Neuburg
Pilotversuch erfolgreich abgeschlossen

Phosphor-Rückgewinnung aus Klärschlamm funktioniert – Nun muss der Stadtrat entscheiden

05.12.2012 | Stand 03.12.2020, 0:44 Uhr

Das Endprodukt: Phosphor und zum größten Teil Calciumsilikathydrat als Bindemittel.

Neuburg (DK) Deutschlandweit ganz bestimmt, vielleicht sogar weltweit der einzige Versuch, Phosphor aus Klärschlamm zu gewinnen, ist gestern in Neuburg erfolgreich abgeschlossen worden. Der Stadtrat muss nun entscheiden, ob eine großtechnische Anlage installiert werden soll.


Deutschland verfügt über keine eigenen Phosphorvorkommen. Das chemische Element aus der Stickstoffgruppe ist aber für Aufbau und Funktion von Organismen von zentraler Bedeutung und wesentlicher Bestandteil bei der Düngung landwirtschaftlicher Kulturen. „Die Weltmarktsituation wird aber immer prekärer“, sagte Michael Spitznagel vom Bayerischen Umweltministerium gestern nach Abschluss des Pilotversuches in Neuburg. Bislang importiert die Bundesrepublik etwa 80 Prozent des Phosphors aus Israel und Jordanien. Den weltweit größten Phosphorabbau gibt es in China, den USA und Marokko, doch dieser Rohstoff ist teilweise mit Uran kontaminiert, das dann über die Düngemittel auf die Äcker gelangt.


Dank steigender Begehrlichkeiten in der Landwirtschaft steuert die Menschheit weltweit auf eine Rohstoffverknappung hin. Wie lange der Phosphor noch reicht, darüber streiten sich die Gelehrten. Die Prognosen reichen von wenigen Jahrzehnten bis hin zu 300 Jahren. „Aber Phosphor ist ein Rohstoff, den wir wegschmeißen“, bedauerte Spitznagel. Er gelangt über getrockneten Klärschlamm in Zementwerke und wird dort verbrannt. „Es ist ein tolles Projekt, das in Neuburg gestartet worden ist“, sagte der Ministerialbeamte und dankte der Kläranlagentruppe um Werkleiter Thomas Schneider für ihr Engagement und ihre Mitarbeit. „Sie leisten einen wertvollen Beitrag für Bayern und Deutschland“, sagte Spitznagel.

Die Versuchsanlage wurde im Frühjahr 2011 in der Kläranlage an der Grünauer Straße installiert. Dort fällt jede Menge Klärschlamm an. Nass sind es 40 000 Kubikmeter jährlich, getrocknet bleiben etwa 1000 Tonnen übrig. Die wandern dann als Brennstoff in die Zementindustrie. Die wiederum hat kein Interesse daran, den Rohstoff Phosphor zu verheizen, wie Ressortleiter Gerhard Hartmann von der Heidelberg Cement AG, versicherte. Das Unternehmen zeigte sich seinerseits interessiert, den Phosphor in Neuburg zu belassen. „Wir sind sehr zufrieden, wie das Projekt gelaufen ist“, sagte Hartmann.

Der Pilotversuch wurde vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) wissenschaftlich betreut. Auf Seiten der Stadt war Ingenieur Paul Leikam zuständig. „Wir konnten in einer Kläranlage Fragen klären“, freute sich Rainer Schuhmann vom KIT. Beispielsweise die, dass „ein Verfahren, das wir im Stadtrat trocken versprochen haben, auch nass funktioniert“. Wie Schuhmann ausführte, werden etwa 20 Prozent des Phosphors, der über den Kanal in die Kläranlage gelangt, herausgefiltert.

In der Gesamtbilanz rechnet Stadtingenieur Paul Leikam damit, dass pro Jahr etwa zehn Tonnen Phosphor aus dem Abwasser gefiltert werden können. „Wir können damit den Landwirten etwa 200 Tonnen Dünger anbieten“, erklärt er. Letztlich gehe es aber um den Umweltschutz und die Schonung von Ressourcen.

Im Januar werden die Wissenschaftler einen Schlussbericht vorlegen. Dann kann im Stadtrat diskutiert werden, ob in der Kläranlage eine großtechnische Anlage installiert wird. Die könnte es, ersten Schätzungen von KIT zufolge, für eine halbe Million Euro geben.

Oberbürgermeister Bernhard Gmehling, zeigte sich der neuen Technologie gegenüber aufgeschlossen. Immerhin könnte Neuburg die Geburtsstätte für ein Novum sein, das weltweites Interesse wecken könnte. Die Dosieranlagen GmbH Alltech aus Weingarten ist mit von der Partie und war mit Geschäftsführerin Ines Weller gestern in Neuburg vertreten. Was den Rathauschef natürlich primär interessierte, war die Frage, ob eine Pilotanlage in Neuburg von Freistaat oder Bund gefördert wird. Eine eindeutige Antwort vermochte Ministeriumsmitarbeiter Spitznagel nicht zu geben, versicherte aber: „Wir sind an dem Thema sehr interessiert.“