Neuburg
Ringen um Akzeptanz und Koexistenz

Bibermanagement des Landkreises genießt bayernweit einen guten Ruf – 2012 wurden 18 Tiere gefangen

14.02.2013 | Stand 03.12.2020, 0:30 Uhr

Sieht es gelassen: Der Biber. Die Tiere haben der letzten Erhebung nach 109 Reviere im Landkreis Neuburg-Schrobenhausen besiedelt. Während sie Bäume fällen, Röhren graben und ihre Burgen anlegen, arbeiten Landrat und Untere Naturschutzbehörde an einer friedlichen Koexistenz mit den Menschen - Foto: oh

Neuburg (DK) Der Biber hat sich im Landkreis Neuburg-Schrobenhausen einen festen Platz erkämpft. Nun gilt es, die Ansprüche von Mensch und Nager unter einen Hut zu bringen. Ziel der Biberberatung sind Akzeptanz und Koexistenz gleichermaßen.

Als die letzten Exemplare des Großnagers 1867 von der bayerischen Bühne abtraten, hätte wohl niemand ein so erfolgreiches Comeback vorherzusagen gewagt. Doch es ist geglückt. 1966, also knapp 100 Jahre später, wurden die ersten Tiere im Freistaat in Freiheit gesetzt. 2010 konnten allein im Landkreis Neuburg-Schrobenhausen 109 Reviere kartiert werden, die der Wasserbaumeister wieder besiedelt hatte. Bayernweit dürften es 12 000 Tiere sein, die sich in Flüssen und Bächen tummeln, Bäume fällen, Biotope anlegen, Artenvielfalt bewirken und großräumig betrachtet auch Hochwasserschutz betreiben. Die Aktivitäten der Tiere kollidieren leider oft mit den Interessen der Menschen. Land- und Forstwirte beklagen die Fällarbeiten oder wünschen den Biber zum Teufel, wenn sie mit ihren schweren Maschinen in einen Bau oder Tunnel einbrechen.

Die Landkreisverwaltung in Neuburg hat darauf reagiert und ein Bibermanagement installiert und ausgebaut. Inzwischen genießt es bayernweit einen guten Ruf und weckt bei anderen Gebietskörperschaften Interesse. Ein Berater je Gemeinde soll möglichst rasch zur Stelle sein und sich der Probleme mit Rat und Tat annehmen. Das kann bis zum Abfangen der Tiere gehen. So wurden im vergangenen Jahr 26 Fanggenehmigungen ausgestellt, 18 Tiere wurden tatsächlich erwischt. 2011 waren es noch 33. Zählt man die Totfunde dazu, in der Regel nach Verkehrsunfällen, wurde die Population im Landkreis 2012 um 39 Tiere dezimiert, 2011 mussten 51 Biber ihre Leben lassen.

Vorbei sind die Zeiten, in denen Meister Bockert vom benachbarten Ausland gerne aufgenommen wurde. Die Populationen haben überall ihre Eigendynamik entwickelt, Vermittlungen sind nicht mehr gefragt. Wer in eine der Lebendfallen gerät, wird in der Auffangstation in Karlshuld getötet.

Die finale Lösung mit Pulver und Blei ist allerdings die Ausnahme. Meist geht es darum, Schäden zu regulieren. Schrobenhausen meldete 2012 15 Fälle, Rennertshofen 12, in den anderen Gemeinden wurde der Biber weniger häufig aktenkundig.

Was Schäden an land- und forstwirtschaftlichen Kulturen betrifft, sie werden ersetzt. Allerdings nicht zu hundert Prozent. Künftig werden es maximal 80 Prozent sein. Hintergrund der Limitierung ist die Einschätzung der Europäischen Kommission, die diese Entschädigung als Beihilfe bewertet. Landrat Roland Weigert hat sich daraufhin im April 2012 mit der Bitte an Umweltminister Marcel Huber gewandt, die Entschädigungspraxis im Sinne der Betroffenen zu überdenken und gleichzeitig den Verwaltungsaufwand zu reduzieren. Der Minister teilte daraufhin im Mai 2012 mit, das EU-Recht habe Vorrang. Es bleibt also bei der 80-Prozent-Deckelung.

Die gemeldeten und anerkannten Schäden aus Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft beliefen sich 2012 auf insgesamt 8477 Euro. Mit 3865 Euro sind die Schäden, die an Maschinen entstanden, der dickste Brocken. Fraßschäden beliefen sich auf insgesamt nur 1375 Euro. Der Rest entfällt auf Unterminierungen und Vernässung.

Problematisch für die Biberberater ist, dass Schäden von Privatleuten nicht ersetzt werden. Das traf im Jahr 2009 den Besitzer einer Kutsche. Das Gespann brach ein, ein Pferd verletzte sich. Nachdem dies aber keinen „Eingriff in die Existenzgrundlage“ des Freizeitkutschers darstellte, wurde eine Schadensregulierung abgelehnt. Da half auch keine Petition im Landtag.

Buchstäblich in die (Biber-) Röhre schauen auch die Gemeinden und Wasserverbände. Auch sie bekommen nichts aus dem Entschädigungstopf, der 2012 landesweit auf 450 000 Euro aufgestockt wurde. Zehn Gemeinden im Landkreis meldeten insgesamt rund 22 000 Euro Schaden an, die Wasserverbände weitere 7458 Euro. Der staatliche Forstbetrieb Kaisheim, der reichlich Wald im Landkreis bewirtschaftet, schätzt seinen „Schaden“ auf 9600 Euro. Die Summe gibt aber nur den Ertragsausfall von Flächen wieder, die biberbedingt aus der Nutzung genommen wurden. Das sind beidseitig von Gewässern je 20 Meter breite Streifen.

Landkreisverwaltung und Untere Naturschutzbehörde haben das Bibermanagement in den vergangenen Jahren optimiert. Um die Akzeptanz auszuloten, wurden Kommunen und Geschädigte befragt. Dabei gab es überwiegend gute Noten für die Berater. Die arbeiten gerade an einer neuen Kartierung der Biberreviere. Ende März dürfte Klarheit darüber herrschen, wo der Großnager aktuell residiert und um wie viele Tiere es sich insgesamt handelt.

Das Bibermanagement kostet. 2012 zahlte der Landkreis an Aufwandsentschädigungen für die Berater, für Fortbildungen und Dienstbesprechungen rund 14 000 Euro. Doch die Ausgabe lohnt sich nach Auffassung von Melanie Winter von der Unteren Naturschutzbehörde, die den Biberbericht 2012 erstellt hat. So gehe es „bei Konfliktfällen meist sachlich zu, verhärtete Fronten zwischen Behörden und Betroffenen existieren kaum, und auch die Naturschutzverbände stehen hinter dem Bibermanagement des Landkreises“.

Der Status quo mag erfreulich sein, doch Landrat Roland Weigert und seine Behörde wollen mehr. So soll die Bevölkerung besser über positive wie negative Folgen des Biberlebens informiert werden. Deshalb wird heuer ein Konzept erarbeitet, wie sich Untere Naturschutzbehörde, die Umweltbildungsstätte Haus im Moos, das Aueninformationszentrum in Schloss Grünau und die ehrenamtlichen Biberberater künftig einbringen können. Außerdem sollen auch die Schulen im Landkreis mit eingebunden werden.