Wolnzach
Schaufenster in die Vergangenheit

WZ-Serie "Spurensuche": Historischer Cirkel erforscht Geschichte und Zukunft des Witty-Hauses

03.12.2019 | Stand 23.09.2023, 9:44 Uhr
Autos und Motorräder spielten im Leben der Familie Witty offensichtlich eine große Rolle, das zeigt auch das Brautauto bei der Hochzeit aus dem Jahr 1919, als Georg Witty junior (mit Zylinder) Maria Haimerl heiratete. Links zu sehen ist Georg Witty senior mit seiner Frau Maria und ganz rechts Brautvater Karl Haimerl. −Foto: Historischer Cirkel

Wolnzach - Es steht an der Elsenheimerstraße - und ist scheinbar dem Verfall preisgegeben. Doch der Schein trügt, denn tatsächlich hat die Hausnummer 25 - auch bekannt als das "Witty-Haus" - einen neuen Eigentümer, einen, der das Gebäude eigentlich erhalten möchte. Wie schwer ihm das gemacht wird, welche Geschichte hinter dem Haus mit der markanten Optik steckt, das hat jetzt der Historische Cirkel aufgearbeitet.

Rund 360000 Euro nur für den statischen Erhalt des hinteren Gebäudeteils, von dem gar nicht sicher war, ob er überhaupt unter Denkmalschutz steht. Was genau ist geschützt, was nicht? Die große Frage, deren Antwort der heutige Besitzer des Witty-Hauses beim Historischen Cirkel vor zahlreichen Besuchern so schilderte: "Die eine Behörde hat so gesagt, die andere so. Und wer, wie, was und warum, das hat uns keiner erklären können." Viel Geld habe er ausgegeben für Gutachten und Planungskosten - und dann einfach nichts mehr von den Denkmalschutzbehörden gehört. Zwischenzeitlich habe es dafür - für die Besucher des Abends übrigens haarsträubende - Einschätzungen gegeben. Beispiele: Die nachträglich von den letzten Besitzern, die ein Ladengeschäft betrieben, eingebauten großen Schaufenster zur Elsenheimerstraße seien erhaltenswert, weil sie die geschichtliche Entwicklung und Nutzung des Gebäudes dokumentierten. Laut Denkmalschutz bleiben sollen nach Schilderungen des jetzigen Eigentümers übrigens auch die beiden Handläufe neben der Haustüre, die die letzten Bewohner lediglich angebracht hatten, um die Stufen sicherer nutzen zu können.

Die Geschichte dieses und etlicher anderer Gebäude in und um Wolnzach hat der Historische Cirkel ausgearbeitet, was er herausgefunden hat, dem widmete der Verein jetzt einen ganzen Abend. Einen sehr gut besuchten, der für die HiC-Forscher nicht nur wegen der Quantität, sondern auch wegen der Qualität der Gäste zum vollen Erfolg wurde. Denn unter den Besuchern waren viele, die mit den geschilderten Häusern verbunden waren, entweder als Nachfahren oder Bekannte der früheren Besitzer, als Nachbarn, als solche, die sich noch erinnern können - und durchaus die eine oder auch für die HiC-Forscher neue Information beitragen konnten.

Dass das Witty-Haus einen neuen Eigentümer hat, der die zur Straße hin sichtbare Substanz erhalten möchte und auch wird, das sei "eine feine Sache", so Rudi Pfab vom Historischen Cirkel. Dass er das trotz aller Schwierigkeiten tue, umso mehr, so Pfab weiter. Denn das Witty-Haus sei ein Stück Wolnzach, stehe für eine bewegte Geschichte: Witty, dieser Name rührt von Georg Witty, der Anfang des vergangenen Jahrhunderts mit seiner Familie dort gelebt hat. Damals hieß die Straße noch nicht Elsenheimerstraße, sondern Bauerngasse. Vor der Familie Witty hat der Historische Cirkel in alten Archiven einen "Mathias Schächinger" als Bewohner gefunden, Reindl nenne in seiner Chronik zudem die Familien Wirler und Felsl als Besitzer. In einem Messungsoperat aus dem Jahr 1875 gibt es konkrete Daten über das alte Anwesen, so Pfab: Dort ist auf besagte Hausnummer in Wolnzach ein Jakob Wirler eingetragen für Wohnhaus, Stall, Stadel, Austragshaus, Hofraum und Gemüsegarten.

Bei einer Baumaßnahme aus dem Jahr 1885 hat Rudi Pfab etwas entdeckt, wovon sich heutzutage so mancher eine Scheibe abschneiden könne: Der Bauwerber musste bei einer Erweiterung des Hauses zur Straße hin eine Abstandsfläche von 2,15 Metern einhalten. Und auch nachbarschaftliche Berührungspunkte waren laut Pfab in diesem Fall kein Problem: Beim Bau einer Darre wurde laut Pfab versehentlich das Nachbargrundstück des Franz Obster überbaut. Streit? Laut Pfab Fehlanzeige, denn die Nachbarn legten sogar einen Zugang an, so dass die Wirlers ihre Darre auch vom Nachbargrundstück aus betreten konnten.

Und die Wittys? Dazu fand der Historische Cirkel im Messungsverzeichnis von 1914 Eintragungen, nachdem ein Georg Witty als Eigentümer aufgeführt, jedoch auf einem Dokument per Hand durchgestrichen und durch "Wirler" ersetzt ist. "Wahrscheinlich gab es Differenzen zwischen Wirler und dem kaufwilligen Witty", folgert Rudi Pfab. Dieser Georg Witty ist der Vater von Georg Witty junior, der am 15. Januar 1895 in Wolnzach geboren wurde - und an den sich Rudi Pfab noch persönlich erinnern kann. Die Wittys betrieben ursprünglich eine "Motor- und Fahrradhandlung mit Reparaturwerkstätte" an der heutigen Herrn-straße.

Im Jahr 1914 stellte die Familie Bauantrag auf den Einbau von Wohnungen in besagtem Haus an der Bauerngasse, das Sohn Georg nach seiner Hochzeit mit Maria Haimerl bewirtschaftete: mit einer kleinen Landwirtschaft, einer Fahrrad- und Automechaniker-Werkstatt mit Tankstelle - und einem Mietwagenverleih. Dessen Sohn Georg, sozusagen der dritte Witty, ist vielen heute noch unter dem Spitznamen "Biwe" bekannt. Laut Pfab war er ein Motorradfan und Rennfahrer, "ein wuider Hund". Er verließ mit seiner "schönen Frau", die bis dahin im Rasthaus Holledau gearbeitet hatte, später die Holledau.

Zuvor hatte er seine Werkstätte noch an ein Wolnzacher Unternehmen verpachtet, im ersten Stock war eine Zahnarztpraxis untergebracht. Ende der 1950er Jahre erwarb ein örtlicher Landmaschinenhändler das Anwesen, wenige Jahre später erfolgte ein Tausch mit einer hiesigen Familie, die danach einen Laden für Keramik, Spielwaren und später auch Schnitzereien eröffnete. Im August 2016 ging das Anwesen an seinen heutigen Besitzer.

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Karin Trouboukis