Geisenfeld
Marcus aus Geisenfeld starb bei einem Unfall

Sein Vater fordert PS-Grenze für junge Fahrer

12.10.2018 | Stand 23.09.2023, 4:38 Uhr
Ort der Trauer: Dort, wo der 13-jährige Marcus R. (rechts) bei einem Unfall auf der B300 bei Geisenfeld sein Leben verlor, hat seine Familie Kerzen und Erinnerungsstücke aufgestellt. −Foto: Richter/Repro: DK

Geisenfeld (DK) Plötzlich war Marcus nicht mehr da. Sein Tod kam jäh und unerwartet, umso größer ist der Schmerz. Der 13-jährige Realschüler war am 26. September auf der B300 zwischen Langenbruck und Geisenfeld (Kreis Pfaffenhofen) als Beifahrer bei einem Unfall gestorben, von einem Moment auf den anderen aus dem Leben gerissen. Nun ermittelt die Polizei wegen fahrlässiger Tötung gegen den mutmaßlichen Verursacher.

Marcus' Vater Torsten R. (50) ist nur noch ein Schatten seiner selbst, seit er den Sohn verlor, Bruder Jonas (16) geht es mit dem Verlust kaum anders. Erst vergangenes Jahr war die Mutter der beiden Brüder nach schwerer Krankheit gestorben, ihr Tod hatte sie alle in ein schwarzes Loch gerissen. Sie waren über den Sommer gerade dabei gewesen, diese Krise zu überwinden. Es gab eine neue Frau im Leben des 50-Jährigen, sie schloss seine Söhne rasch ins Herz und wollte ihnen die Mutter ersetzen. Zuletzt waren sie noch gemeinsam in Urlaub gewesen, sie fühlten sich glücklich und als Familie. Alles schien sich zum Guten zu wenden. Und nun das!

Marcus und Jonas waren am 26. September mit Freunden in zwei Autos von Geisenfeld nach Langenbruck gefahren, sie wollten Hamburger essen. Auf dem Hinweg saßen sie im Auto eines jungen Mannes, den ihr Vater als zuverlässig eingestuft hatte. "Ich hatte mit ihnen vereinbart, dass sie nicht einfach mit irgendwelchen Leuten mitfahren, die ich nicht kenne und vielleicht unvernünftig sind", sagt Torsten R. Warum sein Marcus dann auf dem Heimweg im PS-starken Audi eines 21-Jährigen Platz nahm und auch die Mahnung seines Bruders, an die Worte des Vaters zu denken, nicht akzeptierte, wird für immer offen bleiben. "Er hat Autos und Technik einfach geliebt", sagt Torsten R. So nahm das Schicksal seinen Lauf.

Jonas erzählte später daheim, wie sie im Auto vorneweg auf der B300 vor einer Kurve hinter einem Traktor herzuckelten, während der junge Audi-Fahrer später nachkommen wollte, weil irgendetwas mit dem Licht nicht gestimmt haben soll. Als sie den Bulldog überholten, sei plötzlich der 21-Jährige "wie eine Rakete herangeschossen", an ihnen vorbeigezogen und habe die Kontrolle über den Audi verloren. Das Fahrzeug kam von der Straße ab, rasierte mehrere Bäume an einem Waldrand, wurde zurückkatapultiert, krachte auf die Beifahrerseite, schlitterte weiter und kam am Ende links von der B300 zum Stillstand. Während der 21-Jährige weitgehend unversehrt blieb, musste Jonas miterleben, wie sein Bruder eingeklemmt in den Trümmern starb. "Die Rettungskräfte waren wirklich schnell da, aber es war leider nichts mehr zu machen", sagt sein Vater. "Eine Stunde haben sie vergeblich versucht, ihn wiederzubeleben."

Sein ganzer Zorn richtet sich nun gegen den mutmaßlichen Unfallverursacher. Wenn er von dem 21-Jährigen spricht, fallen wenig schmeichelhafte Worte, wobei "Raser" noch eines der harmloseren ist. Die Spuren, die schweren Folgen, die Zeugenaussagen - vieles spricht dafür, dass tatsächlich überhöhte Geschwindigkeit im Spiel war, aber eine Bestätigung fehlt noch. "Es liegen bisher nicht alle Gutachten vor", sagt Josef Ledl von der Polizei in Geisenfeld zum Stand der Untersuchungen. Routinemäßig, wie stets in solchen Fällen üblich, sei eine Blutentnahme bei dem jungen Fahrer erfolgt, um festzustellen, ob Alkohol- oder Drogeneinfluss vorlag. Die Ermittlungen würden sicher noch eine Weile andauern.

Torsten R. fordert derweil eines: "Die Politik muss verbieten, dass so unerfahrene Fahrer mit schnellen Autos über 200 oder 250 PS unterwegs sind. Das gehört gesetzlich beschränkt". Er hofft, dass der schreckliche Vorfall Mahnung sein möge für alle jungen Menschen, künftig vorsichtiger zu sein, ob als Fahrer oder Mitfahrer, damit Marcus' Tod nicht ganz vergeblich war. Nur sehr langsam finden der 50-Jährige, seine Lebensgefährtin Katrin und Jonas ins Leben zurück. Es wird ein langer Weg.

An der Staatlichen Realschule Geisenfeld war der Schock groß gewesen, als die Nachricht vom Tod des 13-jährigen Mitschülers einging. "Wir haben das Kriseninterventionsteam eingeschaltet, Kontakt mit der Schulpsychologin aufgenommen und einen Kondolenzraum mit einem Bild von Marcus eingerichtet", sagt Direktorin Sabine Billinger. "Jeder, der das Bedürfnis verspürt, kann ihn aufsuchen, sich ins Kondolenzbuch eintragen und Trost suchen. Es ist auch eine Lehrkraft da." Die Schulleiterin sorgte durch vorzeitigen Unterrichtsschluss dafür, dass jeder, der vor gut einer Woche zur Beerdigung wollte, auf den Friedhof konnte. "Wir sind alle noch in der Aufarbeitung", sagt sie. Daraus seien zwei Kunstprojekte entstanden, unter anderem ein "Wunschbaum" - denn "es soll ganz bewusst etwas sein, das in die Zukunft gerichtet ist", sagt Sabine Billinger.

An der Unfallstelle erinnern Kerzen und persönliche Stücke von Marcus an den fröhlichen 13-Jährigen. Ein Mercedes-Modell, weil er Autos so gern mochte. Zwei Schokoriegel, weil er als die Naschkatze der Familie galt. Und seine FC-Bayern-Kappe, er war leidenschaftlicher Anhänger der Münchner und hatte sogar noch Karten für das Champions-League-Spiel der Bayern gegen Amsterdam bestellt. Als der Anpfiff erfolgte, da war Marcus schon tot. "Ich hoffe, dass es dir da, wo du jetzt bist, gut geht", schrieb ein Schulkamerad ins Kondolenzbuch.

Horst Richter