Neuburg/Schrobenhausen
Peter von der Grün: "Keine Sekunde ans Aufhören gedacht"

Landrat im Jahresanfangs-Interview

07.01.2022 | Stand 13.01.2022, 3:35 Uhr
Blickt optimistisch in die Zukunft: Neuburg-Schrobenhausens Landrat Peter von der Grün weiß aber um die großen Aufgaben, die der Landkreis vor sich hat. −Foto: Janda

Neuburg/Schrobenhausen - Die Zukunft des Kreiskrankenhauses in Schrobenhausen, ein möglicher Kauf der Neuburger KJF-Klinik, die Bewältigung der Pandemie und der bevorstehende Geburtstag des Landkreises: Peter von der Grün steht in seinem vierten Jahr als Landrat vor besonderen Herausforderungen. Ein Interview mit dem FW-Politiker.

Herr von der Grün, 2020 hat Sie gewaltig gefordert, 2021 war vor allem durch die heftige Kritik an Ihrem Stil als Landrat persönlich richtig hart. Was erhoffen Sie sich nun für 2022?

Peter von der Grün: Ich glaube, persönliche Angriffe erlebt man in dieser Position jedes Jahr. Daher muss man einfach mit so etwas umgehen können. Für 2022 erhoffe ich mir, dass wir - wie zuletzt im Kreistag und mit Abstimmungen mit den Fraktionen - konstruktiv und gut weiter arbeiten.

Welche Lehre ziehen Sie aus den vergangenen Monaten?

Von der Grün: Es ist ganz klar: Jetzt, da die Bewältigung der Pandemie mehr oder weniger zu einer Routine geworden ist, müssen wir uns darauf einstellen, die nächsten Jahre damit umgehen zu müssen. Gerade im ersten Jahr, als wir noch keinen Impfstoff hatten, mussten viele Veranstaltungen ausfallen. Da hat der persönliche Austausch einfach gefehlt. Das können wir mit fortlaufender Impfkampagne und einer Mehrheit der Bevölkerung, die geimpft ist, wieder angehen. Daher kann ich sagen: Der persönliche Austausch wird auch trotz Corona weiterhin intensiv stattfinden. Die Gremien und die Arbeitskreise haben ja getagt. Und auch der Abstimmungsrhythmus mit den Fraktionen alle zwei Wochen hat sich bewährt. Das wollen wir beibehalten.

Das heißt, Sie müssen all das, was bis vor zwei Jahren normal war, wieder neu lernen.

Von der Grün: Ja, wenn man das Zwischenmenschliche jetzt wieder mehr in den Vordergrund stellen kann, etwa bei einem gemeinsamen Getränk nach den Sitzungen, dann wird sich das wieder geben. Auch 2021 hat das nicht schlecht funktioniert.

Wie sehr hat Sie dieses schwierige Jahr persönlich verändert?

Von der Grün: Im Grunde bin ich immer noch derselbe. Ein paar graue Haare habe ich bekommen (lacht). Viele Leute sagen mir auch, das ich so bleiben soll, wie ich bin. Denn das hat in der Vergangenheit gut gepasst. Jeder sollte sich selbst treu und authentisch bleiben.

Wie oft haben Sie bei all diesen Problemen und Aufgaben eigentlich ans Aufhören gedacht?

Von der Grün: Keine Sekunde. Das muss ich ehrlich in dieser Klarheit sagen. Dass es eine fordernde und verantwortungsvolle Aufgabe ist, war klar. Jetzt kam Corona en top. Ich bin aber gewählt worden und habe einen Eid geschworen. Als ehemaliger Sportler liegt es mir zudem fern, beim ersten Gegenwind gleich aufzugeben. Das ist nicht mein Naturell.

Klaus Angermeier hat als Ihr Stellvertreter aber genau diesen Schritt gemacht. Wie kommen Sie beide seitdem miteinander aus?

Von der Grün: Aus meiner Sicht sehr gut. Und ich glaube, dass er das auch so sieht. Wir haben ein gutes Verhältnis. Er hat sich ja als neuer Sprecher der CSU-Fraktion beim Kreistag und bei mir für die Zusammenarbeit bedankt. Mit Rita Schmidt haben wir gleichzeitig die perfekte Lösung als Stellvertreterin gefunden. Es läuft rund, wir arbeiten sehr vertrauensvoll zusammen.

Einfacher werden die nächsten Monate sicher nicht. Stichwort Neuburger Krankenhaus.
Von der Grün: Dabei handelt es sich um ein laufendes Verfahren. Wir haben Gesprächsbereitschaft signalisiert. Alles Weitere muss sich nun zeigen. Nähere Auskünfte kann ich dazu nicht geben.

Blicken wir nach Schrobenhausen, wo mit dem Kreiskrankenhaus und der Außenstelle des Landratsamts zwei wichtige Projekte auf der Agenda stehen. Müssen die Bürger wegen des möglichen Kaufs der Neuburger KJF-Klinik allein schon aus finanziellen Gründen auf diese Maßnahmen verzichten?

Von der Grün: Da müssen wir differenzieren. Die Außenstelle des Landratsamts hat zunächst nichts mit der Situation der Krankenhäuser zu tun. Das ist überfällig und hätte vor Jahren angegangen werden müssen. Daher bleiben wir dabei und setzen die gute Vorarbeit von 2021 fort. Da haben wir erste substanzielle Schritte gemacht. Ich bin zuversichtlich, dass wir in 2022 ein konkretes Ergebnis präsentieren können.

Also ist ein Neubau der Außenstelle vom Tisch?

Von der Grün: Es wird möglicherweise kein Neubau. Aber es gibt noch keine Entscheidung.

Und das Kreiskrankenhaus, das durch das Gesundheitsamt konzeptionell eng mit der Außenstelle verzahnt ist?

Von der Grün: Da spielt natürlich die Situation mit der Neuburger Klinik eine große Rolle. Wir haben die Konzepte für die Zukunft unseres Kreiskrankenhauses fertig entwickelt. Da sind zwar noch keine Pflöcke eingeschlagen, dennoch müssen wir die neue Situation berücksichtigen. Deshalb geben wir uns eine kleine Denkpause, um die Gesundheitsversorgung im Landkreis möglicherweise anders und auch größer denken zu können. Das hängt aber vom Ausgang in Neuburg ab.

Im Nachbarlandkreis Eichstätt hat der Kreistag gerade beschlossen, die Akutversorgung mittelfristig auf einen Klinikstandort zu beschränken. Wäre das bei einem Zuschlag für die KJF-Klinik ein Szenario für Neuburg-Schrobenhausen?

Von der Grün: Das ist eine Variante, man kann die Landkreise aber nicht vergleichen. Wir prüfen verschiedene Varianten. Klar ist aber: Wir würden die Gesundheitsversorgung dann aus einem Guss für den gesamten Landkreis denken. Der Kreistag wird letztlich bewerten und entscheiden müssen.

Ist mit Ihnen eine Schließung des Kreiskrankenhauses in Schrobenhausen denkbar?

Von der Grün: Nein.

Dennoch ist die Skepsis im Süden groß. Wie wollen Sie die Menschen überzeugen?

Von der Grün: Dass es Chancen und auch Risiken in dieser Entwicklung gibt, will ich nicht bestreiten. Es gibt aber keinen Bürgermeister im Landkreis, der sich gegen Verhandlungen mit der KJF ausgesprochen hat. Da habe ich große Rückendeckung erfahren, die Gespräche zu führen. Was rauskommt, wissen wir aber noch nicht.

Und was sagen Sie den Bürgern?

Von der Grün: Mir ist es wichtig, dass beide Standorte für die bürgernahe Gesundheitsversorgung und als Arbeitsplatz für unsere Mitarbeiter erhalten bleiben. Die Chancen überwiegen daher - aber nicht um jeden Preis, das sage ich auch ganz offen.

Dazu kommt in der Mitte des Landkreises das Donaumoos, wo der Dialog zuletzt etwas holprig lief. Wie soll es dort weitergehen?
Von der Grün: Wir wollen große Schritte gehen. Wenn wir die Umsetzungseinheit komplett und im Donaumoos platziert haben, dann werden wir mit der Kommunikation ganz anders aufgestellt sein. Dafür gibt es eine eigene Stelle. Auch aus anderen Fachbereichen haben wir Mitarbeiter zugesagt bekommen. Die Personalsuche seitens der Regierung zieht sich tatsächlich etwas hin. Wir planen gleichzeitig aber mehrere Aktionen, etwa eine Höhenbefliegung für ein aktuelles Modell. Auch im Baierner Flecken ist ein Projekt geplant - alles gemeinsam mit Anwohnern und Landwirten.

Geht Ihnen der Prozess schnell genug?

Von der Grün: Ich kann die Ungeduld vieler Leute verstehen. Aber allein die Tatsache, dass wir erst zwei Mitarbeiter in der Umsetzungseinheit haben und der Standort noch nicht bezogen ist, zeigt: Mit welchem Personal sollte man das angehen? Da bitte ich um Geduld. Das ist so ein großer Brocken, den wir hier bewegen wollen und müssen. Für mich persönlich wäre es schneller auch besser. Aber für den Freistaat ist so ein Projekt komplettes Neuland. Da steckt der Teufel schon im Detail.

Ihr Heimatort Bertoldsheim hat im Vorjahr mit der Wiederaufnahme der Polderplanungen eine Hiobsbotschaft erhalten. Wie wollen Sie den Kampf gegen das Projekt fortsetzen?

Von der Grün: Wir haben es alle sehr bedauert, dass der Koalitionsvertrag hier nicht lange Bestand hatte. Da steht ja nicht aus Jux und Tollerei der Verzicht auf diesen Polder drin, sondern weil es Alternativen für den Hochwasserschutz gibt und vor allem weil in Rennertshofen, nämlich in Riedensheim, der erste Polder der bayerischen Kette bereits existiert. Ich kann deshalb sehr gut verstehen, dass sich der nordwestliche Landkreis ein Stück weit verraten fühlt. Das versprochene Monitoring sehe ich nun als Hoffnungsschimmer. Ich bin mir sicher, dass sich dabei zeigt, dass der Hochwasserschutz ohne den Bertoldsheimer Polder möglich ist.

Wie schwer fällt Ihnen dabei die Kritik an der Staatsregierung, wo der Landkreis doch in Sachen Kreiskrankenhaus auf Fördergelder aus München hofft?
Von der Grün: Meine Auffassung ist: Sachliche Kritik ist immer notwendig und muss auch zulässig sein - der Ton macht natürlich die Musik. Als Landrat muss ich aber nicht zu allem Ja und Amen sagen, was von der Staatsregierung oder vom Bund kommt, sondern die Interessen des Landkreises und seiner Bürger vertreten.

Neben München finanzieren vor allem die Gemeinden die Aufgaben des Landkreises. Stichwort Kreisumlage. Richtig glücklich waren Sie mit den Haushaltsberatungen nicht, oder?

Von der Grün: Doch, ich war eigentlich schon glücklich. Ein Kompromiss heißt ja, dass beide Seiten aufeinander zugehen müssen. Mit 50,5 Prozent Hebesatz kann ich sehr gut leben.

Und mit den sieben Gegenstimmen im Kreistag?

Von der Grün: Es war auf jeden Fall noch eine große Mehrheit. Erfreulicherweise lief es viel harmonischer als im Jahr davor. Ich kann aber verstehen, dass der eine oder andere Bürgermeister mit seiner Gegenstimme ein Zeichen setzen wollte und auch musste. Der Großteil sieht aber die großen Aufgaben. Ein positives Zeichen war für mich beispielsweise, dass der Oberbürgermeister von Neuburg dem Haushalt zugestimmt hat. Das passiert ja auch nicht jedes Jahr (lacht).

Der Landkreis steuert auf einen Schuldenberg von gut 40 Millionen Euro zu. Da stellt sich doch die Frage: Wer soll das bezahlen?
Von der Grün: Hätten wir die neue Paul-Winter-Realschule nicht gebaut, wären wir schuldenfrei. Das war aber eine Pflichtaufgabe. Außerdem hören sich 40 Millionen zwar nach viel an, für einen Landkreis ist das aber noch zu verkraften. Wichtig ist für mich immer die Frage: Was machen wir mit dem Geld? Vernünftige Investitionen sind immer gut angelegt.

Sie gehen bald in Ihr drittes Jahr mit Corona. Würden Sie sich dabei manchmal nicht mehr Handlungsspielraum für den Landkreis wünschen?

Von der Grün: Das würden sich alle Landräte wünschen. Wir werden immer wieder in ein enges staatliches Korsett gezwungen und können leider oft nicht so handeln, wie wir es vor Ort gerne pragmatisch tun würden.

Wie kommt das Gesundheitsamt mit der Belastung zurecht?
Von der Grün: Erfreulicherweise ist die Inzidenz von mehr als 800 deutlich gesunken. Ich habe großen Respekt vor unseren Mitarbeitern, dass es selbst bei diesen hohen Zahlen immer funktioniert hat, die Kontaktnachverfolgung zu meistern. Wir haben das Gesundheitsamt dafür sehr gut ausgestattet. Etappenweise gab es auch Amtshilfe von anderen Behörden. Dennoch merken wir, dass die hohe Belastung an die Substanz geht.

Zuletzt hat der Freistaat mit dem Hin und Her bei den Impfzentren kein gutes Bild geboten. Was erwarten Sie für die Zukunft von der Staatsregierung?
Von der Grün: Meine Hoffnung wäre, dass gerade bei der Umsetzung der staatlichen Maßnahmen der Blick auf die Kommunen geschärft wird. Wenn beispielsweise Freitag spätabends ohne Vorwarnung neue Vorgaben kommen mit der Bitte, diese bis Montag umzusetzen. Oder wenn in Pressekonferenzen der Staatsregierung neue Maßnahmen verkündet werden, weshalb sich die Bürger bei uns melden, wir die Handlungsanweisung aber noch gar nicht haben. Da läuft es manchmal nicht rund. Ich habe aber auch eine Befürchtung, weil 2023 wieder Landtagswahl ist. Daher hoffe ich sehr, dass die große Politik nicht zu früh in den Wahlkampfmodus verfällt.

Und was erhoffen Sie sich dabei von der neuen Bundesregierung?

Von der Grün: Der Koalitionsvertrag scheint sehr aufschlussreich zu sein. Ich finde es klasse, dass mit Karl Lauterbach nun ein Fachmann Gesundheitsminister ist. Ich hoffe außerdem sehr, dass es die neue Regierung schafft, die Impfstoff-Lager aufzufüllen. Und dass die Notwendigkeit kleiner kommunaler Krankenhäuser auf dem Land in Berlin wieder stärker gesehen wird. Die Pandemie hat gezeigt, dass eine bürgernahe Versorgung wichtig ist. Daher wäre es angebracht, die Krankenhausfinanzierung komplett zu überdenken.

Sie selbst haben im Dezember Ihre dritte Impfung bekommen. Wie haben Sie sie vertragen?

Von der Grün: Sehr gut. Ich habe sie sogar besser vertragen als die beiden davor. Ich kann daher nur an alle Bürger appellieren, sich impfen zu lassen.

Über die Herausforderungen des neuen Jahres haben wir viel gesprochen. Aber auf was freuen Sie sich eigentlich in 2022?

Von der Grün: Da gibt es vieles. Wir sind in den Planungen für das 50-jährige Bestehen des Landkreises und haben drei Veranstaltungen vor. Im ersten Halbjahr ist eine Art Rückblick geplant, da wollen wir die Kreisheimatpfleger einbinden - unter anderem mit einem Vortragsabend in Schrobenhausen. Am 1. Juli, dem eigentlichen Geburtstag, steht ein Festakt an. Der dritte Teil soll als Blick in die Zukunft fungieren, mit einem Schülerwettbewerb rund um die Zukunftsthemen des Landkreises. Da wird sicher der Jugendkreistag eine Rolle spielen, der in diesem Jahr erstmals tagen soll. Auf was ich mich auch freue: dass wir unsere beiden Gymnasien im Landkreis voranbringen werden. In Schrobenhausen steht der nächste Bauabschnitt an. In Neuburg sind mir die weiteren Planungen für die naturwissenschaftlichen Räume wichtig.

DK

Das Gespräch führtenKaren Hanne und Stefan Janda.

Zur Person

Peter von der Grün (49) ist seit Anfang 2019 Landrat des Landkreises Neuburg-Schrobenhausen. Zuvor war der Rechtsanwalt bereits Mitglied des Kreistags und saß im Marktgemeinderat von Rennertshofen. Von der Grün, der in der Gemeinde Waidhofen aufgewachsen ist, lebt mit seiner Frau und den beiden Kindern in Bertoldsheim im nordwestlichen Landkreis.

DK