Aichach
Mehr Zug zum Zug

"Vernetzte Mobilität": Zugang zum Aichacher Bahnhof soll verbessert werden

14.05.2018 | Stand 23.09.2023, 3:13 Uhr
Fast Symbolcharakter hat dieses Bild. Die derzeitige schlechte Erreichbarkeit des Aichacher Bahnhofs liegt an den Bauarbeiten für den neuen Kreisverkehr an der Einmündung der Bahnhofstraße in die Franz-Beck-Straße, doch auch ohne gibt es durchaus Verbesserungsbedarf. Insbesondere Fußgänger und Radlfahrer haben es nicht leicht, gefahrlos zum Zug zu kommen. −Foto: Foto: Robert Edler

Aichach (SZ) Rund 1000 Fahrgäste pro Tag nutzen den Aichacher Bahnhof. Um ihnen das "Bahnfahrer-Leben" zu erleichtern und zusätzliche Potenziale zu mobilisieren, soll der Zugang zur Bahn verbessert werden, er soll quasi mehr Zug bekommen. Eine Expertenrunde hat dazu ein Fünf-Punkte-Programm geschnürt. Die Liste reicht von einer dynamischen Infotafel bis zum barrierefreien Ausbau der Bahnsteige.

"Ich hoffe, dass der Freistaat nicht nur schöne Projekte anschiebt, sondern auch Finanzmittel zur Umsetzung zur Verfügung stellt", erklärte Aichachs Bürgermeister Klaus Habermann im Anschluss an einen Workshop im Sitzungssaal des Verwaltungsgebäudes. Dass der kurz nach dem tragischen Zugunglück über die Bühne ging, war so freilich nicht geplant. Man habe natürlich überlegt, den langfristig angesetzten Termin abzublasen, angesichts des großen Teilnehmerkreises dann aber doch daran festgehalten. Rund 20 Vertreter von Bauamt, Augsburger Verkehrsverbund, DB Bahn und dem Fahrgastverband Pro Bahn, Polizei, Bahnhofsmanagement oder auch Seniorenbeirat und dem Stadtrat waren mit von der Partie.

Wie mehrfach berichtet, untersuchte die Professur für Siedlungsstruktur und Verkehrsplanung der Technischen Universität München (TUM) im Rahmen des Pilotprojekts "Zugang zur Bahn" der Obersten Baubehörden die fußläufige Erreichbarkeit des Bahnhofs in Aichach. Die Paarstadt wurde neben Bad Neustadt an der Saale, Freilassing, Hilpoltstein und Landshut als eine von fünf Kommunen in ganz Bayern ausgewählt. Experten begingen die Strecke, auch eine Befragung der Fahrgäste wurde durchgeführt. Die Problembereiche sind im Grunde altbekannt: Die Fußgängerunterführung direkt am Bahnhof nach Algertshausen ist eng, finster und schmutzig. Die vorhandenen Radlständer sind überfüllt, vor allem zu den Stoßzeiten herrscht vor dem Bahnhof dichtes Verkehrsgewusel mit unübersichtlicher Gefahrenlage für Fußgänger und Radler.

Über die Hälfte aller Bahnfahrer kommt zu Fuß (31 Prozent) oder mit dem Drahtesel (26 Prozent). Ein Drittel kommt selbst mit dem Auto und nutzt den Park-and-Ride-Platz (20 Prozent) oder lässt sich mit dem Wagen bringen beziehungsweise abholen (zwölf Prozent). Lediglich sieben Prozent kommen mit dem Bus. Hier sehen die Experten in jedem Fall Handlungsbedarf. Überhaupt ist Professor Gebhard Wulfhorst, Projektleiter von der TU München, überzeugt, dass Aichachs Bahnhof noch Wachstumspotenzial hat - unter anderem im Bereich Einkaufen und Tourismus.

Was den öffentlichen Nahverkehr angeht, so will man versuchen, den Busfahrplan besser an die Bahnverbindungen anzupassen. Und: Bis dato halten die Busse an verschiedenen Stellen im Bahnhofsbereich, die Fahrgäste wissen oftmals nicht, wohin sie müssen. Eine dynamische Infotafel, auf der unter anderem die Anschlusszüge beziehungsweise Buspläne angezeigt werden, soll den Komfort verbessern.

Dass die Abstellfläche für die Fahrräder nicht ausreicht, ist nicht neu. An Ausbauplänen - im Gespräch ist unter anderem ein "Doppeldecker"-Radlständer, wie man sie aus den Niederlanden kennt und wie er am Bahnhof in Altomünster bereits aufgestellt wurde - wird derzeit gearbeitet, möglicherweise können hier den Worten heuer noch Taten folgen. So schnell nichts wird es derweil mit dem barrierefreien Ausbau des Bahnsteigs. Wie Habermann berichtete, habe Willi Jörg von der Deutschen Bahn zwar zugesagt, das Projekt auf die DB-Programmliste zu nehmen, mit einer Umsetzung vor 2023 sei aber nicht zu rechnen. Das liege zum einen an den Investitionskosten im siebenstelligen Bereich, zum anderen an den schwierigen Planungen. Um einen barrierefreien zweiten Außenbahnsteig anlegen zu können, ist ein Steg samt Aufzug über die Gleise notwendig.

Aus Kostengründen nichts wird es wohl auch mit einem Neubau des Fußgängertunnels nach Algertshausen. Der gehört der Bahn. Die Stadt wolle aber versuchen, eventuell selbst aktiv zu werden, um zumindest kosmetische Verbesserungen - beispielsweise bessere Beleuchtung und freundlichere Gestaltung - nicht auf den Sanktnimmerleinstag verschieben zu müssen. Aichach hat darin bekanntlich Erfahrung. Beim Park-and-Ride-Parkplatz nahm man die Sache selbst in die Hand, und auch bei der Sanierung des Bahnhofsgebäudes ging man eigene Wege. Sehr erfolgreich, wie Gebhard Wulfhorst meint. Neben Kritik und Anregungen gab es bei der Fahrgastbefragung unter anderem Lob für das Bahnhofscafé.

Nichts für einen Schnellschuss sei die notwendige Konfliktbewältigung zwischen Autos, Bussen und Fußgängern am gesamten Bahnhofsvorplatz, wie Bürgermeister Klaus Habermann betonte. Hier setzt er auf den zweiten Abschnitt beim Ausbau der Bahnhofstraße. Derzeit läuft bekanntlich der erste Bauabschnitt zwischen der Einmündung der Franz-Beck-Straße und der Stadtpfarrkirche, der heuer über die Bühne geht. Der zweite Teil bis zur Bahnunterführung nach Oberbernbach soll im Anschluss in aller Ruhe aufgeplant werden, um sich unter anderem grundlegende Gedanken über den Bahnhofsbereich machen zu können. Von einer Fußgängerunterführung oder einem Steg über die Bahnhofstraße halten weder Habermann noch Wulfhorst allein aus städtebaulichen Gründen etwas.

Workshops wie in Aichach finden bei allen Teilnehmern des Pilotprojektes statt. Die Ergebnisse sollen im nächsten Jahr in ein Praxishandbuch für Kommunen mit einem Bahnhof münden. Und: Der Freistaat sucht derzeit einen Standort für einen Modell-Bahnhof, an dem alle Ideen des Pilotprojektes umgesetzt werden sollen.

Robert Edler