kann man sich nie: "Es ist immer schlimm, wenn ein Menschenleben endet." Wirth hat aber den Vorteil, dass er die Unfallopfer, die er aus Fahrzeugwracks birgt, mit 99-prozentiger Sicherheit nicht kennt. "Das macht die persönliche Bewältigung dieses Schreckens leichter", sagt er. Bei Einsätzen in Riedenburg müsse man dagegen jederzeit befürchten, mit Unfallopfern konfrontiert zu werden, die aus dem unmittelbaren Umfeld stammen. Die Berufsfeuerwehr in Ingolstadt biete intern eine psychologische Betreuung an. "Dennoch gibt es Feuerwehrleute, denen das zuviel wird", weiß Wirth.

Der Schichtdienst ist zeitraubend und strapaziös. Bis zu 13 Einsätze in 24 Stunden hat Wirth schon gezählt. Dennoch bleibt dem Vater von drei schulpflichtigen Kindern noch die Zeit, sich in das gesellschaftliche Leben des Heimatdorfes einzubringen. "Ich bin bei allen Jachenhausener Vereinen - außer beim Frauenbund", erzählt er und lacht. Da ist es eine Selbstverständlichkeit, als Besucher an den jährlichen Bürgerversammlungen teilzunehmen. "Da kann ich dem Bürgermeister meine Meinung kundtun und Probleme offen ansprechen." Wirth macht das so gekonnt, dass ihn vor der Kommunalwahl 2008 der frühere FW-Stadtrat Ludwig Riepl anspricht und fragt, ob er nicht auf der Liste der Freien Wähler kandidieren möchte. Zwar reicht es nach seinem Beitritt zu der politischen Gruppierung noch nicht für den Sprung in den Stadtrat, aber der Anfang ist gemacht.

Vor zwei Jahren übernimmt Wirth bei Riedenburgs Freien Wählern das Amt des Vorsitzenden. Zwar zieht die Gruppierung am Ende mit nur zehn Stadtratskandidaten in den Wahlkampf, aber das FW-Team bekommt bei den Wahlveranstaltungen Zuspruch und erntet Respekt. "Wir haben viel Wertschätzung erfahren", sagt Wirth im Rückblick auf die Monate vor der Kommunalwahl. "Der Wahlkampf war ein Familienunternehmen und machte Spaß." Für ihn ist es eine Ehre, "der Spielertrainer einer so guten Mannschaft" zu sein - auch wenn er lachend zugibt, dass "die Reservebank etwas dünn besetzt ist".

Der sachliche Wahlkampf spiegelt sich im Ergebnis wider. Die Anzahl der Stimmen ist mehr als doppelt so hoch wie 2014. Neben Wirth schafft Sebastian Graf den Sprung ins Gremium, in dem zuvor Thea Helmich als FW-Einzelkämpferin agiert hatte. "Mit meinem Listenplatz eins hatte ich schon gehofft, Stadtrat zu werden. Aber für den Dritten Bürgermeister hatte ich keine Ambitionen." Dass es dann doch so kam, habe sich eben "aus der Konstellation ergeben", meint Wirth bescheiden. In den Mittelpunkt seines kommunalpolitischen Handelns will er in dieser Wahlperiode die Sanierung, Modernisierung und Digitalisierung der Grund- und Mittelschule stellen. "Wir müssen sparen, aber nicht an der Schule - da müssen wir Geld in die Hand nehmen", fordert er.

Wichtig ist ihm zudem die Schaffung eines Gewerbegebietes auf den Jurahöhen. "Der Bedarf ist da und im Talraum wird es immer enger." Jachenhausen wäre kein schlechter Standort, aber man müsse Bürger finden, die Grundstücke verkaufen. "Die Umsetzung wird schwierig", weiß Wirth, "aber wir versuchen das, um die Abwanderung von Handwerksbetrieben nach Hemau zu stoppen."

Obwohl die kommunalpolitischen Aufgaben zeitraubend sind, lässt es sich Wirth nicht nehmen, sein Wissen, seine Kraft, Erfahrung und Routine als Gruppenführer weiterhin in den Dienst der Feuerwehr Jachenhausen zu stellen: "Wenn die Sirene heult, rücke ich aus." Und er ist dabei nicht allein. Denn das Dorf mit seinen etwa 230 Einwohnern zählt 28 Aktive, darunter vier gestandene Berufsfeuerwehrleute. Angesichts dieser Ausgangslage ist für Wolfgang Wirth klar: "Jachenhausen ist einer der sichersten Orte in Bayern."

rat

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