Bis auf 16 Prozent ist die Traditionspartei SPD in einer Umfrage abgerutscht. Sie liegt damit nur noch knapp vor der AfD. Das schürt neue Unruhe - kommt es schon 2019 zu einem Aus der großen Koalition?
Schlechte Umfragen nähren in der SPD Zweifel am Kurs in der großen Koalition und an der neuen Führungsriege. Juso-Chef Kevin Kühnert warf Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) eine verheerende Vorstellung seines Haushaltsentwurfs im Bundestag vor.
„Das war kommunikativ ganz alte Schule. Und leider weit von einer neuen SPD entfernt, weil er die Opposition ohne Not zum politischen Konter eingeladen hat“, sagte Kühnert der Deutschen Presse-Agentur.
Scholz versucht, die Politik von CDU-Vorgänger Wolfgang Schäuble weitgehend fortzusetzen mit einem Fokus auf das Vermeiden neuer Schulden. Vielen in der SPD fehlen neue Akzente, zum Beispiel ein größeres Investitionsprogramm. Zudem spottete die Opposition über einen leidenschaftslosen Auftritt von Scholz.
Im ARD-„Deutschlandtrend“ kommt die Traditionspartei nur noch auf 17 Prozent. Das Institut gms sieht die SPD sogar nur noch bei 16 Prozent . Die Union liegt bei gms auf 34 Prozent - und ist mehr als doppelt so stark. Im ZDF-„Politarometer liegt die SPD noch bei 20 Prozent.
In allen drei Umfragen rangiert die SPD mit der neuen Parteivorsitzenden Andrea Nahles auch zwei Monate nach dem Start der Koalition unter dem historisch schlechten Bundestagswahlergebnis von 20,5 Prozent.
Kühnert lobte aber die Fraktions- und Parteichefin, dass sie beim Zwist mit der Union über das im Koalitionsvertrag vereinbarte Rückkehrrecht von Teilzeit in Vollzeit klare Kante zeige. „Unterschiede zur Union müssen deutlich werden. Die harte Linie bei der Brückenteilzeit macht da Mut und bedeutet einen Fortschritt.“ Die Regelung soll aber nur für Unternehmen ab 45 Mitarbeitern gelten.
Scholz war am Freitag zum Abschluss der ersten Runde der Beratungen über die Etats der einzelnen Bundesministerien bemüht, die Kritik zu entkräften. „Jede Qualifizierung als Sparpolitik ist falsch“, sagte er im Bundestag. Neben den von Union und SPD geplanten Ausgaben und Investitionen von 46 Milliarden Euro würden auch Steuermehreinnahmen von rund zehn Milliarden Euro investiert.
Das seien 56 Milliarden, „die wir in vier Jahren mehr ausgeben“, betonte Scholz. Es gehe um Investitionen in die Zukunft Deutschland, in gebührenfreie Betreuungs- und Bildungsangebote, Wohnungbau und Digitalisierung. „Wir werden Jahr für Jahr die Mittel für Investitionen steigern.“ Zu viele würden nicht richtig zuhören und vorgefertigte Meinungen weiterplappern.
Während einige in der SPD mit seinem Mitte-Kurs und seinem Auftreten hadern, rückte Scholz im „Politbarometer“ hinter Schäuble, nun Bundestagspräsident, und Kanzlerin Angela Merkel (CDU) auf Platz drei der beliebtesten Politiker vor.
Arbeitsminister Hubertus Heil mahnte die Genossen, mit Geschlossenheit Vertrauen zurückzugewinnen. „Ich finde, dass Angst und Panik immer ein falscher Ratgeber ist in der Politik“, sagte er der dpa. Es gehe um die längeren Linien. „Und dass wir Probleme lösen und nicht um uns selbst kreisen, betonte Heil.
Kühnert, der den am Ende erfolglosen Widerstand gegen die erneute große Koalition angeführt hatte, forderte mehr Lautstärke in Debatten. Die SPD dürfe nicht alles der Union überlassen. „Braves und konzentriertes Arbeiten allein nicht genügt“, sagte er. „Die SPD muss den Spagat schaffen, Sachthemen anzusprechen, diese aber auch lautstark, fordernd und emotional in die Öffentlichkeit zu tragen.“
Angesichts der Zweifel, ob die große Koalition entgegen der Beteuerungen der SPD-Spitze nicht doch den Niedergang weiter beschleunigt, werden Forderungen laut, spätestens 2019 auf einem Parteitag über die Fortsetzung der großen Koalition abzustimmen.
„Die geplante Halbzeitbilanz spielt für die SPD eine große Rolle“, sagte Bremens Regierungschef Carsten Sieling dem „Spiegel“. Der Koalitionsvertrag sieht zur Halbzeit der Wahlperiode eine Überprüfungsklausel vor. „Sollte die Union Vereinbarungen torpedieren, können wir das Regieren nicht einfach so fortsetzen“, so Sieling. Auch der Chef der SPD-Linken im Bundestag, Matthias Miersch, sieht darin einen Hebel, das Bündnis notfalls vorzeitig zu kündigen. „Wenn Provokationen einzelner Akteure nicht aufhören und die Ziele des Koalitionsvertrags nicht konsequent abgearbeitet werden, kann das im nächsten Jahr für die gesamte Koalition ernste Folgen haben.“
Nach dem Absturz bei der Bundestagswahl und dem späteren Rücktritt von Martin Schulz war Nahles zur neuen SPD-Chefin gewählt worden, mit einer Zustimmung von nur 66 Prozent bei einem Sonderparteitag. Auch persönlich kommt sie bei den Wählern in Umfragen bisher schlecht weg.
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