Regensburg
Mutig und wichtig

Theater Regensburg inszeniert eine besondere Auseinandersetzung mit Religionen

24.01.2020 | Stand 02.12.2020, 12:07 Uhr
Vier Schauspieler zeigen eine enorme Bandbreite von inneren Konflikten im Stück "The Who and the What" in Regensburg. −Foto: Kaufhold

Regensburg - Es geht um Liebe, eine besondere Vater-Tochter-Beziehung, das Verhältnis zweier Schwestern, um die Frage, was Eltern dürfen und was nicht.

Und: Es geht um die Frage der Religion(en) und inwieweit sie Einfluss auf das menschliche Leben haben sollen.

Am Theater Regensburg hat man sich mit "The Who and the What" von Ayad Akhtar, einem Autor mit pakistanischen Wurzeln aus den USA, an ein besonderes Stück gewagt. Am Samstag, 18. Januar, hat das mutige Stück Premiere im Theater am Haidplatz gefeiert.

"Afzal, ein strenggläubiger Pakistani, ist in den USA bestens integriert. Angefangen hat er als einfacher Taxifahrer, nun gehören ihm 30 Prozent aller Taxis in Atlanta. Der liebevolle Vater wünscht sich nach dem Tod seiner Ehefrau vor allem eines: Seine beiden Töchter sollen den richtigen Mann heiraten. Während bei der jüngeren Mahwish schon seit Jahren ein geeigneter Verlobter in Aussicht ist, verbringt seine ältere Tochter Zarina viel Zeit in der Bibliothek, wo sie an einem geheimnisvollen Buch schreibt und dabei keinen Gedanken an Männer verschwendet.

Da kommt Afzal die Datingplattform Muslimlove. com wie gerufen. Schnell ist ein Fake-Profil seiner störrischen Tochter erstellt und potenzielle Heiratskandidaten werden angeschrieben", so heißt es im Programmheft zu "The Who and the What". So gerne würde der Vater seine Älteste verheiraten. Denn die Zweitgeborene will heiraten, kann das aber erst, wenn die ältere Schwester den Bund fürs Leben eingegangen ist.

Afzal datet den weißen und sehr gläubigen Konvertiten Eli. Der ist völlig überrascht; ein Treffen mit dem Vater einer Internetbekanntschaft hatte er noch nie. Der Plan des Vaters scheint aufzugehen - Zarina trifft den jungen Mann und scheint sich zu verlieben. Es wird geheiratet. Doch dann der Bruch: Durch einen unglücklichen Zufall fällt Afzal Zarinas fertiges Manuskript in die Hände. Die junge Frau hatte lange an diesem Buch geschrieben - über den Propheten und dessen Liebesleben. Das schockiert den strenggläubigen Mann. Er bricht mit seiner Tochter, will sie nie wieder sehen.

Es ist ein Stück voller innerer Zerrissenheit. Nur vier Personen stehen auf der Bühne - Zarina, gespielt von Verena Maria Bauer, Mahwish, gespielt von Inga Behring, Afzal (Gerhard Hermann) und Eli (Philipp Quest). Aber sie schaffen es, die gesamte Bandbreite der inneren Zerrissenheit der Menschen zu verkörpern. Zarina, die ausbrechen will aus der strenggläubigen Familie, die schreiben will, der die Ehe nicht wichtig ist. Mahwish, die ihren Verlobten, mit dem sie trotz Verbots sexuellen Kontakt hat, heiraten möchte, aber Gefühle für einen anderen Mann hat. Eli, der erst spät zum muslimischen Glauben gefunden hat, jetzt aber Vorsteher einer Moschee ist und alles richtig machen will. In Zarina findet er eine Gegenspielerin, die er nach Kräften zu unterstützen versucht. Und Afzal, der als strenggläubiger Mann das Beste für seine beiden Töchter will und doch den Propheten letztlich über alles stellt.

Es ist ein Stück voller Religionskritik. Nicht nur Islamkritik, denn auch das Christentum muss den einen oder anderen Seitenhieb einstecken. Es ist ein Stück über Moralvorstellungen und die Tricks, diese irgendwie zu umgehen, ohne auffällig zu werden. Es ist ein Stück über Familienbande, die durch äußere Einflüsse Schaden nehmen. Es ist ein Stück über Wertvorstellungen und die Flucht daraus. Und es ist ein Stück darüber, dass Wertvorstellungen ganz unterschiedlich sein können und in Konkurrenz treten.

Die Bewertung der Vorstellungen allerdings übernimmt der Mensch - und diese kann ganz unterschiedlich ausfallen. Am Ende lehrt "The Who and the What", dass das Leben mehr ist als Religion. Das Leben besteht aus vielen Facetten - selbst der strenggläubigste Mensch gerät irgendwann an seine Grenzen.

Das kann uns verzweifeln lassen, so wie Afzal, der sich am Ende zumindest wünscht, dass das ungeborene Kind Zarinas ein Junge wird. "Es wird ein Mädchen! ", sagt seine Tochter und mit diesen Worten fällt der der Vorhang.

uhi