Pfaffenhofen - Dass Mitarbeiter des Landratsamts von Antragstellern kein Dankeschön bekommen, sind sie gewohnt, erst recht dann, wenn sie negative Bescheide erteilen. Mit dem Tod bedroht werden sie eher selten. Als einer der Sachbearbeiter einem 25-jährigen Flüchtling erklärte, dass ein Darlehen für Mietzahlung zurückgezahlt werden muss und er ihm, weil er ausfallend wurde, Hausverbot erteilt, rastete der aus: "Ich leg euch um", soll er im Eingangsbereich der Behörde gerufen haben. Landrat Albert Gürtner zeigte ihn an. Das Amtsgericht allerdings ließ die Anklage wegen Bedrohung fallen und verurteilte ihn lediglich wegen Hausfriedensbruchs.
Amar P. (Name geändert) sieht sich völlig zu Unrecht von der Justiz verfolgt. Er hatte einen Strafbefehl bekommen, gegen den er Einspruch eingelegt hatte: alles falsch. An jenem Montagmorgen im vergangenen Oktober hatte er einen Landsmann aus Vorderasien zum Pfaffenhofener Jobcenter begleitet. Amar P. lebt in München in einer WG, er spricht fließend Deutsch und bot sich dem Bekannten, der körperlich beeinträchtigt ist, als Übersetzer an. "Ich wollte nur Gutes tun", sagt Amar P. Es ging um ein Mietdarlehen, das der Bekannte zurückzahlen sollte. "Aber der hat kein Geld", erbost sich der 25-Jährige, und in München müsse man solche Darlehen auch nicht zurückzahlen. Deshalb sei er mit seinem Bekannten rüber zum Landratsamt; spontan, einen Termin hatte er nicht.
Aber da habe man ihn abblitzen lassen. Mehr noch: Er sei beleidigt worden. "Sie sind nur ein kleiner Flüchtling", habe ihm der Mitarbeiter erklärt, gegen einen Beamten wie ihn habe er ohnehin keine Chance. Er könne ihn jederzeit in seinen Herkunftsstaat zurückschicken. Zur Bekräftigung dieser Aussage legt der 25-Jährige nach: Die herbeigerufenen Polizisten hätten ihm gesagt, mit "denen" von der Behörde könne man sowieso nicht diskutieren, "das sind doch alles A ?". Und dann habe ihm einer der Polizisten auch noch einen Rat gegeben: Den Mitarbeiter des Landratsamts dürfe er, von wegen "kleiner Flüchtling", nicht anzeigen, weil der ein Beamter ist.
Amtsrichterin Katharina Laudien unterbricht den Angeklagten: "Herr P., Sie müssen zur Sache nichts aussagen, aber wenn Sie etwas sagen, muss das der Wahrheit entsprechen." Das ist die Wahrheit, behauptet der Angeklagte. "Wir Flüchtlinge haben doch sowieso keine Rechte."
Der Mitarbeiter ist als Zeuge geladen und kann sich deutlich an den Vorfall erinnern. Was ihm der Angeklagte da vorwirft, das habe er nicht gesagt, vielmehr habe Amar P. erklärt: "Wir bleiben solange hier, bis die Sache geklärt ist." Daraufhin habe er ihn aufgefordert zu gehen, erfolglos. Deshalb habe er die Polizei gerufen. Als die eintraf, sei der Bekannte des Angeklagten plötzlich zu Boden gefallen, "es sah aus wie ein epileptischer Anfall". Der herbeigerufene Notarzt habe ihn versorgt. Amar P. sei dennoch aufgebraust: Wenn seinem Bekannten irgendetwas passiere, "dann leg ich euch um", habe er angekündigt. Ob er sich bedroht gefühlt habe, fragt die Richterin. "Nein", erwidert der Mitarbeiter.
"Das habe ich auch nicht gesagt", beharrt der Angeklagte. Die Richterin versucht, den Ball flach zu halten. "Ich bin nicht Ihre Verteidigerin", sagt Laudien, "aber es kann doch sein, dass Ihnen das in der Erregung herausgerutscht ist." "Ich sag sowas nicht", beharrt Amar P.. Die Richterin bleibt entgegenkommend: "Wir wollen Ihnen dich nichts Böses." Man könne das Verfahren abkürzen: Er habe sich ungerecht behandelt gefühlt, sein Bekannter sei zu Boden gefallen, und da habe er das in der Aufregung möglicherweise gesagt. Amar ist hartnäckig: Das habe er nicht gesagt.
Im Zuschauerraum werden zwei junge Frauen, die ihn zur Verhandlung begleitet haben, unruhig. Im Gegensatz zum Angeklagten erkennen sie, dass ihm die Richterin eine goldene Brücke bauen will. Sie nicken ihm aufmunternd zu. Amar schaut sie irritiert an, die Frauen gestikulieren. "Vielleicht ist mir das ja rausgerutscht", sagt er jetzt.
Die Staatsanwältin lenkt ein. Sie lässt die Anklage wegen Bedrohung fallen. Dafür könne er sich beim Zeugen bedanken, der erklärt habe, die Drohung nicht ernst genommen zu haben. Die Richterin verurteilt ihn wegen Hausfriedensbruchs zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu 15 Euro. Und das auch nur deshalb, weil er nur einen Monat vor diesem Vorfall schon einmal wegen Beleidigung vom Münchner Amtsgericht bestraft worden ist - andernfalls hätte sie das Verfahren eingestellt.
Wie es scheint, hat Amar P. an diesem Vormittag gelernt, dass sein Mantra "wir Flüchtlinge haben keine Rechte" falsch ist. Er nimmt das Urteil an - und bedankt sich sogar dafür.
PK
Albert Herchenbach
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