Sünzhausen
Sie ist nicht mehr daheim, aber immer präsent

Die siebenjährige Emma hat den Kampf gegen den Tumor verloren - Auferstehungsfeier mit fröhlichen Farben und Luftballons

15.11.2019 | Stand 23.09.2023, 9:29 Uhr
Zum Abschied von ihrer kleinen Tochter Emma planen Marion und Anton Karl eine kindgerechte Auferstehungsfeier ohne trauriges Schwarz, sondern mit fröhlichen Farben und Luftballons. −Foto: Bendisch

Sünzhausen (PK) Die Trauer soll nicht im Mittelpunkt stehen, für die Eltern ist der Abschied von ihrer kleinen Tochter eine Auferstehungsfeier: Ihren Kampf gegen den Hirntumor hat Emma aus Sünzhausen verloren, sie ist gerade sieben Jahre alt geworden.

Viele Zeichen der Mitmenschlichkeit haben Marion und Anton Karl während der Leidensgeschichte der tapferen Kleinen erlebt: "Eine unglaubliche Erfahrung, für die wir sehr dankbar sind. Aber der Preis war verdammt hoch. "

Heftige Kopfschmerzen und plötzliches Schielen auf einem Auge, so machte sich der Feind in Emmas Körper im Sommer vergangenen Jahres bemerkbar. Bald stand die schreckliche Diagnose fest: Es handelte sich um einen inoperablen Hirnstammtumor, der in 90 Prozent der Fälle bei Kindern im Alter zwischen fünf und acht Jahren auftritt.

Alle medizinischen Möglichkeiten wurden ausgeschöpft, was Emma, deren Zustand sich immer weiter verschlechterte, den Eltern und den beiden Brüdern viel abverlangte; innerhalb kurzer Zeit wurde man zur Familie im Ausnahmezustand (PK berichtete). Letzte Hoffnung war die Immuntherapie in einer Kölner Privatklinik, die durch Spenden ermöglicht wurde. Emma sollte Lebenszeit gewinnen, bis die Tumorforschung weiter fortgeschritten war. Es sollte nicht sein, letztlich war das kleine Mädchen für die anstrengenden Touren nach Köln zu schwach.

Nein, es soll doch nicht sein, dass Eltern ihr Kind überleben. Und wenn doch, wie geht man damit um? Ein Tabuthema ist es für Marion und Anton Karl nicht, sie sprechen offen über den Abschied, der nie ein endgültiges Loslassen sein wird. Emma, die sich schließlich kaum noch bewegen und auch nicht mehr selber essen konnte, wurde daheim rund um die Uhr gepflegt. Man hat ihr vorgelesen, mit ihr gespielt und konnte nicht wissen, was sie noch wahrnimmt. Schon einige Tage vorher habe sich der Tod angekündigt, berichtet Marion Karl, denn der kleine Körper gab auf. Die große Angst vor einem Kampf stand im Raum, aber den gab es nicht: Emma ist nachts neben der Mutter eingeschlafen.

Es war abzusehen, wie man so furchtbar simpel sagt, aber nachvollziehen können es nur Eltern in einer ähnlichen Situation. Der Vater: "Du hoffst bis zum letzten Atemzug, dass es Peng macht und sie sagt 'Papa, ich hab dich lieb'. " Sie ist nicht mehr daheim, aber dennoch präsent durch die Namenskerze im Eingang, den kleinen Schutzengel aus Stoff, durch ihre Zeichnungen.

Der kleine Bruder stellt viele Fragen, der große reagiert verschlossen. Weil so viel zu erledigen ist, sei man noch in einer geschützten Blase, sagt Anton Karl: "Als wir zu Emmas Einäscherung fuhren, waren meine Frau und ich seit langer Zeit zum ersten Mal wieder allein, das fiel uns unterwegs auf. "

Überwältigend seien die Hilfsbereitschaft und Anteilnahme gewesen: "Da wurden Mahlzeiten gebracht oder es stand Kuchen vor der Tür. Du lernst die Leute ganz anders kennen". Große und einfühlsame Unterstützung habe man auch durch den Schweitenkirchener Pastoralreferenten Johannes Seibold erfahren, mit dem man im Familienkreis Emmas Auferstehungsfeier am 22. November plante. Kein trauriges Schwarz, sondern fröhliche Farben und Luftballons soll es geben - so wie es sich ein kleines Mädchen gewünscht hätte. Beigesetzt wird es in einer rosa Urne mit Glitzerherz.

Das Krankenbett ist aus dem Wohnzimmer verschwunden, zumindest dort kehrt langsam wieder Normalität ein. Emmas Zimmer bleibt aber vorläufig unangetastet, so weit sind die Eltern längst nicht: "Mit ihren Sachen sind wir eigen, da wollen wir nicht dran". Und es werden mit Weihnachten oder dem Geburtstag noch Tiefpunkte kommen, das ist ihnen klar. Bleibt Emma für immer sieben Jahre alt - oder wird sie zusammen mit ihrer Familie älter? Für Marion Karl steht fest: "Teenager sein, die erste Party. Diese und weitere Zeiten werde ich sicher in Gedanken mit ihr erleben. Sie ist ja immer da".

Permanent waren die Eltern mit der Pflege ihrer Tochter beschäftigt, ihre Berufe am Flughafen konnten sie nicht mehr ausüben. Nach der Beisetzung wird wieder Zeit für "andere notwendige kleine Dinge" sein, wie Marion Karl es beschreibt: Sie ist bereits auf einem Auge erblindet und muss sich auf dem anderen einer dringend notwendigen Operation unterziehen. Ob sie dann ihren Job in der Weiterbildung wieder aufnehmen kann, ist fraglich, denn er beinhaltet viele Ausarbeitungen am PC: "Es wird sich schon irgend etwas finden".

Voraussichtlich im Januar beginnt Anton Karl in einer Vier-Tage-Woche wieder als Kfz-Mechaniker zu arbeiten. Ein sehr überschaubares Budget steht der Familie zur Verfügung, was der Vater als "eigentlich völlig nebensächlich" bezeichnet: "Wir wissen, was wirklich zählt und brauchen keinen tollen Urlaub. Irgendwann mal mit den Buben in den Bayrischen Wald, das reicht uns völlig". Vom Hilfsverein des Flughafens über Facebook und die Caritas bis zum Verein Familien in Not erfuhr die Familie finanzielle Unterstützung für Emmas Behandlung. Nicht benötigte Gelder werden Marion und Anton Karl an die Tumorforschung und die Kinder-Krebsstation in München weiterleiten.

 

Tina Bendisch