Passau
"Nicht Ursache, sondern Symptom"

Expertenrunde debattiert die neue US-Politik unter Donald Trump und die Rolle Russlands

16.11.2017 | Stand 02.12.2020, 17:12 Uhr

Passau (DK) "Jennifer Gavito ist eine mutige Frau", lobt Hans-Ulrich Jörges die US-Generalkonsulin. "Wäre sie ein Mann, würde sie heute Terminschwierigkeiten vortäuschen", sagt der Stern-Kolumnist und Moderator der Podiumsdiskussion "America first - Was wird aus dem Rest" über Donald Trumps Statthalterin in München.

Selbstbewusst ist die 42-jährige Diplomatin zu der Veranstaltung der Reihe "Menschen in Europa" ins Passauer Medienzentrum gekommen. Mit dem früheren Außenminister Joschka Fischer und der Russland-Expertin Gabriele Krone-Schmalz liefert sie sich vor 550 Zuhörern ein Streitgespräch über die Folgen der neuen Politik der USA.

Die USA, wie Alexander Kain, stellvertretender Chefredakteur der "Passauer Neuen Presse", zum Thema hinleitet, nutzten ihre Vorherrschaft, um "die Spielregeln der Weltordnung in ihrem Sinne zu ändern". Von Verantwortung für die Mitspieler aber wollten sie nicht mehr viel wissen. "Wir vertreten unseren Präsidenten, egal wer das ist", macht Gavito klar. Seit fast 20 Jahren ist sie für das US-Außenamt im Einsatz. Seit 2015 in Bayern, versucht sie sich nun bereits ein Jahr an der heiklen Mission Trump. Zwar habe der Obama-Nachfolger "nicht so eine diplomatische Art, aber wir dürfen nicht vergessen, dass er demokratisch gewählt ist". Für die US-Beamtin gilt es als wahrscheinlich, dass der Republikaner seine Amtszeit durchhält.

Das Auditorium staunt nicht schlecht, als die Generalkonsulin erklärt, dass sie es "absolut für möglich hält, dass Trump für eine zweite Amtszeit gewählt wird". "Sie kennen die Ost- und die Westküste", wendet sie sich an die Trump-Kritiker im Publikum. Doch in der Mitte der USA, wo die Menschen Trump gewählt hätten, hielten nach einer aktuellen Umfrage der "Washington Post" noch immer fast 100 Prozent seiner Unterstützer zu ihm.

Auch das Verhältnis der USA und Trumps zu Russland nimmt breiten Raum ein. Viele Russen hätten von Trumps Wahl erwartet, dass sich das Verhältnis des Kremls zu Washington bessere, erklärt Krone-Schmalz, die frühere Moskau-Korrespondentin der ARD. "Doch diese Einschätzung ist breiter Enttäuschung gewichen."

Die Gründe für Trumps Wahl gehen über dessen Person hinaus, analysiert Fischer. "Trump ist nicht Ursache, sondern Symptom." Die Mehrheit der US-Bürger lehne die Rolle ihres Landes als globale Führungsmacht in Gestalt von Blut und Finanzen offenbar ab. Mit Trumps Wirtschaftsprotektionismus und der Obsolet-Erklärung der Nato sei hier nun ein Vakuum entstanden. Spitzzüngig sieht der Grüne "große Ironie" darin, dass Trumps Motto "Make America great again" sich nun scheinbar in "Make China great" geändert habe. Wegen dieser Verschiebung hält Krone-Schmalz einen Gipfel Trumps mit Wladimir Putin für wünschenswert. "Doch jeder Kontakt mit Russland wird von der anderen Seite ziemlich schnell kriminalisiert", beklagt sie.

"Mit Putin ist der Geheimdienstler durchgegangen", so Fischer zu den Vorwürfen, Russland habe den US-Wahlkampf beeinflusst. Auch Gavito nimmt die Bedrohung durch russische Propaganda ernst. Und Krone-Schmalz weiß um die vergiftete Grundatmosphäre. "Alles wird öffentlich als propagandabehaftet angesehen." Auch ihr als Autorin vieler Russland-Bücher scheint es so zu gehen. Wenn man versuche, russische Positionen zu erklären, rangiere das fast als Kumpanei. "Wir brauchen ein positives Verhältnis zu Russland", fordert auch die Vertreterin der USA. Fischer bremst. "Ich glaube nicht, dass Russland das Zentrum der Probleme ist." Bald werde China die führende Macht sein.