Pfaffenhofen
Maden im Speck

Gammelfleisch: 72-Jähriger vor Gericht

05.02.2021 | Stand 10.02.2021, 3:33 Uhr
Ein Metzger schneidet am 24.10.2014 in Bonndorf (Baden-Württemberg) in der Räucherkammer des Schinkenherstellers Adler einen Schwarzwälder Schinken an. Die Herstellung dauert rund drei Monate. Schwarzwälder Schinken muss im Schwarzwald hergestellt werden. Foto: Patrick Seeger/dpa (zu lsw-KORR:"Vom Schwein zum Schinken - Schwarzwälder Fleischbranche unter Druck" vom 12.06.2015) ++ +++ dpa-Bildfunk +++ −Foto: Patrick Seeger (dpa)

Pfaffenhofen - Mit den Produkten, so verspricht die Homepage, die Schinken, und Speck anpreist, wolle man "ein kleines Stück Südtirol, Sonne, Natur" und auch die bekannte Gastfreundlichkeit mit dem Kunden teilen.

Als die Lebensmittelkontrolleure des Gesundheitsamts und die Polizei die Wohnung des Homepage-Betreibers inspizierten, stellten sie fest, wer sonst noch die Gastfreundschaft in Anspruch genommen hatte: In dem Geräucherten, das offen, verpackt und in Kartons im Wohnzimmer, im Schlafzimmer und in der Garage deponiert war, fühlten sich kleine Tierchen so wohl wie die Maden im Speck. Jetzt muss sich Willi F. (Name geändert) vor Gericht wegen Verstoßes gegen das Lebensmittelgesetz verantworten.

Amtsrichterin Nicola Schwend eröffnet die Verhandlung, alle Zeugen sind anwesend, nur die Anklagebank ist leer. Nach einer Dreiviertelstunde erscheint der 72-Jährige aus dem nördlichen Landkreis, seinem Verteidiger war es gelungen, ihn an den Termin zu erinnern. Er habe die Ladung nicht bekommen, rechtfertigt sich Willi F. , obwohl ihm die Richterin nachweisen kann, dass er sie in Empfang genommen hat. Das war dann aber auch das Einzige, was der Angeklagte zu sagen hat. "Zur Sache", so sein Verteidiger, "wird er keine Angaben machen. "

Das holen deshalb die Zeugen nach. Ein Vertreter des Gesundheitsamts erklärt, er sei vom Sohn des Angeklagten angerufen und auf die Situation hingewiesen worden. Tags zuvor sei der Sohn mit dem Vermieter in der Wohnung gewesen. Dieser kündigte dem Vater fristlos, weil die Wohnung vertragswidrig für gewerbliche Zwecke genutzt worden war. Ein "stechender Geruch" sei dem Kontrolleur und den Polizeibeamten in die Nase gestiegen, als sie in die Wohnung kamen. 90 Prozent des Fleischs sei von Schimmel befallen gewesen, im Schinken ließen es sich Maden gutgehen. Auf dem Balkon entdeckten die Beamten Geräte, mit denen die Ware aufgeschnitten und verpackt werden kann. Sie schlussfolgerten, dass Willi F. schwunghaften Handel treibt. Deshalb suchten sie nach Unterlagen und beschlagnahmten das Laptop, um Kunden- und Lieferantenadressen zu bekommen. Vergeblich: Das Gericht kann dem Angeklagten nicht nachweisen, dass er die Ware habe verkaufen wollen, obwohl aus Sicht der Staatsanwaltschaft alles dafür spricht. Um Licht ins Dunkel zu bringen, sollen weitere Zeugen vernommen werden, darunter der Sohn und die Ehefrau des Angeklagten, die inzwischen getrennt von ihm lebt.

Denn tatsächlich bleiben Fragen offen: Warum hängt der Sohn seinen Vater hin? Warum hortet Willi F. Unmengen an Schinken und Speck in seiner Wohnung, wenn es keine Kundendatei gibt? Wer ist sein Lieferant? So verschwiegen Willi F. in der Verhandlung ist, so auskunftsfreudig redet er draußen auf der Straße. Er redet von familiären Intrigen, davon, dass er niemals verdorbene Ware verkaufen würde, dass er gar nicht der Händler sei sondern bloß der Kontaktevermittler. Warum er als "Agent" die Ware daheim lagert, beantwortet er auch. Ob er sie am nächsten Verhandlungstermin dem Gericht mitteilt, ist offen.

ahh