Schrobenhausen
Menschen aus fast 60 verschiedenen Nationen in einer Stadt

Verein Offene Türen sieht entspanntes Klima in Schrobenhausen - Neue Idee: Gemeinsames "Spiel ohne Grenzen"

17.08.2018 | Stand 23.09.2023, 4:25 Uhr |
Joachim Siegl und Katrin Pfeiffer vom Verein "Offene Türen - Internationaler Treff e.V." würden sich über neue Mitglieder freuen: "Was man braucht, ist ein Herz für Menschen, Spaß am Engagement und Verständnis für Demokratie", sind sich beide einig. − Foto: Foto: Budke

Schrobenhausen (SZ) Dass es in deutschen Städten an jeder Ecke ein italienisches Restaurant gibt, gehört zum gewohnten Bild.

Sollten Besucher oder Einheimische in Schrobenhausen mal Appetit auf einen türkischen Döner haben, gibt es auch in dem Fall die berühmte "Qual der Wahl".

Markiert man ungefähr den Mittelpunkt der Stadt innerhalb des Walls, dann können Hungrige sich drehen und wenden wie sie wollen: Innerhalb weniger Schritte lässt sich ein türkischer Imbiss erreichen. Und auch im mit dem Rad erreichbaren Umfeld außerhalb des Walls gibt es weitere Döner-Läden. Täuscht der Eindruck oder ist die Dichte, relativ zur Stadtgröße mit kaum 17.000 Einwohnern gesehen, eher hoch? Joachim Siegl, Vorsitzender des Vereins "Offene Türen - Internationaler Treff" zögert keinen Moment: "Wir haben eine Quote von zirka zehn Prozent Türken und Türkinnen in Schrobenhausen. " Diese Zahl umfasst nur die Bürger, die einen türkischen Pass haben. "Wie viele darüber hinaus türkische Wurzeln und inzwischen einen deutschen Pass haben, das kann ich gar nicht schätzen", meint Siegl, denn das sei ja auch in keiner Statistik des Einwohnermeldeamtes erfasst. Mit Italienern und Türken leben in Schrobenhausen Menschen aus nahezu 60 Nationalitäten, zum Beispiel aus den Staaten Ex-Jugoslawiens, aus Finnland, Schweden, Peru, aus Kanada und "auch absolute Exoten - aus Österreich", fügt der Vereinsvorsitzende und Kenner der Szene schmunzelnd hinzu.

Der Ausländeranteil sei schon eher ungewöhnlich, wenn man mit ähnlichen Kleinstädten in der Region vergleiche. Joachim Siegl nennt Gründe dafür und ist überzeugt, die ausländischen Bürger hatten erheblichen Anteil an der Stadtwerdung Schrobenhausens. Ende des 19. Jahrhunderts sei durch die Gründung der Firma Leinfelder wohl "der erste Schwung" in den Ort gekommen, die zweite Welle dann in der Nachkriegszeit: "Mühlried und die Platte, das sind ursprünglich Flüchtlingssiedlungen. " Heute sei der Ausländeranteil so hoch, weil die Firmen Leipa und Bauer in den 70er-Jahren bei den Anwerbewellen mitgemacht hätten. Aktuell kämen wohl durch die MBDA einige Mitarbeiter aus der ganzen Welt nach Schrobenhausen. Das Klima in der Stadt zwischen Einheimischen und den fremden Nationen sieht Siegl als relativ entspannt: "Die Schrobenhausener haben ein gerütteltes Maß an Toleranz! ". Trotzdem haben er und einige andere Bürger Anfang der 90er-Jahre "keine Lust darauf gehabt, dass hier so etwas passiert wie die Anschläge in Mölln. " Aus dieser Motivation heraus entstand der Verein "Offene Türen": Begegnung sei das Entscheidende: "Wen ich kenne, den mag ich vielleicht oder auch nicht, aber ich hasse ihn nicht, er ist kein Feind", ist Siegl überzeugt. So habe der Verein von 1992 bis 2003 immer Ende April ein Kinderfest veranstaltet mit der Erwartung, dass Eltern mit Kindern kommen und darüber ein Austausch bei Kaffee und Kuchen über Nationalitätsgrenzen hinaus stattfände. Das funktionierte zunächst sehr gut, als aber zuletzt nur die Kinder "abgeliefert" wurden, wurde auch das Fest eingestellt.

Nach dem enorm aufwändigen "Fest der Kulturen" in 2007, bei dem sich 15 Nationalitäten im Pflegschloss-Garten vorstellten, seien die Vereinsverantwortlichen erschöpft gewesen, Ressourcen hätten gefehlt und die Vereinsarbeit sei - bis auf das "Kino für Toleranz" - weitgehend eingeschlafen. Als aber dann in 2014 ProBayern zu einer Demonstration gegen die Moschee-Pläne der örtlichen Ditib-Gemeinde aufgerufen habe, wurde der Verein blitzartig reaktiviert und stampfte im Handumdrehen die Aktion "SOB ist bunt" aus dem Boden. Zwar glückte die geplante Menschenkette rund um den Stadtwall nicht ganz, aber Schulen, Vereine und Bürger machten engagiert mit und setzten ein buntes Zeichen gegen die ProBayern-Gesinnung. Seitdem engagieren die Offenen Türen sich wieder verstärkt in Schrobenhausen, zum Beispiel hinsichtlich der Flüchtlinge im Containerdorf. Siegl sieht viel guten Willen im Stadtrat und in der Verwaltung, aber es hake bei der praktischen Umsetzung von Ideen. Die Beisitzende Katrin Pfeiffer meint: "Es fehlt jemand, der die Ehrenamtlichen praktisch unterstützt und anleitet. " Sie ist selbst noch nicht so lang bei den "Offenen Türen" dabei, hat aber zusammen mit Siegl schon eine Idee für die Zukunft: "SOB kickt bunt" werde es nicht mehr geben, da sei der sportliche Ehrgeiz leider in den Vordergrund gerückt. Deshalb soll im kommenden Sommer eine Art "Spiel ohne Grenzen" stattfinden. "Dafür suchen wir noch Kooperationspartner zur Entwicklung, Mitarbeit und zum Sponsoring", richtet Pfeiffer einen Aufruf an alle Schrobenhausener. "Toll wäre, wenn Menschen aus anderen Nationen Spiele aus ihren Heimatländern einbringen. " Und wer weiß: Vielleicht kreiert zu dieser Gelegenheit ein begabter Koch als kulinarisches Zeichen der Zusammengehörigkeit einen Spargel-Döner.
 

Heidrun Budke

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