Kösching
Sehnsucht nach Afrika

Ein Jahr in Ghana: Paula Weiß aus Kösching leistet Freiwilligendienst an Schule in Bolgatanga

18.08.2017 | Stand 02.12.2020, 17:38 Uhr |
Über einen Spendenaufruf möchte Paula Weiß einen Teil ihres einjährigen Aufenthalts in Ghana finanzieren. Rund 220 Euro pro Helfer benötigt der gemeinnützige Verein Kinderhilfe Westafrika, um die Freiwilligendienste finanzieren zu können. Den Rest übernimmt ein Bundesprojekt. − Foto: Stephan

Kösching (DK) Drei Wochen nach ihrem 18. Geburtstag fliegt die Köschingerin Paula Weiß am 8. September nach Ghana, um dort ein Jahr lang Freiwilligendienst zu leisten. In Bolgatanga im armen Norden des Landes wird sie als Aushilfslehrerin an einer Schule eingesetzt.

Paula Weiß vergleicht ihre Entscheidung, für zwölf Monate ihr gewohntes Lebensumfeld zu verlassen, mit einer Achterbahnfahrt. „Erst ist die Freude sehr groß“, sagt sie. „Und jetzt, kurz vor der Fahrt, sieht man die Leute kreischen und möchte gar nicht einsteigen. Aber wenn man dann gefahren ist, möchte man am liebsten noch mal.“ Bis die 18-Jährige im September in ihre ganz persönliche Achterbahn steigt, ist aber noch einiges zu tun: Das Visum ist gerade erst in den Briefkasten geflattert, eine Reiseapotheke muss angelegt, Gastgeschenke ausgesucht und der Koffer gepackt werden. „Langsam bin ich echt aufgeregt“, gibt Weiß zu.

Dabei weiß die Köschingerin, die im Juli ihr Abitur gemacht hat, bereits sehr lange, dass es sie nach der Schulzeit nach Afrika verschlagen wird. „Es hat mich schon als kleines Kind dorthingezogen“, erzählt sie. Durch Geschenke ihrer Großmutter, von der ihr der Abschied besonders schwergefallen sei, sei die Sehnsucht gewachsen. „Ich möchte aber nicht nur reisen, sondern Menschen und Kultur kennenlernen“, sagt sie bestimmt. „Dafür gibt es nichts Besseres als gemeinnützige Projekte.“

Im Zuge einer ausführlichen Recherche hat sich Weiß für die Kinderhilfe Westafrika (siehe eigener Artikel) entschieden. Nach der Bewerbung ist die junge Frau nun eine von 25 Menschen, die an verschiedenen Orten in Ghana, Benin oder Burkina Faso eingesetzt werden. Ziel der Projekte ist es laut Weiß, den Einheimischen beim Aufbau einer Lebensgrundlage zu helfen und sich dann wieder zurückzuziehen. Die Hauptaufgabe der 18-Jährigen: an der Schule, die aus Raummangel in einer christlichen Kirche in Bolgatanga untergebracht ist, den Lehrer beim Unterricht zu unterstützen und den Alltag der Einheimischen mitzugestalten.

Wie das genau aussehen soll, weiß die 18-Jährige selbst noch nicht so genau. „Je nachdem, wie man selbst die Initiative ergreift“, sagt sie. Vorgeschlagen werde beispielsweise, einen Fußballverein auf die Beine zu stellen oder Frauen Aufklärungsunterricht zu geben. „Von großen Projekten wie Brunnen zu bauen wurde uns abgeraten“, sagt Weiß. „Das wäre zwar gut für die Menschen, aber wir sollen uns nicht übernehmen.“ Aber eigentlich hat Weiß schon ganz viele eigene Ideen: Sie stellt sich vor, einen Chor zu gründen oder mit den Einheimischen Leselampen zu basteln.

Bei einem Vorbereitungsseminar, bei dem sie sich unter anderem mit ehemaligen Freiwilligen austauschte, hat sich die 18-Jährige bereits ein Bild davon machen können, was sie erwartet. „Es war schön zu hören, dass sie gesagt haben, dass das die coolste Zeit in ihrem Leben war“, sagt Weiß. „Es gab auch schlimme Erlebnisse, aber am Ende wollte keiner mehr von dort weg.“

Selbst diese Erfahrungen zu machen, das wird noch einmal etwas ganz anderes. Gemeinsam mit einem Freiwilligen, den die Köschingerin bereits kennengelernt hat, wird sie bei einer Gastmutter wohnen. Ein durchaus heikles Thema für Afrikaner: „Wenn ein Junge und ein Mädchen in demselben Haus wohnen, dann gelten sie als verheiratet“, sagt Weiß. Es könne allerdings auch sein, dass sie einige Heiratsanträge bekommt, denn als weiße Frau gelte sie dort als etwas Besonderes. Von einer Ehemaligen habe sie deshalb einen Tipp bekommen: „Einen Ring tragen, dass es so aussieht, als wäre man bereits verheiratet.“

Es wird eine Weile dauern, bis Weiß alle Regeln des Landes kennt. Kleidung bis zu den Knien zu tragen oder jeden Sonntag in die Kirche zu gehen gehören da sicher noch zu den einfacheren. Schwieriger werde es, den Lehrer nicht davon abzuhalten, die Schüler zu schlagen. „Davor graust’s mich schon, aber ich darf seine Autorität nicht untergraben“, sagt sie. Überhaupt gebe es in Bolgatanga niemanden, der direkt für Weiß zuständig ist: „Man muss selbst seinen Platz in der Gemeinschaft finden.“

Die Eltern der 18-Jährigen haben sich deshalb gewünscht, dass sie ihren Freiwilligendienst in einem nahen Land wie Italien leisten würde. „Sie haben aber geahnt, dass es Afrika wird“, sagt sie. Am meisten freue sie sich darauf, die Menschen kennenzulernen und an ihrem Leben teilzuhaben. „Ich liebe es, mit Kindern zusammenzuarbeiten“, sagt sie. Das kann ihr sogar zugutekommen: Weiß überlegt, nach Ghana Sonderschulpädagogik zu studieren.

Doch jetzt liegt erst einmal ein zwölfmonatiges Abenteuer vor der 18-Jährigen. „Ich glaube, danach habe ich eine komplett andere Denkweise über das Leben hier.“

K I N D E R H I L F E  W E S T A F R I K A

Mit ihrem Freiwilligendienst unterstützt Paula Weiß eines von über 20 Projekten der Kinderhilfe Westafrika. Dies ist ein gemeinnütziger Verein, der 2007 gegründet wurde und 22 ehrenamtliche Mitarbeiter hat. Ziel ist es, bedürftigen Menschen die Möglichkeit zu bieten, ihr Leben selbst gestalten zu können. Als zertifizierte Entsendeorganisation vermittelt der Verein Helfer wie Weiß an Einsatzstellen in Ghana, Benin und Burkina Faso.

Die 18-Jährige hat sich für die Kinderhilfe Westafrika entschieden, weil diese ihrer Meinung nach nicht kommerziell arbeitet. „Viele machen ihren Freiwilligendienst für den Lebenslauf und wählen Projekte, bei denen man nur am Pool liegt, weil man nicht viel helfen kann.“ Bei der Kinderhilfe Westafrika sei das anders, wisse sie aus Erzählungen ehemaliger Freiwilliger.

Weil dort alles ehrenamtlich organisiert werde, sei der Verein auf Spenden angewiesen. „Kinderhilfe Westafrika arbeitet mit dem Bundesprojekt ,weltwärts’ zusammen, das übernimmt 75 Prozent der Kosten für mich“, erklärt die Köschingerin. 25 Prozent müsá ?se die Entsendeorganisation selbst aufbringen – und die Freiwilligen würden deshalb gebeten, einen eigenen Spenderkreis aufzubauen. Das angestrebte Ziel seien 220 Euro pro Helfer im Monat. „Ich hatte am Schulfest einen Stand, an dem ich über mein Projekt informiert und Spenden gesammelt habe“, sagt Weiß. Um den Rest ihrer Einsatzzeit finanzieren zu können, wäre die 18-Jährige für weitere Spenden dankbar (Kinderhilfe Westafrika e.V.; IBAN: DE03 8305 0000 0000 6521 64; Verwendungszweck: Paula Weiss, Freiwilligendienst 2017/18, Name Spender + Adresse). | tjs

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