Ingolstadt
Schwarz auf Weiß ist bunt

Das Ingolstädter Museum für Konkrete Kunst eröffnet heute seine neue Ausstellung

19.06.2015 | Stand 02.12.2020, 21:10 Uhr

Foto: DK

Ingolstadt (DK) Da hängt es, Kasimir Malewitschs „Schwarzes Quadrat auf weißem Grund“. Oder genauer gesagt das, was Timm Ulrichs aus dem gerade jetzt 100 Jahre alt gewordenen Bild, mit dem die Geschichte der konkret-konstruktiven Kunst in einer Ausstellung in St. Petersburg begann, gemacht hat. Ein leer belichtetes und also blau-rabenschwarz schimmerndes Polaroidfoto setzte der Totalkünstler auf Papier und in einen Rahmen; nun prunkt die kleine, pointierte Malewitsch-Spielerei als eines von über 80 höchst unterschiedlichen Exponaten im Museum für Konkrete Kunst. Das hat sich für die neue Ausstellung explizit den unbunten Farben verschrieben: „Schwarz auf Weiß“ heißt die Schau, die allenfalls noch Grau zulässt – und doch wie geplant beweist, dass dieses Unbunt-Trio ziemlich bunt sein kann.

Denn tatsächlich geht es in der Ausstellung, die heute Abend eröffnet wird, um so ziemlich alles, was das Auge reizt. Um Kontraste, um Nachbilder auf der Netzhaut (die entstehen, starrt man lang genug auf eine schwarze Form), um optische Täuschung, um Glanz und Licht, um Spiegelungen, Tiefenwirkung, Raumempfinden. Es geht aber auch um raffinierte (oder raffiniert schlichte) Techniken. Und um unzählige Träger für das Schwarz und Weiß. Zu sehen ist dies alles: Malerei, Zeichnung, Plastik, Objekt, Fotografie – und mag auch das eine oder andere Werk den Sinn verwirren, die Ausstellungskonzeption, die zwar Genres mischt, aber stilsicher formale und inhaltliche Bezüge hält, tut es nicht. Drum darf auch das Museum selbst mitspielen, so prägnant, wie es das vorher wohl nie tat. Denn das Auge, schnell gepolt auf Schwarz und Weiß, bleibt unversehens an den anthrazitfarbenen Linien der Treppe, der grauen Fläche des Bodens, dem Quader des unbunten Liftes hängen; so werden Raum und Kunst zu einem. Die Kunst: Kuratorin Anna Wondrak hat sie ausgesucht; ihr stand ein wunderbares Konvolut dafür zur Verfügung – die Sammlung Maximilian und Agathe Weishaupt. Seit Jahrzenten sammelt das Münchner Ehepaar am Konkret-Konstruktiven orientierte Kunst, seit 2009 stellt es, bekräftigt durch einen außergewöhnlichen Kooperationsvertrag, seine wertvollen Schätze dem Museum ohne jede Bedingung zur Verfügung. Einziges Ziel: Das, was sie so schätzen, öffentlich zu sehen – eine Win-win-Situation für alle, wie diese Schau zeigt. Im hochqualitativen Fundus fahndete Wondrak also nach Schwarzweiß und wurde mehr als fündig. Richard Serra, Günther Ücker, Camill Leberer, Günter Fruhtunk, Erich Buchholz, Robert Schad, dazu hier unbekanntere Namen wie der des Amerikaners David Nash, des südkoreanischen Malers Ha Chong-Hyun oder der Isländerin Svava Björnsdóttir: unbunt alle, wenn mitunter auch ausnahmsweise. Leberer etwa, populär durch leuchtende Lackfarbe auf Stahl, gibt es in poetisch zarten Spraywolken auf Pergamentpapier, Buchholz nicht rot und golden wie gewohnt, sondern in zeichnerischem Holzdruck-Schwarz. Schön sind diese unbekannten Arbeiten anders bekannter Künstler; und (aufsehenerregend) schön sind auch die Jungen, die die Weishaupts mehr und mehr sammeln. Von Björnsdóttir ein schwerelos-schlank-serielles Papierguss-Objekt, von der Chinesin Xiao Hui Wang die Riesenfotografie eines Klebebandes, das unter extremer Vergrößerung sich als Naturlandschaft geriert, die aktuelle, noch nach Öl duftende Arbeit „9.710“ – denn aus so vielen dicken Pinseltupfen auf der Leinwand besteht das Bild – Robert Sagermanns. David Ortins’ patternhafte Wachsarbeiten, die verbrannten Holzobjekte David Nashs – unendlich viel gibt es zu entdecken im schwarz-weißen Spektrum.

Das übrigens zusätzlich zu den Weishaupt-Künstlern auch die „hiesigen“ der Stiftung für Konkrete Kunst bedienen. Je eine Arbeit der mittlerweile 14 Stiftungskünstler, darunter etwa Ludwig Wilding, Dieter Hacker oder Vera Molnar, sind in die Schau integriert – drei von ihnen sammeln die Weishaupts auch. Eine Querverbindung, wie sie auf andere Art auch der Kölner Künstler Lars Breuer schafft, der aktuell für die Schau die Raumecken der Treppenwand in Schwarz verband und mit zwei Wand-Schriftarbeiten im Erdgeschoss das Publikum empfängt zur schwarz-weißen Entdeckungstour.