Ingolstadt
Mit großer Geste

Festkonzert zur 30-jährigen Partnerschaft zwischen Bayern und Shandong

26.10.2017 | Stand 02.12.2020, 17:18 Uhr

Chinesische Akrobatik: Auf der kleinen Bühne des Kulturzentrums neun tanzt Haoran Feng. - Foto: Weinretter

Ingolstadt (DK) Jubiläen können eine schwere Bürde sein. Man muss feiern und dabei möglichst allen Anforderungen des Anlasses gerecht werden, was ein echtes Problem darstellen kann. Im Kulturzentrum neun wurde am Mittwochabend der 30-jährigen Partnerschaft zwischen der chinesischen Provinz Shandong und dem 8200 Kilometer entfernten Freistaat Bayern gedacht.

Das Konzert - veranstaltet von den Konfuzius-Instituten in München und Ingolstadt und gefördert von der Staatsregierung - sollte dabei natürlich möglichst das Verbindende zwischen den beiden Weltgegenden hervorheben. Aber was verbindet den Freistaat mit der Provinz am Gelben Meer?

Dem Deutschen Direktor des Konfuzius-Instituts Ingolstadt, Peter Augsdörfer, fielen in seiner Eröffnungsrede dazu ein paar Aspekte ein - etwa die Tatsache, dass Shandong ähnlich wie Bayern für seinen gegorenen Gerstensaft berühmt ist, denn dort, genauer gesagt in der Stadt Qingdao wird das Bier Tsingtao gebraut. Die Stadt war zudem Anfang des 20. Jahrhunderts eine deutsche Kolonie. Aber all das bietet wenig Stoff für ein Konzert. Gemeinsamkeiten der musikalischen Tradition sind tatsächlich schwer zu finden. Die stilistischen Entwicklungen verliefen weitgehend unabhängig voneinander. Erst in jüngster Vergangenheit kam es zu einer Annäherung, in China gibt es heute viele begeisterte Fans der klassischen Musik und erstaunliche Talente wie den Pianisten Lang Lang. Der Einfluss in umgekehrte Richtung ist dagegen weit geringer, klassische chinesische Musik fristet hier immer noch ein Schattendasein.

Der Zusammenhang zwischen China und Deutschland wurde daher an diesem Abend unter dem Titel "Himmelszelt" besonders durch die Interpreten und Instrumente hergestellt. Das Ensemble Sonor wurde mit Musikstudenten aus Shangdon und München besetzt. Gespielt wurde hingegen fast durchweg europäische Musik. Aus China waren zwei Tänzer angereist, die zu Klängen aus der Konserve Ballett-Darbietungen zeigten. Die Virtuosin Xiaoyuan Bao spielte zudem ein chinesisches Instrumentalstück auf der zitherartigen Guzheng und bekam dafür den meisten Beifall an diesem Abend.

Auf dem Programm standen außerdem zwei Uraufführungen des jungen Münchner Dirigenten, Cellisten und Komponisten Hans-Henning Ginzel, der auch als Orchesterleiter und sehr eloquenter Moderator den Abend gestaltete. Obwohl Ginzel einige chinesische Instrumente einsetzte wie die Guzheng und klassische chinesische Dichtkunst vertonte, stand seine Musik ganz und gar in der Tradition der europäischen atonalen Moderne. Dabei verbreiteten die beiden groß besetzten Stücke durchaus dem Anlass angemessenes Pathos. Bei "Gefallene Blüten" für Chor, Orchester und Altstimme (Lorena Madrid) begeisterte der letzte Satz mit seiner atmosphärisch dichten Schilderung von dahinfegendem Wind und der Trauer über die verflossene Jugendzeit, mit einem plötzlichen Ausbruch ins Dur aus einer verzweifelt kreisenden Melodik heraus und dem Zurücksinken in kalt rauschende Depression. Das war packende Musik.

Wie problematisch die Pflicht zur Jubiläumsfeier hingegen sein kann, zeigte sich besonders bei den klassischen Werken. Mendelssohns "Hebridenouvertüre\", Mozarts Kopfsatz der großen g-Moll-Sinfonie oder Sätze aus Griegs "Holberg-Suite" in so kleiner und ungünstiger Streicherbesetzung zu spielen, ist eigentlich sträflich. Doppelt besetzte Geigen oder Bratschen klingen fast immer mickrig und unsauber, gegen die zahlreichen Bläser können die neun Musiker sich kaum behaupten, zumal wenn das Belüftungssystem in der Halle neun nervtötend rauscht. So blieb es bei der großen völkerverständigenden Geste - mit eher geringer musikalischer Ausbeute.