München (DK) Ein Presslufthammer verdichtet Kies. Das Hämmern wird leiser, wie ein Decrescendo. "So ging das den gesamten gestrigen Tag", sagt eine tiefe, warme Frauenstimme. Sie gehört der Journalistin Larissa Vassilian. Unter ihrem Pseudonym Annik Rubens ist die 31-Jährige die bekannteste Podcasterin Deutschlands.
Angefangen hat Annik vor drei Jahren. "Ich wusste damals nicht einmal, dass es Podcasts gibt", erinnert sie sich. "Ich bin durch Zufall darauf gestoßen, als ich im Internet etwas ganz anderes gesucht habe." Dieser Zufall war der Beginn einer Leidenschaft. Annik las Internetseiten, hörte den Podcast von Adam Curry, einem amerikanisch-niederländischen Radiomoderator, der als einer der Urväter des Podcastings gilt. "Irgendwann dachte ich mir: Das kann so schwer nicht sein." Eines Tages stand ihr erster Bei-trag online, um 4 Uhr morgens.
Freiheit vor dem Mikrofon
Woche für Woche sitzt Annik seitdem in einem Kleiderschrank. Der ist ihr Studio. Laptop, Mikrofon, Spickzettel: Mehr braucht sie nicht. Sie hat keinen Tontechniker, keinen Redakteur. Das Ganze erinnert ein bisschen an einen Piratensender: Radio von unten, ohne Programmchef, Intendant mit Parteibuch oder Chart gläubige Musikredaktion.
Diese Freiheit ist es, was viele Podcaster reizt. Annik ist keine Ausnahme. Vor dem Mikrofon ist sie ihre eigene Chefin. Sie kann sagen, was sie will, wann sie will. "Ich hatte anfangs wahnsinnig viele Geschichten zu erzählen", erinnert sie sich. Es waren Sachen, die ihr im Alltag aufgefallen waren. Doch die Arbeitgeber der jungen Journalistin hatten keinen Platz dafür. "Da hätte ich meine eigene Kolumne gebraucht", sagt Annik. "Beim Podcasten hatte ich dann endlich diese Freiheit."
Es sind oft persönliche Geschichten, Erlebnisse, Episoden, über die sie plaudert. Annik erzählt, wie sie München vom Fahrrad aus einer ganz neuen Perspektive entdeckt. Sie empfiehlt ihren Hörern Bücher wie "The Stars’ Tennis Balls" von Stephen Fry. Sie spricht über Kinofilme: "Ich habe mir neulich einen Streifen angeguckt, da geht es um einen alten Mann mit einem Hut. Der rennt die ganze Zeit rum und hat eine Peitsche dabei." So kann man den Inhalt des aktuellen Indiana-Jones-Films auch zusammenfassen.
Auch die Reaktionen der Hörer faszinieren Annik: "Beim Podcasten stelle ich eine Folge nachts online. Und am nächsten Morgen kommen die ersten E-Mails." Das habe sie "angefixt". Sie finde es schön, Interaktion zu haben. "Zu wissen, für wen man das macht."
Nur wenige private Podcaster sind seit so langer Zeit so regelmäßig aktiv wie die junge Münchnerin. Sie selbst bezeichnet eine Mischung aus "Authentizität, Ausdauer und Regelmäßigkeit" als Grund für ihren Erfolg. Und einen Suchtfaktor, vergleichbar dem einer Fernsehserie. "Ich habe den Eindruck: Für manche Hörer, die lange dabei sind, ist ,Schlaflos in München‘ wie eine Telenovela. Sie wollen einfach wissen, wie es weitergeht."
Persönlich, nicht privat
Dabei verweigert sich Annik in ihrem Podcast den wesentlichen Elementen einer Telenovela: großen Gefühlen wie Liebe, Hass, Glück und Eifersucht. Sie zieht eine klare Grenze bei dem, was sie erzählt: "Ich überlege mir, wenn ich jetzt eine Fünf-Stunden-Bahnfahrt hätte und neben mir würde ein altes Mütterchen sitzen und man käme ins Plaudern, was würde ich ihm erzählen und was nicht." Tabu seien ihre Partnerschaft und Freundschaften. "Ich erzähle gerne persönliche Geschichten, aber keine privaten Geschichten."
Da ist zum Beispiel die Podvela: Annik und Jens-Uwe Krause, ein Radiomoderator und Podcaster aus Bremen, führen einen Dialog in Form von gesprochenen Briefen. Sie diskutieren zum Beispiel die Aufteilung der Hausarbeit zwischen Frau und Mann: "Mein lieber Jens-Uwe: Das ist ja wieder so typisch!", tönt Annik. "Du bringst zwar den Müll runter. Aber es macht dir keinen Spaß, die neue Tüte reinzufriemeln. Meinst du denn, dass uns Frauen irgendwas von diesem Scheiß Spaß macht? Nein. Aber es muss halt gemacht werden." Jens-Uwe wird versuchen, sich bis zur nächsten "Schlaflos in München"-Folge zu rechtfertigen.
Viele Stammhörer sehen in ihr eine Freundin, eine Vertraute. Da bleibt es nicht aus, dass sich Hörer mit persönlichen Problemen an sie wenden: "Es gibt unglaubliche viele einsame Menschen." Die wollten einfach nur mal reden. "Und das ist ein Dienst, den kann man mal leisten." Welche Bedeutung ihr Podcast für einige Hörer hat, wurde Annik klar, als sie eine E-Mail von einer jungen Frau bekam, deren Mann gestorben war. "Sie hat mir geschrieben, dass sie sich durch die regelmäßigen Schlaflos-Folgen einfach mal eine Stunde in der Woche abgelenkt hat." Dass ihr diese Konstanz ein bisschen Halt gegeben habe. "Das finde ich irre. Mit dem bisschen Aufwand, den ich da in meinem Schrank betreibe."
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