Ingolstadt
Mit scharfen Waffen

In der neuen und 2,8 Millionen Euro teuren Raumschießanlage trainieren Polizisten realitätsnah

22.05.2017 | Stand 02.12.2020, 18:05 Uhr

Eine Zielscheibe als Erinnerungsstück: Für die Übergabe des Gebäudes stellten sich Hans-Peter Kammerer (Präsidialbüro Oberbayern-Nord), Landtagsabgeordnete Tanja Schorer-Dremel, Innenstaatssekretär Gerhard Eck, Polizeipräsident Günter Gietl und Oberbürgermeister Christian Lösel (von links) auf.

Ingolstadt (DK) Scharfe Schüsse im Ingolstädter Nordosten: Gestern wurde die neue Raumschießanlage als "modernste der Bayerischen Polizei" an das hiesige Präsidium Oberbayern-Nord übergeben. Beamte aus der ganzen Region trainieren darin mit scharfen Waffen so realitätsnah wie möglich.

Schon während der ganzen Reden konnten die Besucher immer wieder am eigenen Leib erfahren, worum es hier wirklich ging: Ein kurzer Knall vom Band ertönte über die Lautsprecher in dem gut 25 Meter großen Raum; wie von Geisterhand inszeniert. Das war noch vor dem offiziellen Startschuss, den Innenstaatssekretär Gerhard Eck (CSU) gab. Er hatte vor eineinhalb Jahren schon den Spatenstisch für die 2,8 Millionen Euro teure Anlage gesetzt, gestern nun durfte der Unterfranke als Erster mit einer Laserschusswaffe auf das Übungsziel an der Wand anlegen. Als Jäger bewies er Zielgenauigkeit und versenkte fast alle Treffer in der Mitte.

So spielerisch wie gestern geht das ab sofort natürlich nicht mehr zu. Die Raumschießanlage wird hochprofessionell für das "Polizeiliche Einsatztraining" (PE) genutzt, das selbstverständlich die Dienstwaffe umfasst. "Die Gewalt gegen Polizei und andere Blaulichtinstitutionen ist schier unglaublich", sagte Eck, der die Ausbildung als so realistisch wie möglich pries. Mit moderner Technik werden interaktive Situationen auf der Leinwand am Ende der 26 Meter langen Schießbahn eingespielt. "Wir können nicht nur auf Scheiben schießen. Man muss das Einsatzverhalten regelmäßig üben", sagte der Innenstaatssekretär.

In dem Gebäude an der Regensburger Straße wird scharf geschossen. Rund 800 Polizisten aus den Dienstellen der Region 10 (Beilngries, Eichstätt, Neuburg, Schrobenhausen, Pfaffenhofen, Geisenfeld und natürlich Ingolstadt) kommen viermal im Jahr zum PE-Training in die Stadt, dreimal davon sollen sie schießen. Jeder Polizist soll dann auf 150 scharfe Schüsse mit der eigenen Dienstwaffe oder einer Maschinenpistole kommen.

Auch wenn sich die Polizei intensivst auf den Ernstfall vorbereitet, der "Schusswaffengebrauch" - wie er im Dienstdeutsch heißt - kommt im Einsatz eher selten. Zwar zählte man im Präsidium Oberbayern-Nord, das bis zum Starnberger See reicht, im vergangenen Jahr 262 Fälle. "Aber da waren nur zwei dabei, bei denen nicht Tiere getötet wurden", berichtete Polizeipräsident Günter Gietl. Meistens drücken Beamte ab, um schwer verletztes Wild nach einem Verkehrsunfall von seinem Leid zu erlösen. Die zwei angesprochenen Schüsse im Einsatz waren laut Gietl erstens ein Warnschuss bei einem Einbruchsfall und zweitens ein Fall im Juli 2016 in Ingolstadt. Damals schoss ein Polizist einen offenbar psychisch kranken Angreifer nieder, der sich mit Pfefferspray nicht hatte außer Gefecht setzenlassen.

Damals mussten die Polizisten in eine Wohnung eindringen, weil der Mann anscheinend gedroht hatte, sich mit Benzin zu übergießen. Solche Zugriffsszenarien werden im Nachbarshaus der Raumschießanlage an der Regensburger Straße direkt neben der Verkehrspolizei geübt. Beide Komplexe so nah zusammenzuhaben, sei perfekt. "Wir haben jetzt optimale Bedingungen", sagte Präsident Gietl.

In einem Punkt gibt es aber noch anhaltenden Nachbesserungsbedarf: das Personal. "Das wäre unser dringlichstes Anliegen, dass sie Ingolstadt und die Region weiter mit genügend Planstellen ausstatten", sagte OB Christian Lösel an den Innenstaatssekretär - einen Parteikollegen - gerichtet. Der Rathauschef hatte sich gestern trotz eines vollen Terminkalenders den Besuch bei der Polizei genau wegen dieser öffentlichkeitswirksamen Forderung nicht nehmen lassen.

"Unser Haus braucht viel, viel Geld", antwortete Eck mit Blick auf das Ministerium, das auch für den Verkehr und andere Aufgaben zuständig sei. Den Etat genehmige der Landtag - heißt: Die Politik müsse in erster Linie handeln.

Die 2,8 Millionen Euro für die durchdachte Raumschießanlage sind bestens angelegt. Die Nachbarn an der Regensburger Straße müssen sich nicht sorgen. Nach außen dringt dank Lärmschutz kein Ton von einem Schuss. Und die Abluftanlage im Inneren lässt auch die Polizisten keinen Pulverdampf einatmen.