Pfaffenhofen
"Platzangst darf man nicht haben"

Alle 20 Jahre reinigen Taucher die Faultürme im Klärwerk in Pfaffenhofen

23.04.2018 | Stand 23.09.2023, 2:59 Uhr
An einem dünnen Seil hängend, wird der Taucher in den Faulturm abgelassen. −Foto: Meier

Pfaffenhofen (PK) 720 Tonnen Schlamm entfernen Taucher aus den Faultürmen der städtischen Klärwerkanlage in Pfaffenhofen. In völliger Dunkelheit tauchen sie mehrere Stunden in einer braun-gräulichen Brühe.

23 Meter hoch geht es zu den Eingängen der zwei Faultürme auf dem Klärwerksgelände an der Joseph-Fraunhofer-Straße in Pfaffenhofen. Aus manchen Verbindungsrohren im Treppenhaus tropft etwas Wasser - Maschinen surren. Oben bereitet sich ein Taucher auf seinen Einsatz vor - bei dem sonnigen Wetter sucht er im Treppenhaus Schatten. Er wirkt in sich gekehrt. Den Tauchanzug und Schuhe hat er bereits an - bei 25 Grad Außentemperatur muss es heiß in seiner Arbeitskleidung sein.

"Etwa alle 20 Jahre müssen die Faultürme vom Schlamm befreit werden", erklärt Sebastian Brandmayr, technischer Leiter der Stadtwerke Pfaffenhofen. Meterdick ist der Schlamm in den Faultürmen, in denen das Klärwerk Energie speichert. Wie bei einer Biogasanlage wird organisches Material in das Biogas Methan und in Kohlenstoffdioxid abgebaut. Mit der gewonnenen Energie erzeugt das Klärwerk in einem Blockheizkraftwerk Strom und Wärme für die eigene Anlage.

Siegfried Richter, Chef einer Hamburger Spezialfirma, bereitet den anstehenden Tauchgang in den Faulturm vor. Er befreit Gasflasche und Helm von der bräunlich-grauen Brühe vom Tauchgang davor. Dabei stickt die Kleidung nicht - vielmehr riecht die Brühe erdig. Kurz vor seinem Arbeitseinsatz kommt der Taucher aus dem Treppenhaus. Mehrere Bleigewichte befestigt Richter an Fußgelenk und Hüfte des Tauchers. Er hilft ihn in die Rückengurte, an dem eine Gasflasche befestigt ist. "Der Taucher bekommt Luft über einen Schlauch, aber für alle Fälle hat er eine Reserveflasche auf dem Rücken", erklärt Richter. Ist der Taucher erst einmal auf dem Grund des 23 Meter tiefen Faulturms, kann er bei einem Zwischenfall nicht direkt auftauchen.

Aufgrund des Druckausgleichs muss er immer langsam auftauchen und in gewissen Metern für einige Minuten verharren. "Das ist ein echter Knochenjob. Man muss bei der Arbeit immer 100 Prozent und mehr geben", erzählt Richter. Seit 30 Jahren taucht er ab in die Becken und Türme von Kläranlagen und reinigt sie. Der gelernte Kampfschwimmer ist täglich für zweieinhalb Stunden auf dem Grund des Turms. Für die Reinigung der Faultürme im Klärwerk Pfaffenhofen sind zwölf Tage eingeplant. Täglich sind vier Taucher für jeweils zweieinhalb Stunden im Faulturm. "Es ist zäh da unten. Man bewegt sich wie eine Fliege im Teer", erklärt Richter die Arbeitsbedingungen. Manchmal reicht einem die Schlammmasse bis über den Kopf. "Platzangst darf man nicht haben." Es kann auch sein, dass der Schlamm nachrutscht und man unter ihm begraben wird.

Hinzu kommt, dass der Taucher zweieinhalb Stunden in völliger Dunkelheit arbeitet. "Man muss die Augen zu lassen, damit man die Orientierung nicht verliert." In der einen Hand hält der Arbeiter einen Schlauch, aus dem Luft gegen den dicken Schlamm gepumpt wird. Die Masse löst sich und wird mit Hilfe eines anderen Schlauchs abgepumpt. Gemeinsam mit seinen Mitarbeitern ist Richter über 300 Tage im Jahr in ganz Deutschland unterwegs. "Die Geburtstage von Kindern und Ehefrau verpasse ich immer." Allerdings müsse jemand die Arbeit machen - über sein Gehalt möchte er nicht sprechen. "Ich mag es in der Stille zu arbeiten und es wird nicht langweilig", antwortet Richter.

Während Richter von seiner Arbeit erzählt, setzt er dem Taucher den neun Kilogramm schweren Helm auf. "Die Ausrüstung wiegt über 50 Kilo", betont Richter. Langsam bewegt sich der Taucher zum Rand des Faulturms. Über dem etwa drei Meter breiten Loch ist eine Stahlkonstruktion angebracht. Der Taucher schwebt an einem dünnen Seil über dem Loch des Faulturms. Langsam wird er abgelassen. Nach wenigen Minuten ist lediglich der starre Blick aus dem Glasfenster des orangefarbigen Helms in der braunen Masse zu sehen. Zum Schluss steigen vereinzelt ein paar Luftblasen auf. "Taucher auf Grund", tönt es aus einem Funkgerät - und das für die nächsten zweieinhalb Stunden.

Samantha Meier