Hilpoltstein
Rudern und Schwitzen im Team

30.06.2010 | Stand 03.12.2020, 3:54 Uhr

Moritz Hübner erklärt den Teilnehmern die Grundregeln des Drachenbootfahrens.

Hilpoltstein (HK) Die Wasseroberfläche reflektiert die Abendsonne und zaubert ein leichtes Orange auf die Gesichter der Rothseepiraten. Scheinbar gelassen lassen sie ihren Blick über den See schweifen. Dann deutet jemand auf das Wasser. "Da sind sie."

Langsam tauchen die Männer und Frauen des anderen Teams am Horizont auf. Erst sind sie nur schemenhaft zu erkennen, zehn Gestalten, die sich mit ihren Paddeln im Wasser abmühen. Sie stechen sie ins kühle Nass, hieven ihre Oberkörper nach vorne und lassen das Drachenboot, in dem sie sitzen, weiter auf dem Wasser in Richtung Ufer gleiten. Ihre Hosen und Hemden sind vom Wasser des Sees getränkt, ihre Gesichter feucht vom Schweiß.

Das 20-köpfige Team der Rothseepiraten bereitet sich auf die Ankunft der anderen vor. Sie verteilen ihre Rollen im Boot, entwickeln erste Strategien. Denn auch sie wollen beim Drachenbootrennen des Landesbund für Vogelschutz teilnehmen und es im besten Fall gewinnen. Deswegen haben sie am Dienstag am Rothsee ein Training absolviert. Insgesamt neun Teams haben sich für den Wettbewerb angemeldet und rudern am Sonntag, 11. Juli, um den LBV-Pokal.

"Rechte Seite! Paddel reinholen!", brüllt Moritz Hübner, der zusammen mit Diplom-Pädagogin Lena Hauselt die Trainingseinheiten für das kommende Rennen abhält. Erschöpft greifen die Drachenbootfahrer nach dem Steg, ziehen sich und das Boot näher heran und sind sichtlich erleichtert, als sie wieder festen Boden unter den Füßen haben. Erster Austausch mit den Müller Rothseepiraten: "Und, wie war es" "Super!"

Die Schwimmwesten werden ausgezogen, die kaum einen Meter langen Paddel werden an das nächste Team übergeben. Sogar die erste Herausforderung gibt es schon: "Eine Minute müsst ihr unterbieten." Die Rothseepiraten sind zuversichtlich. "Das schaffen wir", heißt es. "Ihr müsst aber auch ein bisschen Nachsicht haben, immerhin sind wir das einzige Frauenteam hier", sagt jemand. Gelächter. Statt Konkurrenzdenken scherzt man zusammen. Es ist ja nur ein Training, man mache das nur zum Spaß. Die Stimmung ist ausgelassen.

Als Hübner mit der Einweisung der neuen Fahrer beginnt, wird es ein wenig ruhiger. Er erklärt, wie das Paddel zu halten ist und wie man es am besten ins Wasser bringt. Eine Hand ruht ganz oben am Knauf, während die andere das Sportgerät nur kurz über dem Paddelblatt hält. Wichtig ist, möglichst senkrecht in das Wasser zu stechen, um Spritzwasser zu vermeiden und Kraft zu sparen. Der Rhythmus, der vom Trommler an der Spitze des Bootes vorgegeben wird, muss von den Ruderern in Paddelzüge umgesetzt werden.

Dann teilt er die Gruppe in zwei Reihen auf. "Sucht euch einen Partner, der ungefähr genauso schwer ist wie ihr", sagt Hübner. Das sei wichtig für die Balance des Bootes. In Vierergruppen und ganz vorsichtig besteigen die Rothseepiraten das Drachenboot. Den Steuermann mimt Hübner selbst, denn dafür bedarf es einer gründlichen Ausbildung. Die zehn Sitzreihen vor ihm und auch der Trommlerplatz werden vom Team besetzt. Das Boot wackelt, als die Gruppe einsteigt und die Wasseroberfläche schlägt Wellen. Nachdem die Balance gefunden ist, rudern sie rückwärts vom Steg weg und dann weiter auf eine knapp zwei Kilometer lange Runde um den See.

"Es funktioniert nur, wenn man im Team zusammen arbeitet", erklärt Hauselt. Sie selbst hat mit dem LBV-Team einige Rennen gefahren. "Anfangs waren wir noch ziemlich schlecht, aber wir haben uns von Rennen zu Rennen gesteigert." Beim Drachenbootfahren gehe es in erster Linie um Teamgeist und Rhythmusgefühl. "Das ist die große Stärke des Drachenbootes."

Die ersten zaghaften Schläge auf die Trommel kann man bereits vom Ufer aus hören. Tok. Tok. Die ersten Züge sind noch unkoordiniert. Die Paddel krachen aneinander, jemand bringt seines unglücklich ins Wasser und spritzt damit seine Hinterfrau voll. Die schreit kurz auf. "Der hat mich vollgespritzt!"

Doch schon nach kurzer Zeit ordnet sich die Gruppe, die Trommelschläger werden regelmäßiger, fordernder. Bumm. Die Paddler stechen ihre Werkzeuge ins Wasser, drücken sie nach hinten und das Boot nach vorne. Bumm. Sie ziehen die Paddel wieder aus dem Wasser, strecken die Arme. Fast zeitgleich, wie ein großes Uhrwerk, wie ein großes Team. Bumm. Das Boot gleitet weiter über das Wasser, getrieben vom unablässigen Schlagen der Trommel. Bumm. Immer weiter. Bumm.

Hübner lässt das Boot kurz anhalten. Zeit für den 200 Meter-Sprint, die Wettkampfdisziplin. Zunächst sollen kurze Züge gemacht werden, bis das Boot schnell genug ist. Dann folgen lange Züge, um es weiter voran zu bringen. Dazu sollen die Rothseepiraten laut mitzählen. Als sie mit dem Zählen beginnen, hört man sie sogar vom mehrere hundert Meter entfernten Ufer. Schnell und koordiniert überwinden die Piraten die vorgegebene Strecke, schneller sogar als das vorherige Team. 46 Sekunden lautet die Bestzeit, gute 14 Sekunden schneller als das Energiebündel RH-SC. Das macht die Piraten stolz.

Langsam breitet sich Erschöpfung aus und die Truppe tritt ihren Heimweg an. Immer noch pumpt das Adrenalin vom wilden Sprint in den Adern, und noch immer liegt der berühmte Teamgeist in der Luft. Doch die Arme werden schwächer, die Beine, mit denen sie sich im Boot abstützen müssen, auch. Ihre Bewegungen werden asynchron, das Boot schwebt eher gemächlich dahin, Richtung Ufer. "Rechte Seite! Paddel reinholen", brüllt Hübner wieder. Man kennt das Spiel. Der Steg wird gepackt, das Boot herangezogen. Immer nur zwei Paddler steigen aus, da das Boot sonst kippt. Sie sind nass, erschöpft... und sind richtig gut drauf. "Oh Mann, hat das Spaß gemacht. Ich möchte gleich nochmal rein."

Die Abendsonne ist inzwischen ein ganzes Stück nach unten gewandert und eine warme Brise trocknet die Kleider und Körper der Rothseepiraten. Zwar machen sie das nur zum Spaß, sagen sie. Bereit für den Wettkampf sind sie trotzdem.