Nichts für "bildungsferne Schichten"

30.04.2009 | Stand 03.12.2020, 5:00 Uhr

 

Roth (HK) Mit Volker Pispers hat sich die Kulturfabrik einen ganz großen des politischen Kabaretts ins Haus geholt. Vor allem, weil der Auftritt auf der Kippe stand: Extra für Volker Pispers wurde die Spielzeit verlängert.

Wirkt Pispers eigentlich wie der nette Mann von nebenan, mit seinem Vollbart und der gemütlichen Ausstrahlung, so kann er ganz schön vom Leder ziehen. Natürlich vorzugsweise über sein Lieblingsthema, die Politik, bei der nicht erst seit der großen Koalition einiges im Argen ist. Zum Beispiel über die neuen Sprachregelungen der Bundesregierung. Idioten darf man nicht mehr sagen, von "bildungsfernen Schichten" ist neuerdings die Rede. Oder noch besser "Prekariat", dann wissen die so bezeichneten ganz sicher nicht, dass über sie gesprochen wird. "Eigentlich sollte man auch Verarsche sagen und nicht parlamentarische Demokratie", monierte Pispers.

Auch die Zeitung mit den vier großen Buchstaben kommt bei Pispers nicht gut weg. "Wenn man einen Fisch in die BILD-Zeitung einwickelt, beleidigt man den Fisch", ist sich Pispers sicher, und amüsiert sich köstlich über den BILD-Artikel, in dem "unser" Papst in höchsten Tönen gelobt wird, weil er die Güte hatte, 500 gesegnete Eier in das italienische Erdbebengebiet zu schicken.

Früher war alles viel übersichtlicher, ist sich Pispers sicher. "Damals stand der Russe noch vor der Tür." Darauf war wenigstens noch Verlass. Und heute? "Wenn mir vor 20 Jahren jemand gesagt hätte, dass der Russe heute mit der Milchschnitte im Fernsehen ist, den hätte ich für verrückt erklärt", meint Pispers entrüstet und spielt dabei auf den Werbespot der Klitschko-Brüder an. "Bin mal gespannt, für was die Al Kaida in zwanzig Jahren Werbung macht. Ich tippe mal auf Überraschungseier", meint Pispers. Wenn er damals prognostiziert hätte, dass Arnold Schwarzenegger heute Gouverneur von Kalifornien ist, hätte ihm das auch keiner geglaubt. "Ich denke, es wird Zeit, sich wirklich einmal Gedanken über die Karriere von Daniel Küblböck zu machen", so Pispers voller Sorge und weiser Voraussicht.

In den Nachrichten stellt man die Entwicklung der Renten für die nächsten 40 Jahre auf. "Warum machen die nicht auch gleich den Wetterbericht für die nächsten Jahrzehnte", fragt Pispers angesichts der hellseherischen Fähigkeiten manch einer deutschen Behörde.

Auch wenn sein Programm eine deutlich linke Färbung trägt, wie nicht nur die vielen Spitzen auf Kosten der FDP oder auf Hans-Werner Sinn vom ifo-Insitut zeigten, kam auch die SPD nicht besonders gut weg bei Volker Pispers’ Programm "bis neulich", das schon vor Jahren als eine Art "best of" anfing, und inzwischen eine wilde Mischung aus ganz alten und ganz neuen Texten ist. Er habe sich bei Kurt Beck geschämt, dass er über Rudolf Scharping gelacht habe, bekennt er freimütig, und von der "Außeneule" Steinmeier, der "letzten Platzpatrone der SPD", ist er auch nicht besonders angetan.

Jeder bekam sein Fett ab. Sei es der Augsburger Bischof Walter Mixa, mit seiner Angst vor einer "gottlosen Welt", seien es die Ärzte, die seit 18 Jahren angeblich vor sich hin sterben, aber immer noch mit dem Porsche zu ihren Demonstrationen fahren, oder die Medien insgesamt, die aus dem Amoklauf in Winnenden ein mediales Happening der besonderen Art machten. Man kann ihm in fast keinen Punkt widersprechen, und auch wenn an diesen Abend verdammt viel gelacht wurde, sollte man den einen oder anderen Punkt aus Pispers Programm im Hinterkopf behalten, wenn man sich das nächste Mal die Tagesschau zu Gemüte führt.