Ingolstadt
Mrs. Wormwood spielt Posaune

Requisiten und Rituale: Die Ingolstädter Theatergalerie zeigt Objekte von Wolfgang Stehle

18.12.2016 | Stand 02.12.2020, 18:54 Uhr

Foto: Stefan Eberl

Ingolstadt (DK) Ein bisschen ist dieses Ausstellung wie Rätselraten. Da trägt etwa eine hoch aufragende Skulptur den Titel "Diesel". Von der dunklen Flüssigkeit allerdings findet sich weit und breit keine Spur. Man muss schon eine Weile genau hinsehen, bis man den Bretterverschlag, als das erkennt, was möglicherweise von dem Münchner Künstler Wolfgang Stehle gemeint war: eine Art Ölförderturm. Die hölzernen Wände wirken wie große herabrinnende, schwarze Tropfen, im Inneren hängt ein Seil mit einer Schlinge anstelle eines Förderrohrs. Und der obere Rand ist mit hellem Fell ausgekleidet - vielleicht eine Anspielung auf den Wüstensand.

Wolfgang Stehle, dessen Werke derzeit vom Kunstverein Ingolstadt in der Theatergalerie präsentiert werden, sind irritierend, sie verunsichern, machen nachdenklich. Denn die Dinge sind nicht das, was sie scheinen. Die Objekte stellen etwas dar, aber mit ungewohnten Mitteln, in einem schrägen Kontext. Alltagsgegenstände erscheinen plötzlich in einem neuen Licht, die spezifische Situation verleiht ihnen auf einmal unerwartete Bedeutungsebenen.

Ein anderes Objekt hat Wolfgang Stehle "Brettwurz" genannt. Das erinnert an die Brettwurzeln der tropischen Baumriesen. Wie ein weit ausgebreitetes Wurzelgebilde sieht auch Stehles Kunstwerk ein wenig aus - und sagt doch noch viel mehr. Auf den ersten Blick ist eine Art Hütte ohne Fenster und Eingang zu erkennen. Aber die locker verbundenen Hölzer lassen Lücken frei, und die wirken wie liegende Bäume. Kein lebendiges Wurzelgebilde ist zu sehen, sondern ein gefällter Wald, verkantet und verkeilt zu einer seltsamen, unnützen Behausung.

Gelegentlich verwendet Stehle geradezu irritierendes Material. Da steht inmitten des Ausstellungsraums eine "Fleischbank", zu sehen ist allerdings nur eine aufgerissene, halb zersplitterte Holzplatte. Die herausragenden Holzstücke wirken fast wie blutige Fleischstücke, während in dem Holzstück eine Wunde zu klaffen scheint.

In einer primitiven Behausung ist ein Video mit um ein Feuer tanzenden Menschen zu sehen. Und an der Kopfseite des Ausstellungsraums sind unzählige Köpfe und Figuren wie eine archaische Trophäensammlung aufgehängt. An den tierartigen Köpfen ragen geweihartige Stangen heraus. Die Skulpturen heißen dann "Bambiweh" oder "Hornblower".

Stehles Umgang mit den Ritualen und Requisiten unserer Zivilisation ist stets ironisch gebrochen. Da sieht man etwa eine Drahtfigur mit dem Titel "Mrs. Wormwood". In der Tat scheint das Gebilde menschliche Gliedmaßen zu besitzen, Arme, Beine, und vielleicht sogar eine Art Posaune. Der Bezug zur Musik ist nicht abwegig, schließlich existiert eine schwedische Black-Metal-Band mit dem Namen "Wormwood".

Die Bezüge in Stehles Kunst sind vielfältig. Die Werke sind etwas und doch auch wieder ganz anders. Vor allem sind sie niemals eindeutig wie Tag oder Nacht. Vielleicht lautet daher der Titel der Ausstellung "Tagundnachtgleiche".

Galerie im Stadttheater. Die Ausstellung läuft bis 21. Januar. Öffnungszeiten: Freitag, Samstag, Sonntag, Feiertage, 12 bis 18 Uhr. Geschlossen: 23., 24., 25. und 31. Dezember, 1. Januar.