Eichstätt (max) Mit einem ergreifenden wie auch äußerst anspruchsvollen Passionsprogramm stimmte das Vokalensemble "Crescendo" unter Leitung von Volker Hagemann in der Erlöserkirche in Eichstätt auf die Karwoche ein.
Wenn auch die Programmatik des konzertgebenden Titels - "Tenebrae", "Dunkelheit" - eher auf düstere und trübe Musik hindeutete, so war das Chorkonzert des 27-köpfigen Ensembles alles andere als finster. Der studierte Schulmusiker Volker Hagemann hatte sich für eine Mischung der Vertonungen der Kar-Responsorien von Tomás Luis de Victoria (1548 - 1611) und Carlo Gesualdo (1566 - 1613) sowie drei Sätzen der doppelchörigen Messe von Frank Martin (1890 - 1974) entschieden und diese durch Antonio Lottis (1667 - 1740) "Cruzifixus" und Pawel Åukaszewskis (geboren 1968) "Nunc dimittis" ergänzt.
Traditionell wurde diese Tenebrae-Mette in den Nächten zu Gründonnerstag, Karfreitag und Karsamstag gehalten. Dem entsprechend chronologisch in der Abfolge der Leidensgeschichte schritt auch das Konzertprogramm voran. Nach dem Kyrie aus einem der klangschönsten geistlichen A-cappella-Chorwerke des 20. Jahrhunderts folgte mit Gesualdos "Tristis est anima mea" die Darstellung der Vision Jesu, wie er am Ölberg seine Gefangennahme und seinen Tod vorhersieht. Die oft unerwarteten Harmoniewechsel und ausdrucksstarken chromatischen Reibungen, die kompositorisch an das Leiden Jesu erinnern und ein Markenzeichen der Musik von Gesulado sind, bewältigte der in den Männerstimmen sehr stark aufgestellte Chor exzellent. Fast schon moderat erklangen die Vertonungen von Luis des Victoria. "Eram quasi agnus innocens" ("Ich war wie ein unschuldiges Lamm") wirkte auch musikalisch im Gegensatz dazu schlicht und einfach, wobei der Chor durch glockenrein schwebende Töne in den Frauenstimmen ohne forciertes Vibrato zu überzeugen wusste.
Es folgte das Karfreitagsresponsorium "Tenebrae factae sunt" ("Es wurde Finsternis, als die Juden Jesus gekreuzigt hatten"), sowohl von Gesualdo als auch von Victoria, womit rein textlich das düsterste Kapitel des Evangeliums und des Kirchenjahrs thematisiert ist. Die alte Musik trägt dem Mitleiden mit dem Kreuzweg Jesu durch affektiv geladene, bisweilen auch dramatische Wendungen Rechnung, die der Chor makellos und aus einem Guss bewältigte. Dennoch wirkte die Musik nicht depressiv. Alle Einzelstimmen sind in einen harmonischen Gesamtfluss eingebettet, der in der Finsternis des irdischen Leids förmlich die Sonne aufgehen lässt. Bevor der Chor ins große finale Credo aus der Martin-Messe einmündete, stimmte er mit "Nunc dimittis" - aus der Feder des polnischen Komponisten Pawel Lukaszweski stammend - in den Lobgesang des Simeon ein, der kurz vor seinem Tod im neugeborenen Jesuskind die Rettung aller Menschen erkennt. Das vom gänzlichen Verzicht auf melodische Linien und dem Fokus auf aufeinander folgende Klänge durchkomponierte Stück meisterte Crescendo erneut eindrucksvoll.
Ein Liegeton, der durch fast das ganze Stück hindurch gehalten wird, wurde von einem kleinen Solistenquartett ausgeführt. Der Rest des Chors sorgte für die homophone Darbietung des Textes, erkundete Harmonien und Dissonanzen, welche den Liegeton einschließen. Nach einer Weile löst sich der Ton in etwas auf, das wie eine gelegentliche geistliche Äußerung des Soloquartetts wirkte. Währenddessen sang der Chor eine sich dauernd wiederholende Reihe von Akkorden, die mit jeder Wiederholung schwächer werden - bis hin zu einem letzten Aushauchen. "Nunc dimittis" als Vorbote der Sterbens und Leidens Jesu am Kreuz.
Der Chor unterstrich damit seine Vielseitigkeit, indem er sich auch neuer beziehungsweise aktueller Chormusik verschrieben hat und diese meisterhaft zu Gehör bringen kann.
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