Ingolstadt
Nicht zu Ende gebracht

FCI verspielt gegen den Club erneut eine Führung - bereits zum siebten Mal in dieser Saison

16.04.2018 | Stand 23.09.2023, 2:56 Uhr
Vergebene Chance: FCI-Stürmer Stefan Kutschke (rechts), der selbst zwei große Tormöglichkeiten verpasst hatte, muntert Almog Cohen nach einem knapp verzogenen Kopfball auf. Für die Schanzer wäre ein Derbysieg gegen den Club möglich gewesen. −Foto: Meyer

Ingolstadt (DK) Zu Hause wieder nicht gewonnen und dennoch von den Anhängern gefeiert - dieses in dieser Saison einmalige Kunststück gelang dem FC Ingolstadt dank eines hochemotionalen und spannenden Derbys gegen den 1. FC Nürnberg.

Beim leistungsgerechten 1:1 wurde aber auch deutlich, was den Schanzern zu einem Spitzenteam fehlt. Bereits kurz nach dem Schlusspfiff war dies auch den FCI-Profis bewusst, die sich sehr selbstkritisch mit der Partie und dem Ergebnis auseinandersetzten. Je nach Position legten sie zuerst ihr Augenmerk auf die vergebenen Chancen oder auf die Defensive, die es zum achten Mal hintereinander nicht geschafft hatte, ohne Gegentor zu bleiben. Am treffendsten fasste wohl Verteidiger Marcel Gaus das Spiel zusammen und spannte dabei einen Bogen über die gesamte Saison. "Wir haben gezeigt, dass wir besser sind oder sein können als die Mannschaften, die ganz oben stehen, aber wir müssen es halt zu Ende bringen", meinte der 28-Jährige. "Wir haben 1:0 geführt und hätten das 2:0 machen können, das ist das elementar Wichtige. Und wir müssen noch gieriger verteidigen und dahinkommen, Spiele, die auf des Messers Schneide stehen, für uns zu entscheiden."

Greift man einige Punkte aus dem Derby exemplarisch heraus, kommt man schnell zu einem Gesamtbild, das den Saisonverlauf und letztlich die Probleme der Schanzer aufzeigt, warum sie es nicht bis an die Spitze schafften.

Führung verspielt: Nach einem zähen, intensiven Ringen fanden die Schanzer mit etwas Glück die Lücke und gingen gegen den Club verdient in Führung, doch es reichte nicht zum Sieg. Siebenmal in dieser Saison gab es dieses Szenario, dass Stefan Leitls Team zu Beginn oder während der Partie einen Vorsprung herausholte - am Ende standen fünf Unentschieden und sogar zwei Niederlagen. Umgekehrt reichte es für den FCI nach einem Rückstand nur zu einem Sieg und zwei Remis. So wird der Unterschied zum Toptrio greifbar: Während Fortuna Düsseldorf (16) und Nürnberg (14) deutlich mehr Siege als die Schanzer (11) einfuhren, kassierte Holstein Kiel (5) wesentlich weniger Niederlagen als die Ingolstädter (10).

Chancenverwertung: Stefan Kutschke redete nicht lange um den heißen Brei herum. "Ich muss das 2:0 machen. Mein Gedanke war, den Torwart zu tunneln. Der Ball ging ihm auch durch die Beine, aber eben nicht rein. Aber diese Eins-gegen-Eins-Situation muss einfach ein Tor sein", sagte der 29-jährige Stürmer, der zuvor bereits eine weitere Großchance vergeben hatte. Während das Spitzentrio mit Marvin Ducksch (Kiel/16 Treffer), Mikael Ishak (Nürnberg/12) und Rouwen Hennings (Düsseldorf/11) einen Mittelstürmer in der Zweitliga-Torjägerliste weit oben platziert hat, liegt das Duo Kutschke/Darío Lezcano mit je sechs Treffern abgeschlagen zurück. Die mangelhafte Effektivität im Abschluss lässt sich zudem statistisch belegen: Während der FCI nach dem SSV Jahn Regensburg (315) und Kiel (305) die drittmeisten Torschüsse (301) abgab, liegt er in der Ausnutzung der Chancen nur auf Rang zwölf.

Kreativität und Tempo: Der FCI ist extrem abhängig von den Ideen und der Form Sonny Kittels. Auch gegen den Club wurde dies wieder sichtbar. Genau dann, als sich der Ausnahmetechniker, der bereits 14 Torvorlagen gab und 9 Treffer selbst erzielte, erstmals der Dauerbeschattung von Ondrej Petrak, Eduard Löwen und Hanno Behrens entziehen konnte und näher als 30 Meter an das Club-Tor herankam, fiel das 1:0. Ansonsten taten sich die Schanzer trotz zahlreicher Rochaden im Angriff schwer, weil auch Thomas Pledl gut abgeschirmt wurde und daher das Tempo im FCI-Spiel fehlte. Die Ingolstädter sind im Vergleich zum Club leichter ausrechenbar. Sowohl mit Behrens und Kevin Möhwald im Mittelfeld als auch den schnellen Außenverteidigern Enrico Valentini und Tim Leibold ist Nürnberg ausgeglichener besetzt.

Robustheit und Kopfballstärke: Auch in diesem Punkt war der 1. FC Nürnberg überlegen. Georg Margreitter und Ewerton standen in der Club-Innenverteidigung wie eine Wand und köpften jeden hohen Ball aus der Gefahrenzone. Selbst der 1,94 Meter lange Kutschke, der sich mit allem, was er hatte, in die Zweikämpfe warf und auch Emotionen schürte ("Ich brauche das für mein Spiel"), konnte sich mit seiner Wucht nicht durchsetzen. Umgekehrt hielten auch Tobias Schröck, der sich als FCI-Innenverteidiger immer besser entwickelt, und Kapitän Marvin Matip der insgesamt passiveren Club-Offensive weitgehend stand. Aber bei den wenigen Standardsituationen wirkten die Nürnberger dennoch gefährlicher und kamen durch Margreitter und Möhwald mehrfach zu Kopfballchancen. Und auch das Club-Mittelfeld mit Petrak, Löwen und Behrens war gegenüber dem FCI-Duo Christian Träsch und Almog Cohen, das aufopferungsvoll kämpfte und ein großes Laufpensum absolvierte, körperlich klar im Vorteil. "Nürnberg hat einen gut zusammengestellten Kader. Sie wissen, was sie für diese Liga brauchen", sagte dazu auch FCI-Trainer Leitl anerkennend.

Fazit: Im direkten Aufeinandertreffen mit dem Tabellenzweiten zeigten die Ingolstädter erneut, dass sie grundsätzlich durchaus mit den Spitzenteams mithalten, sie teilweise sogar dominieren können. Letztlich fehlen aber stets Mosaiksteine, die den ganz großen Erfolg verhindern. In den restlichen vier Spielen wird sich nun zeigen, inwieweit sich die Schanzer nach dem vorentscheidenden Rückschlag im Aufstiegskampf nochmals motivieren und ihre Serie von zuletzt fünf Spielen ohne Niederlage fortsetzen können. "Wir wollen die maximale Punktzahl holen", versprach Gaus, und Trainer Leitl kündigte für das Gastspiel bei Spitzenreiter Fortuna Düsseldorf (Sonntag, 13.30 Uhr) an: "Wir fahren nach Düsseldorf, um zu gewinnen." Ob die Schanzer nach der auch mental kräftezehrenden Saison und dem ständigen Hinterherhecheln der Konkurrenz und den eigenen Erwartungen dafür nochmals die Energie aufbringen, ist jedoch fraglich. Letzten Endes hat seit Sonntagabend die Vorbereitung auf die neue Saison begonnen.

Gottfried Sterner