Pfaffenhofen
"Rote bis tiefrote Zahlen"

Wirtschaftsbeiratsvorsitzender Bernd Huber zur Lage der örtlichen Unternehmen in Coronazeiten

06.11.2020 | Stand 23.09.2023, 15:15 Uhr
Bernd Huber, gemeinsam mit Franz Böhm Vorsitzender des Wirtschaftsbeirats des Landkreises Pfaffenhofen, befürchtet, dass die ganz großen wirtschaftlichen Probleme, auch auf dem Arbeitsmarkt, erst noch auf den Landkreis zukommen werden. −Foto: Adverma

Pfaffenhofen - Wer Bernd Huber kennt, der zählt ihn nicht zur Gilde der Schwarzseher. Der Ilmmünsterer, der in Personalunion Vorsitzender und Ehrenvorsitzender des Wirtschaftsbeirates des Landkreises Pfaffenhofen ist, strahlt in aller Regel eher eine gesunde Portion Optimismus und jede Menge Lebensfreude aus. Letztere ist ihm nicht abhanden gekommen, doch von Optimismus ist wenig bis nichts zu spüren, wenn Huber sich zur aktuellen Lage und zu Zukunftsaussichten der Unternehmen im Raum Pfaffenhofen äußert. Dafür hat Corona schon zu heftige Spuren in den Firmenbilanzen und Auftragsbüchern hinterlassen.

"Alle Gewerbe- und Wirtschaftstreibenden sind sich darüber einig, dass die meisten Unternehmen im laufenden Geschäftsjahr rote bis tiefrote Zahlen schreiben werden", schreibt der Vorsitzende des Wirtschaftsbeirats jetzt in einem Rundbrief an die Bürgermeister der Landkreisgemeinden. Bei ihrer jüngsten turnusmäßigen Dienstbesprechung sollte er sie eigentlich direkt über die Lageeinschätzung aus Sicht des Beirats informieren - doch daraus wurde nichts, wegen Corona wurde das Treffen verkürzt, die Tagesordnung zusammengestrichen.

Doch in seinem Rundbrief und auch in einem Gespräch mit der PK-Redaktion macht Huber keinen Hehl daraus, dass ihm die derzeitige Situation große Sorgen bereitet. Er betont dabei, dass seine Einschätzung der Lage nicht auf Prognosen und Statistiken der Wirtschaftsinstitute, Kammern oder Verbände basiert, sondern unmittelbar auf zahlreichen Gesprächen mit örtlichen Firmenchefs und Befragungen der heimischen Unternehmer. Huber verweist darauf, dass die Unternehmensstruktur im Landkreis glücklicherweise sehr vielfältig ist. Sie bestehe aus produzierenden und verarbeitenden Betrieben zum Beispiel aus den Bereichen Metall, Maschinen, Werkzeuge, Anlagentechnik, Verpackungen, Chemie, Pharmazie, Nahrungs- und Lebensmittel, Schuhfertigung oder auch Garten- und Landschaftsbau sowie zahlreichen Handels- und Dienstleistungsunternehmen.

Beachtliche Betriebe seien hier ansässig, konstatiert Huber, und diese sogenannten Hidden Champions könnten auch in den jetzigen schwierigen Zeiten "eine eigene Firmenkonjunktur mit Zuwachsraten vermelden". Doch die Mehrzahl der Unternehmen im Kreis könne diese erfreuliche Situation nicht bestätigen, schränkt der Beiratsvorsitzende ein. So hätten Maschinenbau- und Metallbetriebe, nicht nur wegen der Abhängigkeit zur Fahrzeugindustrie, einen Umsatzrückgang von bis zu 40 Prozent zu verkraften. Huber: "Und das wird sich bis zum Jahresende eher verstärken, die Folgen bei einem weiteren möglicherweise flächendeckendem Lockdown sind gar nicht auszudenken." Aber auch andere Branchen im verarbeitenden Gewerbe müssen laut seinen Recherchen enorm rückläufige Aufträge zwischen 30 und 40 Prozent feststellen, fasst Huber zusammen. Dies betreffe auch rein klassische Geschäfte.

Eine Ausnahmestellung nehme das Handwerk mit all seinen Sparten ein, stellt der Vorsitzende fest. Diese Betriebe, und hier besonders das Bauhandwerk, seien mit guten bis sehr guten und langfristigen Aufträgen versorgt. Allerdings hätten bei einer Tagung der Arbeitsgruppe "Handwerk" des Wirtschaftsbeirats auch diese Betriebe über erste "Bremsspuren" berichtet. Im Vergleich zum Handwerk habe der Einzelhandel, insbesondere im Textil- und Modebereich, keinen Grund zum Optimismus, urteilt Huber. Denn hier habe die Coronazeit den Onlinehandel regelrecht befeuert. Und nicht nur schwierig, sondern gar existenzbedrohend sei die Lage für viele Unternehmen im Tourismus, in Gastronomie, Event-Management oder im Messebau: "Katastrophal ist die Situation bei den Solo-Selbstständigen und nahezu zum Verzweifeln in der Kreativwirtschaft. Hier ist alles weggebrochen und vielen bleibt nur der Gang zu Hartz IV."

Der jetzige einmonatige Teil-Lockdown könnte nach Berechnungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung der deutschen Wirtschaft mehr als 19 Milliarden Euro kosten, gibt Huber zu bedenken. Allein fast sechs Milliarden davon würden in Gastronomie und Hotellerie anfallen. Zwar könnten auch die Gastronomen, ebenso wie andere Betriebe, staatliche Hilfen erhalten, "dennoch zählt die Gastronomie zu den großen Leidtragenden", bedauert Huber. Das sei um so tragischer, weil diese Sparte von Anfang an dazu beigetragen habe, mit teilweise großem Kostenaufwand ein vorbildliches Hygienekonzept umzusetzen.

Grundsätzlich sei die Stimmung bei Arbeitnehmern und Arbeitgebern im hiesigen Wirtschaftsraum aber noch relativ gut, hat Huber festgestellt. Dies liege auch an der Kurzarbeit, "die beide Seiten abfedert. "

Als erfreulich bewertet Huber, dass es im Landkreis nicht nur viele mittelständische und hochinnovative familien- und inhabergeführte Unternehmen gibt, sondern vor allem auch sehr gesunde Firmen, ausgestattet mit hohen Eigenkapitalquoten. Dementsprechend hätten sich die meisten Betriebe vor der Krise in einer recht soliden Ausgangslage befunden und auch jetzt könne man - bis auf wenige Ausnahmen - "nicht von einer ausgesprochenen Schieflage von Unternehmen in unserem Landkreis sprechen." Auch Insolvenzen seien in diesem Jahr nicht zu befürchten - nicht zuletzt auch wegen der Aussetzung der Insolvenzordnung bis Ende dieses Jahres. Allerdings rechne man in Deutschland alleine derzeit mit 800000 zahlungsunfähigen Firmen, eine Pleitewelle im Jahr 2021 sei also sehr wahrscheinlich. Laut Huber sehen die optimistischen Unternehmer im Landkreis eine Durststrecke bis Ende 2021. Der Beiratsvorsitzende: "Viele andere und auch ich selbst schätzen die Lage insbesondere für kleinere und Kleinstfirmen als viel gefährlicher ein als nach der Weltfinanzkrise 2008/2009, da diesmal die gesamte Breite der Wirtschaft betroffen ist.

Eher düster fällt auch Hubers Bewertung des Teil-Lockdowns im November aus: "Es ist zu befürchten, dass das nicht den gewünschten Erfolg bringen wird", sagt er. Weitere strenge Beschränkungen werde die Wirtschaft aber nicht verkraften und auch die staatlichen Hilfen würden zu Ende gehen und seien voraussichtlich künftig nur noch mit drastischen Steuererhöhungen zu finanzieren.

Hubers Fazit: Bevor es keinen verlässlichen Impfstoff gebe, könne man nicht mit einer schnellen Normalisierung rechnen, und: "So werden wir mit noch mehr Eigenverantwortung als bisher mit dem Virus bis Sommer nächsten Jahres leben müssen." In welchem Zustand sich die Wirtschaft dann 2021 und 2022 befinden werde, wisse derzeit natürlich niemand, so der Beiratsvorsitzende, aber zumindest soviel wage er jetzt schon vorauszusagen: "Die großen wirtschaftlichen Probleme, auch auf dem Arbeitsmarkt, kommen erst noch auf uns zu."

PK

Robert Schmidl