Skaterfilm-Premiere: Ein Leben auf Achse

25.04.2009 | Stand 03.12.2020, 5:00 Uhr

Derzeit Zivi an der K-Schule: Manuel Schamberger. - Foto: Rehberger

Ingolstadt (DK) Zuerst ist da Musik. Lange bevor das Auto von Manuel Schamberger um die Ecke biegt, ist der 21-Jährige zu hören. Die Scheiben seines roten Kombi sind nach unten gekurbelt. Der Parkplatz am Hallenbad wird gut beschallt. Manuel setzt an der Fronte zurück, um ausladen zu können.

Der Kofferraum ist voll und der junge Mann ziemlich spät dran an seinem großen Tag. "Ich bin total nervös. Das ist wie der erste Schultag", sagt er und bringt Taschen und Plakate zum Haus der Jugend. Fünf Stunden noch, bis es richtig ernst wird, wenn die Gäste eintrudeln, das Licht im Saal ausgeht, die Musik dieses Mal nicht von seinen Autoboxen kommt, sondern von zwei DJs live gemixt wird und endlich der DVD-Rekorder jene Bilder auf die Wand im Jugendzentrum wirft, die ihn so nervös machen und auf die er mit seinem Freunden so lange hingearbeitet hat: ihr Skateboardvideo. An diesem Abend – dem gestrigen Freitag – hat Manuel es erstmals vor ungefähr 400 bis 500 Gästen gezeigt.
 
"Da stecken vier, fünf Jahre Arbeit drin", sagt er und wird jäh unterbrochen. Sein Handy klingelt. Das tut es am Tag der Premiere eigentlich ununterbrochen. Er ist heute ein gefragter Mann. Als er vor der Fronte steht und das Telefon ans Ohr hält, geben seine kurzen Hosen den Blick auf die Schienbeine frei. Ein paar Narben und verschorfte Wunden zieren die Haut. Hinterlassenschaften – wenn auch vergleichsweise harmlose – einer normalen Karriere als Skateboardfahrer.Seit acht Jahren ist Manuel dabei. "März 2001", das weiß er noch genau. An seinem 13. Geburtstag hat er von der Mutter ein Board geschenkt bekommen. "So ein einfaches aus dem Laden." Es veränderte ihn komplett. "Ich war davor überhaupt nicht sportlich. Ganz im Gegenteil: Ich habe zehn Stunden am Tag vor dem Computer verbracht und gezockt." Mannschaftssport, Wettkampf und alles andere hat ihn nie interessiert. "Da bist du immer in Regeln gedrängt, vom Schiedsrichter oder so, oder vom Verein. Überall gibt es feste Zeiten." Nicht beim Skateboarding. "Ich bin total frei. Kann fahren, wann ich will. Und egal, wie gut du bist, es erschöpft sich nie. Jeden Trick kannst du neu kombinieren, alles ist unendlich erweiterbar." Einen Volltreffer habe seine Mutter gelandet, gibt Manuel zu. Sie wollte ihn schon immer vom PC wegbringen.
 

Der 21-Jährige hat sich inzwischen auf eine Bierbank vor der Fronte in die Sonne gesetzt. Ein seltener Moment Ruhe. Für das Video war Manuel mit seinen Skaterfreunden monatelang auf Achse. Alles aus der eigenen Tasche bezahlt. In den Ferien, als er noch Gymnasiast war oder im Urlaub, während seiner Zeit als Zivi in der Schule für körperbehinderte Kinder. In Berlin, Prag oder auch Barcelona ("Die Welthauptstadt des Skateboardens") hat Manuel mit seinem Spezl Simpert Hafenmeier die Tricks der anderen gefilmt. Sequenzen zwischen drei und vier Minuten hat er dann für jeden zusammengeschnitten. Neben den Ingolstädtern Ferdinand Pöschmann, Marcel Dornberg, Alex Schuktuew, Manuel Büschel, Matthias Ehrhardt und Manuel selbst sind auch auswärtige Freunde zu sehen. Einen Zusammenschnitt hat er für eine Gruppe aus dem Ingolstädter Umland gemacht. Einen anderen für Bekannte aus ganz Deutschland.
 
"Das ist es ja, was Skateboarding ausmacht", sagt Manuel, "es ist nicht nur das Fahren selbst. Es ist ein Lebensstil." Mit dem Board im Gepäck reisen und dabei Leute treffen. "Da sind Menschen dabei, die ich so nie kennengelernt hätte." Einige davon sind wegen ihm und dem Video gerade auf dem Weg nach Ingolstadt, als Manuel diese Worte spricht. Der Skatepark beim GVZ ist sein Wohnzimmer. Er kennt dort jeden Zentimeter Beton. In der Stadt, sagt er, fühle er sich aber manchmal nicht so wohl, auf dem Brett zu stehen. Dabei hat das Skaten auf der Straße seinen Ursprung. Der urbane Lebensraum als schier unerschöpflicher Hindernisparcours. "Man wird hier als Skater oft komisch angeschaut. Vor allem von älteren Leuten. Dabei sind wir doch ganz normale Jugendliche. Keiner von uns führt sich auf oder ist unfreundlich." Skateboarding habe in gewissen Gesellschaftskreisen ein schlechtes Image. Doch von null Bock auf Schule oder ähnlichen Vorurteilen ist Manuel weit entfernt. Nach seinem Abi voriges Jahr will er jetzt studieren. Am liebsten was mit Film. "Das ist es, was mich fasziniert."
 
Bevor er aber weggeht, möchte er noch ein Projekt mit anschieben. Die Jugendlichen kämpfen mit dem Stadtjugendring für eine Skatehalle. "Ich bin total enttäuscht", sagt Manuel. Sie hatten als Jugendliche Initiative gezeigt, waren in Versammlungen vor den Politikern aufgestanden und hatten ihr Anliegen vorgetragen. Es gab Applaus und warme Worte. Das war vor der Wahl. "Ich habe seitdem nichts gehört", sagt Manuel. Doch für solche negativen Gedanken ist an diesem Tag kein Platz. Er steht auf und geht ins Jugendzentrum. Die ersten Gäste sind da. Die Premierenfeier kann beginnen.