"Politisches Kabarett kann Leben retten"

21.03.2014 | Stand 02.12.2020, 22:55 Uhr

HG Butzko: „Ich mache ganz einfach die Art Kabarett, die ich auch selber gerne sehen möchte.“ - Foto: oh

Ingolstadt (DK) HG. Butzko hat den deutschen Kleinkunstpreis 2014 in der Sparte Kabarett erhalten. „Damit zeichnet die Jury einen politischen Kabarettisten aus, der mit anspruchsvoller Komik und analytischer Schärfe selbst höchst komplexe Zusammenhänge darstellt“, heißt es in der Begründung. Am 3. April tritt er im Rahmen der 30. Ingolstädter Kabaretttage in der Kleinkunstbühne Neuen Welt auf. Wir unterhielten uns mit ihm über Preise.

Was bedeutet der deutsche Kleinkunstpreis für Sie?

HG. Butzko: Schauen Sie sich doch nur mal an, wer den Preis vor mir schon so alles bekam. Hildebrandt, Hüsch, Polt, Priol, Schramm, Pispers, Rether. Jetzt mit diesen Leuten in einer Reihe zu stehen, ist natürlich der Hammer. Im Grunde müsste ich erst mal zum Therapeuten. Das Problem ist nur, mein Ego passt zurzeit nicht durch die Tür des Behandlungszimmers.

 

Ein Rezensent meinte kürzlich, nach einem Abend mit Ihnen, hätte das Publikum im Grunde nur die Möglichkeit, sofort auf die Straße zu laufen und eine Revolution anzuzetteln. Wie groß ist Ihre Wut wirklich?

Butzko: Ich bin Satiriker. Nichts liegt mir ferner, als an eine Revolution zu glauben. Da zitiere ich lieber Lenin: „Eine Revolution in Deutschland? Das wird nie etwas. Wenn die Deutschen einen Bahnhof besetzen, kaufen sie vorher eine Bahnsteigkarte.“ Nehmen Sie 1848. Damals sind unsere Urgroßväter auf die Barrikaden gegangen, um den deutschen Adel aus der Macht zu entfernen. Heute ist eine Frau von der Leyen Oberbefehlshaberin. Und keiner wundert sich. Zugegeben, wenn Eckart von Hirschhausen Gesundheitsminister wird, sollten wir die Sache mit den Barrikaden wirklich ernsthaft ins Auge fassen.

 

Kann man mit politischem Kabarett überhaupt etwas bewirken?

Butzko: 2002 hat Edmund Stoiber die Bundestagswahl gegen Gerhard Schröder mit 6000 Stimmen Unterschied verloren. Diese 6000 Wähler haben sich ihre Meinung in meinem Kabarett gebildet. Das wissen viele nicht, ist aber so. Also hat politisches Kabarett die Welt verändert. Nun ja, zumindest die von Stoiber, der nicht nach Berlin ging und in Wolfratshausen blieb. Oder nehmen Sie Schröder selbst. Über den kann man ja viel Schlechtes sagen, und zwar völlig zu Recht, aber eines hat er zumindest fertiggebracht, nämlich keine deutschen Soldaten in den Irak zu schicken. Bei Stoiber wäre die Bundeswehr dort in den Krieg gezogen. Mit anderen Worten: Politisches Kabarett hat vermutlich sogar Leben gerettet.

 

Sie propagieren ja den Vorschlag, eine neue Partei zu gründen, nämlich die der Nichtwähler. Wie ernst ist es Ihnen damit?

Butzko: Mit dieser Nummer geht es mir in erster Linie um die Selbstgefälligkeit der Parteien, wenn sie ihre Wahlergebnisse als absolut hinstellen, was sie reflexartig nach jeder Wahl tun. Diese Zahlen muss man aber doch im Vergleich mit der Wahlbeteiligung sehen. Bei einer Wahlbeteiligung von sagen wir mal 72 Prozent sind 42 Prozent für die Union eben nur echte 30 Prozent und 26 Prozent für die SPD eben nur echte 18. Betrachtet man unter diesem Blickwinkel dann noch die FDP, wird schnell klar, dass man für eine Analyse dieser Splittergruppe ohne Mikroskop nicht mehr auskommt.

 

Welches Bild als Kabarettist haben Sie von sich selbst?

Butzko: Ach, ich mache ganz einfach die Art Kabarett, die ich auch selber gerne sehen möchte. Das ist die Art, bei der ich neben der Unterhaltung auch ein klein wenig Erkenntnisgewinn habe. Lachen nicht als Mittel der Ablenkung, sondern der Aufklärung, verstehen Sie? Dieter Hildebrandt hat sich noch kurz vor seinem Tod mein Programm angeschaut und nachher gesagt, es sei so nachhaltig, dass es ihn noch tagelang beschäftigt hat. Das hat mich sehr gefreut und sehr geehrt.

 

Die Fragen stellte Karl Leitner.

 

Am 3. April, 20.30 Uhr, tritt HG. Butzko in der Ingolstädter Neuen Welt auf.