Manching
Rudern wie vor 2000 Jahren

Teams der Wehrtechnischen Dienststelle in Manching stärken im Römerboot ihre sozialen Kompetenzen

09.10.2019 | Stand 23.09.2023, 8:54 Uhr
Auf geht's: In einem Nachbau eines der 2000 Jahre alten Römerboote aus dem Kelten- und Römermuseum stärken Beschäftigte der Wehrtechnischen Dienststelle in Manching ihre sozialen und methodischen Kompetenzen. −Foto: Schmidtner

Manching (DK) Teambildung mittels Rudern: Wenn es um die Verbesserung der "Human Factors" geht, beschreitet die Bundeswehr mittlerweile auch völlig neue Wege.

Denn bei dem Boot, das vor kurzem die vier Teams der Wehrtechnischen Dienststelle dafür verwendeten, handelte es sich um den Nachbau eines der 2000 Jahre alten Römerboote aus dem Kelten- und Römermuseum Manching, das im vergangenen Jahr zu Wasser gelassen wurde.

Es ist ein sonniger Vormittag, als das Boot an einem See im Feilenmoos zu Wasser gelassen wird. Rund 100 Beschäftigte der Wehrtechnischen Dienststelle 61 in Manching, fast alles nicht-fliegendes Personal, wurden bereits instruiert und in ihre Aufgaben eingewiesen. Es geht nicht direkt ums Rudern, erklärt Oberstleutnant Estrugo Eckstein - das ist nur Mittel zum Zweck. "Wir wollen die Fehlerkultur verbessern", sagt der Testpilot. Einmal im Jahr sollen die Mitarbeiter der WTD bei einer Fortbildung in Sachen Human Factors, sie sollen ihre Soft Skills, also ihre persönlichen, sozialen und methodischen Kompetenzen im Beruf, stärken.

Ein Beschäftigter hatte die Idee, dies mit dem Nachbau des Römerboots auszuprobieren, das im Vorjahr in Manching und Ingolstadt zu Wasser gelassen wurde und dann auf eine Fahrt auf der Donau ging. Der Vorschlag wurde aufgegriffen, und so bilden rund 100 Mitarbeiter aus unterschiedlichen Bereichen, die sich freiwillig gemeldet haben vier Teams mit Trainer, die gegeneinander antreten. "Die erste Runde ist ohne große Vorbereitung,", sagt Eckstein - die Leute rudern auf Zeit und die meisten haben keine Erfahrung darin.

Aller Anfang ist schwer, vor allem, wenn alle im Takt die Ruder bewegen und darauf achten müssen, nicht mit dem Vordermann zu kollidieren. Doch erstaunlich schnell schaffen es die Mannschaften, sich selber zu organisieren. "Der erste Durchgang war noch etwas holprig", erzählt beispielsweise hinterher Alexander Holzmann: "Aber beim zweiten Durchgang haben wir 40 Sekunden gut gemacht. " Der Feuerwehrmann war zunächst skeptisch, weil er zuvor noch nie gerudert ist. Doch schnell hat er die Anfängerfehler, wie das zu tiefe Eintauchen der Ruderblätter, hinter sich gelassen und ließ sich überzeugen. "Das könnte man ruhig öfter machen", sagt der 28-Jährige.

Auch Oberstleutnant Eckstein ist mit seinen Mannschaften zufrieden. Jede hat es auf seine Art und Weise geschafft, sich selber zu organisieren und Erkenntnisse aus dem Rudertag zu ziehen. Zu Beginn stünden meist viele Ideen - und dann werde eine Entscheidung gefällt. "Aber dann muss jeder mitgehen", sagt Eckstein. Flexibilität im Team sei wichtig, genauso wie auch Kritikfähigkeit. Und noch eine Erkenntnis: "Nicht immer sind Hierarchien nötig, wenn die Leute ihre Arbeit gut machen. "

Museumsleiter Tobias Esch hatte vor dem Teambuilding die archäologische Grundlage gelegt und bei einer Führung durch das Museum die Abteilungen erläutert. "Wichtig war mir auch, die Bedeutung der Kastelle für die Logistik der Truppe und die Truppenbewegungen zu erläutern, speziell die Boote", sagte Esch.

Profitiert hat von der Aktion auch die Wissenschaft. Als Steuermann und Ausrufer fungierte jeweils Prof. Boris Dreyer, Archäologe an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen und geistiger Vater des Nachbaus des Römerboots Nummer 2 im Kelten- und Römermuseum Manching. Die beiden Fahrzeuge, deren Entdeckung 1986 am Barthelmarktgelände in Oberstimm eine Sensation war, haben sich rund 2000 Jahre im feuchten Boden erhalten wie sonst fast nie. Nach jahrelanger Restauration zählen die antiken Holzkonstruktionen in Nut- und Federbauweise zu den Sehenswürdigkeiten im Kelten- und Römermuseum Manching. Einiges weiß die Wissenschaft von antiken Autoren: Die gut 15 Meter langen, 2,70 Meter breiten und 2,2 Tonnen schweren Boote wurden von 18 bis 20 Ruderern angetrieben und waren bis zu fünf Knoten schnell. Sie dienten unter anderem raschen Truppentransporten und Patrouillen und wurden bis Ende des 2. Jahrhunderts eingesetzt.

Dennoch blieben für die Wissenschaft viele Fragen offen. Daher entschloss sich der Althistoriker Dreyer, zum 275. Geburtstag Uni Erlangen-Nürnberg, mit Studenten, Freiwilligen und Experten ein Boot exakt zu vermessen und nachzubauen.

Im Mai 2018 war die Jungfernfahrt in Erlangen, kurze Zeit darauf wurde die FAN (Fridericiana Alexandrina Navis) in Manching und Ingolstadt vorgestellt und zum Mitrudern eingeladen. Im weiteren Verlauf ging es dann auf der Donau weiter bis ans Schwarze Meer. Der jüngste Versuch im Feilenmoos war ein weiterer Baustein, Erkenntnisse über das Boot mit einem halben Meter Tiefgang und einem Mast für ein Segel zu erlangen. Denn vieles, wie etwa die Höhe des Mastes, die Fläche des Segels oder die Riemen ist nicht überliefert. Nicht zuletzt geht es Dreyer um ganz pragmatische Aussagen, wie sich etwa die Erhöhung der Schlagzahl auf die Geschwindigkeit auswirkt. Dreyer kann sich mittlerweile vorstellen, dass flussabwärts acht Stunden Rudern und eine Entfernung bis zu 35 oder 40 Kilometer zu schaffen waren.

Bernhard Pehl